Amy sitzt mit vor der Brust verschränkten Armen vor dem Bildschirm ihres Computers. Skeptisch betrachtet sie ihr Werk. Sie arbeitet als Journalistin für die örtliche Tageszeitung. Mit zusammengekniffenen Augen liest sie sich ihren letzten geschriebenen Artikel immer wieder durch. Immer wieder ändert sie einzelne Passagen, bis sie vollends zufrieden ist. So ist sie eben. Eine Perfektionistin durch und durch. Schweigend nickt sie und speichert die Datei in den richtigen Ordner. Das war es für heute. Ihre Arbeit ist getan. Seufzend schaut sie zu der großen Wanduhr, die in ihrem Büro hängt. Es scheint als würde sie mit der Wand verschmelzen, denn das Zifferblatt ist ebenso hellgrau wie die Wand an der sie hängt. Innerlich schreit sie auf, denn es ist schon fast Zeit für den Feierabend. Breit grinsend schaltet sie den Computer aus und räumt ihren Schreibtisch auf. Normalerweise arbeitet sie wirklich gern und hat es nie eilig nach Hause zu kommen. Kein Wunder, denn dort wartet niemand auf sie, außer ihrem Kater Charlie, den sie über alles liebt. Manchmal kann aber nicht mal er sie trösten, wenn er sich schnurrend auf ihrem Schoß platziert. Oft sitzt sie gedankenverloren auf dem Sofa und schnieft vor sich hin. Der Grund dafür ist immer die Trennung von der, so dachte sie zumindest, Liebe ihres Lebens.
Mit Markus war sie fast 10 Jahre zusammen gewesen. Mit 16 hatten sie sich damals im Jugendclub ihres Heimatdorfes kennen gelernt. Lange Zeit waren sie glücklich, waren sogar verlobt, bis Amy herausfand, dass Markus sie betrügt. Wäre es nur einmal passiert, hätte sie vielleicht darüber hinwegsehen und für die Beziehung kämpfen können. Doch es ging über zwei Jahre hinweg, wie sie schließlich von ihrer besten Freundin Liliane erfahren hatte.
Sofort hatte sie den Schlussstrich gezogen und ihn im hohen Bogen aus der gemeinsamen Wohnung geworfen. Deshalb ist es umso schmerzlicher noch dort zu wohnen. Alles erinnert sie an die gescheiterte Beziehung mit dem Mann, der eines Tages, wenn sie alt und grau ist, neben ihr auf einer Veranda Tee trinken sollte, während ihre Enkel im Garten spielen.
Schon lang spielt sie mit dem Gedanken fort zu ziehen. Nur in welche Richtung weiß sie noch nicht. Einerseits liebt sie die Ostsee. Dort hat sie so viele schöne Dinge erlebt. Andererseits ist sie auch von den Bergen sehr angetan. Eines weiß sie jedoch sicher; sie will nicht mehr allzu lang hier bleiben. Nicht mehr in Zwickau. Nicht mehr in Sachsen. Hierher war die sowieso nur der Liebe wegen gezogen. Markus hatte hier eines Tages ein tolles Jobangebot bekommen, weshalb sie mit ihm hier her kam. Ihr Wunsch ist es nie gewesen. Im Traum wäre es ihr nicht eingefallen ihren Geburtsort in Thüringen zu verlassen. Sie liebt das kleine Dorf in dem sie aufgewachsen ist, heute noch genau so wie damals. Aber die Liebe verdreht einem eben den Kopf, lässt einen Dinge sehen die nicht da sind. Man denkt man würde überall glücklich werden, wo der Partner ist. Schmerzlich musste Amy feststellen, dass dem nicht so ist. So richtig wohl hatte sie sich hier von Anfang an nicht gefühlt.Aber heute, an diesem Tag, ist alles anders. Heute ist sie zum ersten Mal seit langem mal wieder froh darüber hier zu wohnen und das zurecht, wie sich heraus stellen wird.
Lächelnd zieht sie die Bürotür hinter sich zu, gerade als ihr Handy in der Handtasche anfängt zu klingeln. Mit der einen Hand fischt sie in ihrer Handtasche herum während sie mit der anderen versucht die Tür abzuschließen. Na endlich. Da ist es ja. Mit einem Wischen über den Bildschirm nimmt sie den Anruf an. Es ist Liliane die anruft. Das erste was Amy von ihr hört ist ein: "Hast du heute Abend schon was vor?" Amy muss erst einmal kurz die Augen verdrehen, bevor sie antwortet. "Hey Lili, ich freu mich auch dich zu sprechen.", antwortet sie überfreundlich und marschiert geradewegs in Richtung Ausgang. Liliane lacht leise am anderen Ende der Leitung. "Also was ist? Es ist Freitagabend. Lass uns feiern gehen!", quietscht sie vergnügt. Amy muss nicht lange nachdenken. Wie hätte sie auch vergessen können, dass sie heute Abend schon was vor hatte? "Tut mir leid, Lili. Ich bin doch heute Abend in der Stadthalle. Nimm doch Joana mit zum feiern. Oder willst du mich begleiten?" Liliane schnaub verächtlich. "Du weißt doch, dass dieser Kelly nicht gerade meinen Musikgeschmack trifft. Ich konnte die noch nie leiden. Joana kann nicht. Ihr Babysitter hat abgesagt." Amy musste schmunzeln. Ja, entweder man mochte die Kellys oder man hasste sie. Amy hatte schon oft versucht ihre beste Freundin davon zu überzeugen, dass der Michael Patrick Kelly, den sie sich heute live in der Stadthalle anschauen wird, nichts mehr mit dem kleinen Paddy von damals, mit der langen Mähne, zu tun hat. "Was findest du eigentlich an dem Typ?", fragt Liliane völlig zusammenhanglos nach einer kurzen Unterhaltung über die Arbeit. "Wie bitte? Welcher Typ?" Liliane schnaubt erneut. "Na dieser Patrick Kelly." Amy seufzt einmal leise. Sie klemmt sich das Handy zwischen Kinn und Schulter und fischt wieder mit den Händen in der viel zu großen Handtasche herum, um ihren Autoschlüssel zu finden. "Ich finde gar nichts an ihm. Ich finde seine Musik toll. Das weißt du doch." Amy redet sich zumindest ein, dass ihre beste Freundin das weiß. Bei Liliane muss es immer gleich einen triftigen Grund geben, zum Beispiel ein heißer Typ, den sie anschmachten kann. Dass man eine Veranstaltung besucht einfach nur weil die Musik berührt, man sich selbst darin wieder findet, ist für sie unvorstellbar. "Hör mal, ich muss jetzt los, wenn ich rechtzeitig fertig sein will. Mach dir doch einfach mal einen schönen Abend auf der Couch", sagt Amy. Sie kann förmlich hören wie Liliane den Mund öffnet um zu widersprechen. "Hab dich lieb, bis später", setzt sie eilig fort und legt schnell auf. Grinsend steigt sie in ihren Nissan Juke und dreht das Radio auf. Sie verbindet ihr Handy per Bluetooth und lässt ihre "Michael-Patrick-Kelly"- Playlist abspielen. "Deep down the Ocean is where I'm going, away from the surface that evil has woven..." schmettert es durch das Innere des Wagens. Sofort fühlt sie sich wohl. Die Musik hilft einfach immer. Wenn sie traurig ist, macht sie die Welt wieder schöner und lebenswerter. Wenn sie glücklich ist, treibt sie diese Musik noch mehr in Fröhlichkeit; bis ins Unermessliche. Wie oft ist sie schon durch die Wohnung getanzt und hat lautstark mitgesungen, weil sie einfach so unfassbar glücklich war, obwohl sie nicht einen wirklichen Grund dafür hatte. Ihr Kater Charlie verkriecht sich dann immer unter dem Sofa. Ganz nach dem Motto "Lass mich bloß in Ruhe damit". Schon immer ist sie von der Kelly Family fasziniert gewesen. Einerseits wegen der Musik, andererseits wegen der bewegenden Geschichte, die hinter dieser Familie steht. Es ist ein Segen für sie gewesen, als das erste Soloalbum von Paddy auf den Markt kam. Schon immer mochte sie seine Stimme von allen am meisten. Heute noch mehr als früher. Sie ist sich sicher diese Stimme unter tausenden heraus zu hören.Zu Hause angekommen wirft sie die Tasche achtlos in die Ecke des, in hellem braun eingerichteten, Wohnzimmers. Im Vorbeigehen begrüßt sie Charlie, der friedlich schlafend auf seinem Kratzbaum liegt. Ihr Weg führt sie direkt in die Küche, die direkt an das Wohnzimmer angrenzt. Sie schiebt schnell eine tiefgekühlte Pizza in den Ofen und geht zurück in den kleinen Flur, von dem noch zwei weitere Türen abgehen. Die erste führt ins Badezimmer und die zweite führt ins Schlafzimmer. Unentschlossen steht sie vor beiden Türen. Erst duschen oder erst Sachen für den Abend heraus suchen? Sie entscheidet sich schließlich für ersteres.
Zwei Stunden später steht sie fertig angezogen und vollgestopft im hell erleuchteten Flur und betrachtet sich in dem großen Spiegel. Zufrieden lächelt sie. Amy hat sich für eine dunkelblaue Röhrenjeans, ein schwarzes Top mit Spitze am Bund, ihre schwarzen Bikerstiefel und ihre dunkelgraue Lederjacke entschieden. Ihre braunen Haare, die ihr fast bis zum Bauchnabel reichen, lässt sie offen in leichten Wellen über die Schultern fallen. Sie nickt sich noch einmal selbst im Spiegel zu bevor sie sich den Schlüssel von der Garderobe schnappt und die Wohnung verlässt.
Bereits nach 15 Minuten zu Fuß steht sie vor der Stadthalle. Ein großes Plakat steht vor dem Eingang. Darauf abgebildet ist Michael Patrick im Profil, der seine Gitarre festhält und in die Ferne zu blicken scheint. Amy überkommt eine Vorfreude, die sie so den ganzen Tag noch nicht gespürt hatte, denn sie wird leicht von Nervosität überschattet. Amy ist ein Mensch, der manchmal viel zu sentimental ist. Sie fängt schnell an zu weinen, wenn ihr etwas nahe geht. Vor allen Dingen wenn es Musik ist, die ihr nahe geht. Sie hatte sich bereits am Morgen vorgenommen sich heute bei dem Konzert zusammenzureißen. Obwohl Amy weiß, dass das für sie persönlich ein unmöglich umsetzbares Vorhaben ist, ist sie zuversichtlich. Meist kommt die Erkenntnis, dass es ein tolles Konzert ist, bei ihr erst viel später, wenn sie am Abend wieder zu Hause zur Ruhe kommt.
Die Menschen drängen sich am Eingang dicht beieinander. Einige junge Frauen quetschen sich direkt an die Eingangstür. "Ihr kommt auch nicht schneller rein, wenn ihr euch daran die Nasen platt drückt", denkt Amy sich kopfschüttelnd. Nach 10 Minuten Wartezeit, wird die große Tür schließlich knarrend geöffnet.
DU LIEST GERADE
Light up my Soul [Michael Patrick Kelly]
FanficAmy hat gerade eine tief greifende Beziehung hinter sich. Die Musik hilft ihr dabei ihre Ziele zu verfolgen, alte Wunden heilen zu lassen und neue Kraft zu schöpfen. Dies ist eine Fanfiction. Alle Handlungen sind frei erfunden. Einige Namen werden...