Amy ist eine der wenigen Menschen, die langsam und gemütlich in die Halle treten. Die meisten Frauen, die hier sind hetzen regelrecht hinein, als könnte ihnen jemand den besten Platz wegschnappen. Das ist natürlich unmöglich, denn jeder hat seinen Sitzplatz für den er bezahlt hat. Sofort fühlt Amy sich wieder in die 90er zurück versetzt. Sie hat den ganzen Hype um seine Person zwar nie richtig erlebt, einfach weil sie mit ihren heute 30 Jahren damals noch sehr jung war, aber aus vielen Interviews und vielen Konzerten, die sie sich auf YouTube angeschaut und auf anderen Plattformen gelesen hat, weiß sie einiges darüber. Zumindest das was die Zeugen dieser Zeit verlauten lassen. Ihr kommt das plötzlich alles sehr real vor, auch wenn sie es bisher nie glauben wollte. Eigentlich ist Amy immer der Meinung gewesen die Fans seien erwachsener und reifer geworden, hätten sich den Künstlern der Kelly Family angepasst. Zivilisierter eben. Es scheint jedoch immer noch genügend Ausnahmen zu geben.
Als Amy endlich an ihrem Platz im Parkett angekommen ist, schnauft sie erstmal tief durch. Niemals hätte sie gedacht, dass der Einlass so anstrengend werden würde. Die Menschen drängelten, schubsten und brüllten irgendwelche Worte, die nach Verzweiflung und Wut klangen. Warum nur? Man sollte doch ein Konzert zum Spaß besuchen und es genießen.
Es dauert noch weitere 10 Minuten bis das Licht abgedunkelt wird. Schemenhaft erkennt Amy ein paar Männer die ihre Plätze auf der Bühne einnehmen. Die ersten Töne der Gitarre erklingen, dicht gefolgt vom Bass. Amy erkennt das Stück sofort. Sanft wiegt sie sich in den Klängen der Musik, bis schließlich Patrick zum Mikrophon geht und anfängt zu singen. Die Menge jubelt und klatscht, steht auf um zu Tanzen, sich wenigstens zu bewegen. Amy tut es ihnen gleich. Sie hat keine andere Wahl, wenn sie einen Blick auf die Bühne erhaschen will. Nicht dass es ihr darum geht, aber wenn sie schon mal hier ist, will sie auch was sehen.
Ein Song folgt dem nächsten. Jeden Einzelnen kann Amy auswendig mitsingen. Eine Gänsehaut überkommt sie, als das erste ruhigere Stück des Abends angespielt wird. "I remember to stay the suicide. Standing out, the window opened wide", lauten die ersten Worte. Jedes Mal kommen ihr die Tränen, wenn sie dieses Lied hört. Heute noch mehr als sonst. Vielleicht gerade deswegen, weil sie ihn live hören darf. Einerseits erinnert der Song sie an eine Zeit in der sie alles andere als glücklich war. Andererseits erfüllt er sie mit Dankbarkeit, dass diese Zeit vorbei ist; dass sie wieder glücklich ist und das Leben in vollen Zügen genießt. So als wäre es etwas verbotenes zu weinen, wischt sie sich eilig eine Träne von der Wange. "Reiß dich zusammen, Amy. Du wolltest heute nicht heulen", ermahnt sie sich gedanklich.
Heilfroh darüber, dass wieder flottere Songs gespielt werden, die ihr nicht solche zwiespältigen Gefühle entlocken, gibt sie sich wieder völlig der Musik hin. Sie tanzt, lacht, klatscht und jubelt. Sie fühlt sich so frei. Ein unbeschreibliches Gefühl. Doch dieses Gefühl muss der Wehmut weichen, als das Konzert vorbei ist. Amy bleibt noch eine Weile auf ihrem Platz bis der größte Teil des Publikums nach draußen gegangen ist.Vor dem Eingang der Halle bleibt sie stehen. Zu aufgewühlt um schon nach Hause zu gehen, zieht sie ihr Handy aus der Hosentasche. "Es war mega! Wie wär's noch mit Irish Harp?" tippt sie eilig und schickt die Nachricht an Liliane. Es dauert nicht lang bis sie eine Antwort erhält. Mit der Gewissheit, dass ihre beste Freundin in 15 Minuten da sein will, macht sie sich auf dem Weg.
Das "Irish Harp" ist ein Pub mitten in der Stadt. Schon oft hatte Amy hier mit ihren Freunden gesessen, einfach um zu quatschen und dabei ein Guiness Bier verschwinden zu lassen. Alles hier strahlt eine wohlige und gemütliche Athmosphäre aus.Irritiert schaut sie sich um, als sie einige Kollegen aus anderen Redaktionen vor dem Pub stehen sieht. "Hey! Was ist denn hier los?", fragt sie Jonas. Er ist ein sehr guter Freund von Amy, durch den sie überhaupt erst in die Branche einsteigen konnte. Jonas zuckt gleichgültig mit den Schultern. "Muss wohl irgendein Sänger drin sitzen. Keine Ahnung. Mein Chef schickt mich her" Stirnrunzelnd sieht Amy ihn an. "Das muss Paddy Kelly sein", stellt sie schließlich trocken fest. Jonas schaut sie mit großen Augen an. Es ist immer sehr amüsant, wenn er überrascht ist, denn dann schießen seine Augenbrauen in sekundenschnelle in die Höhe, während er sich mit den Händen durch sein nach hinten gegeltes, schwarzes Haar fährt. Amy kann sich ein Kichern nicht verkneifen. "Woher weißt du das denn? Hast du wieder Insiderinfos? Du solltest echt bei uns mit einsteigen." Jonas arbeitet tatsächlich für die Klatschpresse. Immer auf der Suche nach Informationen über die Stars und Sternchen dieser Welt. Amy schüttelt energisch den Kopf. "Nein, nein. Ich komme gerade aus der Stadthalle. Er hat dort ein Konzert gegeben. Du weißt außerdem genau, dass ich viel zu viel Menschenachtung besitze um so einen Job zu machen", teilt sie ihm zwinkernd mit. "Ich geh mal rein. Wenn du Lili siehst, sag ihr ich hatte Durst und mir war kalt." Amy quetscht sich durch die kleine Menschentraube zur Eingangstür und schlüpft eilig hinein. Wieder einmal versteht sie den ganzen Trubel nicht. Warum stellt man sich, mit Kameras bewaffnet, vor die Tür eines Pubs, nur weil vielleicht ein Mensch darin sitzt, der auf der Bühne steht und singt? Was ist denn so besonderes daran? Jeder Mensch hat doch irgendein Talent. Wenn man nichts daraus macht, ist man doch irgendwie selbst Schuld. Seufzend schlendert Amy zur Bar und bestellt sich ein Bier. Während sie wartet lässt sie den Blick durch den Raum schweifen. Tatsächlich sitzt Patrick gemeinsam mit seinen Bandkollegen an einem Tisch ganz rechts, weit weg vom Fenster. "Sollen sie sich doch draußen die Füße blutig stehen", denkt Amy schadenfroh. Auch wenn es Ihr eigentlich egal ist, dass der Mann, der mit seiner Musik so sehr ihr Herz berührt, sich im selben Raum aufhält, kann sie aus irgendeinem Grund nicht den Blick abwenden. Amy gehörte noch nie zu der Art von Menschen die ohnmächtig werden, Herzrasen bekommen oder hyperventilieren, wenn sich ein prominenter Mensch auch nur im selben Raum aufhält. Nie hatte sie das verstanden. Das sind doch auch nur normale Menschen. Vielleicht ist diese Denkweise aber auch ihrem Job geschuldet, in dem es nicht gerade selte war, dass solch ein Mensch vor ihr sitzt. Es ist faszinierend Patrick mal fernab der Bühne, privat zu sehen. Warum auch immer. Aus irgendeinem Grund hat sie das Bedürfnis sich bei ihm zu bedanken. Sie ergreift die Chance als er aufsteht und zur Bar kommt, scheinbar um sich etwas zu trinken zu besorgen. "Entschuldige Patrick", setzt sie an, wird jedoch augenblicklich von ihm unterbrochen. "Was wollt ihr Paparazzi eigentlich ständig von mir? Haben deine Freunde da draußen nicht schon genug Material?"

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Light up my Soul [Michael Patrick Kelly]
FanfictionAmy hat gerade eine tief greifende Beziehung hinter sich. Die Musik hilft ihr dabei ihre Ziele zu verfolgen, alte Wunden heilen zu lassen und neue Kraft zu schöpfen. Dies ist eine Fanfiction. Alle Handlungen sind frei erfunden. Einige Namen werden...