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Während der ICE nach Hamburg die Maximalgeschwindigkeit erreichte, fielen Leon die Augen zu. Ich guckte erneut auf mein Handy, um zu kontrollieren, ob Eric mir geschrieben hatte - hatte er nicht - und sah aber die die Nachrichten von Emilia.

Schade, dass du nicht kommst :( Hätt' dich gerne gesehen...

Läuft übrigens super mit meinem Typen!! xx

Seufzend ignorierte ich ihre Nachrichten. Noch immer wollte sie mir partout nicht erzählen wer ihr Date war und ich konnte mir dem Gefühl nicht erwehren, dass es ihn nicht gab und sie mich nur prankte. Ich schaltete mein Handy auf stumm und beschloss Eric zu vergessen. Leon neben mir fing leise an zu schnarchen und ich musste kichern. Das Wochenende konnte kommen.

*

Sein Apartment lag in einer schnuckligen Gegend und war mit Treppen steigen verbunden, noch mehr als in meiner Wohnung, die ich mit Eric teilte, denn Leon wohnte im Gegensatz zu uns im Dachgeschoss.
Ich durfte in seinem Bett schlafe, während er für die zwei Nächte auf der Couch schlafen würde.

Abends warteten wir aufgeregt auf den Dampfer, der uns übersetzen würde, damit wir "König der Löwen" gucken konnten. Leon hatte, wie er mir freudig mitgeteilt hatte, das Musical zwar schon mehrere Male gesehen, ich allerdings nicht und da er meinte er hätte nichts dagegen es sich ein weiteres Mal anzugucken, ergriff ich die Gelegenheit am Schopf.
Die Fahrt war windig und wackelig, ich wollte aber unbedingt auf dem Deck stehen. Umringt von Schulklassen und alten Leuten lachten wir uns zu und ich war einfach nur glücklich. Das Musical selbst war atemberaubend. Mehr als einmal ertappte ich mich, wie ich voll und ganz in die Geschichte, obwohl ich sie schon kannte, versank. Auf einmal spürte ich, wie Leon seine Hand auf meine legte. Ich erstarrte, was er wohl merkte, denn er zog seine Hand wieder zurück. Sie war angenehm kühl gewesen und in irgendeiner Hinsicht vermisste ich das Gefühl bereits.

Am nächsten Morgen machte ich Frühstück, da ich früher als Leon wach war. Er schlummerte auf der Couch. Ich weckte ihn schließlich mit Kaffee und dem Wegziehen der Decke, während mir die Parallelen zwischen uns Beiden und Eric und mir bewusst wurden. Krampfhaft versuchte ich mir einzureden, dass Leon nichts für mich empfand, das allerdings war nicht so einfach, wenn man die Geschehnisse von vor einer Woche und gestern betrachtete.

Den Tag über zeigte mir Leon Hamburg. Wir aßen am Hafen ein Fischbrötchen und gingen die Stufen auf den Michel. Die Stadt begeisterte mich mit einem ganz eigenen Flair, total unterschiedlich zu Berlin. Die Backsteinhäuser, die engen Gassen und überall der Salzgeruch in der Luft.
Am Abend kehrten wir in eine Bar in der Nähe der Alster ein, in der ich Leons Freundeskreis kennenlernte. Leon, sein bester Freund, der lustigerweise den gleichen Name besaß, sah Leon überhaupt nicht ähnlich und auch sein Verhalten war das komplette Gegenteil von "meinem" Leon, wie ich ihn in Gedanken nannte. Izzy war Engländerin und hatte sich mit ihrer Marketingfirma ein gut bezahltes Netzwerk in Deutschland aufgebaut. Ihr Partner, beruflich und privat wie ich später herausfinden sollte, war Paul. Auch er war beim Bund gewesen und hatte dann aber Marketing studiert. Er war der Cousin von dem neuen Leon, gehörte aber wie Izzy zur gesamten eingeschworenen Truppe hinzu. Wir waren alle schon gut angeheitert, als Paul anfing Bemerkungen über meinen Verlobungsring zu machen, was nicht nur mir unangenehm war. Irgendwann nahm ich ihn einfach ab und warf ihn in meine Tasche. Die Leere an meinem Ringfinger war komisch und ungewohnt, aber wenigstens hielt Paul seinen Mund, was auch an einer scharfen Zurechtweisung von Izzy liegen konnte. Gegen Mitternacht verabschiedeten Leon und ich uns von den anderen. Es war alles ein bisschen viel für mich, weshalb ich auch erst etwas spät reagierte, als Leon auf einmal stehen blieb.

"Was wäre wohl, wenn du den Ring gar nicht hättest?"

Ich verstand zunächst nicht, realisierte dann aber, dass Leon meine Verlobung meinte. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, wandte ich mich stumm wie ein Fisch zum Gehen, als Leon meine Hand griff und mich küsste. Geschockt wusste ich nicht was ich tun sollte. Er wusste genau, dass ich verlobt war, ob ich den Ring offen an meiner Hand trug oder in meiner Handtasche machte keinen Unterschied.

Entschlossen machte ich mich los: "Wäre Eric nicht da... Aber so?"

Leon seufzte verlegen: "Es tut mir Leid, okay? Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist."

Ich schwieg und schweigend liefen wir zu ihm nach Hause. Ich war nicht sehr unglücklich über die Tatsache, dass wir morgen wieder zurück fuhren.

7 Monate in der Hölle?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt