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,,Susan Kennedy; 4,1!"
Applaus brandete auf und die aufgerufene Schülerin eilte lächelnd nach vorne. Heute um elf Uhr vormittags sollten sich alle Schüler in der Kantine, die wohl auch als Aula-Ersatz diente, versammeln, da die Ergebnisse der Prüfungen verkündet werden sollten. 

,,Die sieht ja aus, als hätte sie einen glatten Einserdurchschnitt." murmelte Jay mir zu und grinste.
,,Sei bloß still, die ist letztes Jahr nur ganz knapp doch die Prüfungen gekommen." mischte sich Amy ein und stupste Jay an. 

,,Außerdem erinnere ich mich an einen jungen Mann, der gerade seine Prüfung mit einem Schnitt von 4,0 selig lächelnd entgegen genommen hat."
,,Ich bin ja auch ein Junge!" protestierte Jay und strich sich gespielt eingebildet durch die Haare. 

,,Ich darf schlecht in der Schule sein."
,,Amy Hernandez; 2,6!" Amy sprang glücklich auf und rannte nach vorne, um ihre Prüfungsergebnisse abzuholen. Sie schüttelte die Hand der Schulleiterin und griff dann strahlend nach dem dünnen Heft, dass Mrs. Walsh ihr hinhielt. 

Als sie wieder zu uns zurückkam, grinste sie immer noch wie ein Honigkuchenpferd.
,,Ich erinnere mich an ein Mädchen, dass gesagt hat, sie wäre nicht gut in der Schule und würde wahrscheinlich durch die Prüfung fallen." frotzelte ich. Amy lachte befreit und lehnte sich entspannt zurück. 

,,Hey, ich konnte ja nicht wissen, wie gut ich eigentlich bin." erwiderte sie selbstgefällig und fuhr fort: ,,Jetzt fehlst nur noch du, Faye, dann sind wir alle durch."
,,Nein, ich war auch noch nicht vorne!" beschwerte sich Cole von hinten und trat eingeschnappt gern meine Stuhllehne. 

,,Hey!" fauchte ich und drehte mich nach hinten um. Cole grinste mich an und machte kurz eine entschuldigende Geste. Im selben Moment sprach Mrs. Walsh vorne ins Mikro:
,,Faye Owdnegrin; 3,4!" 

Ich sprang auf und rannte aufgeregt nach vorne. 3,4! Das war zwar schlechter, als an meine alten Schule, aber immerhin noch zufriedenstellend, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass ich in meinen individuellen Kursen nicht besonders gut gewesen war.
Vorne schüttelte die Direktorin mir die Hand und nickte mir aufmunternd zu. 

,,Glückwunsch Faye, sehr schön gemacht."
Ich erwiderte das Nicken, ergriff mein Heft und ging von der Bühne, während Applaus aufbrandete. Ich war noch ganz berauscht, auch, wenn ich eigentlich nichts besonderes gemacht hatte. 

Während die restlichen Schüler nach und nach nach vorne gerufen wurden, um ihre Prüfungsergebnisse in Empfang zu nehmen, redeten Cole, Jay, Amy und ich leise miteinander. Und, wie hätte es auch anders kommen können, landeten wir erneut bei Sam und ihrem Mörder.

,,Unvorstellbar, dass jemand so grausam sein kann." meinte Jay und Amy nickte zustimmend. 
,,Jemanden umzubringen, das ist mit Abstand die böseste Straftat, die man je verüben kann."
,,Also, ich finde ja auch, Mord ist mit Abstand am schlimmsten." Cole lehnte sich zwischen mir und Amy nach vorne durch.
,,Ich meine, jemanden zu töten, das erfordert ja schon einen gewaltigen Mangel an Skrupel." 

„Bitte, lasst uns jetzt nicht schon wieder darüber sprechen." wandte ich ein und rieb mir träge das Gesicht. Die ganze Veranstaltung zog sich länger hin, als ich für möglich gehalten hatte. Erneut tauchte das Bild von Sam's Leiche vor meinem geistigen Auge auf. Ich unterdrückte ein gequältes Stöhnen und atmete ein paar mal tief ein und aus. 

„Sorry Faye, aber wir können nicht ewig Rücksicht auf dich nehmen." Jay stupste mich vorsichtig an der Schulter an „Ich weiß, dass das schwer für dich ist, aber du musst das auch irgendwann mal verarbeiten. So wie Noah, zum Beispiel." 

Ich drehte mich nach hinten um und deutete vielsagend zur Tür. Noah lehnte daneben und hielt mit verkrampfter Körperhaltung seine Prüfungsergebnisse fest. Selbst im schwachen Licht konnte ich erkennen, wie blass und fertig er aussah. 

„Nicht gerade das beste Beispiel, findest du nicht?" Amy nahm mich am Unterarm und drückte diesen voller Beistand. „ich finde, Faye hat allen Grund der Welt, nicht darüber sprechen zu wollen. Eine Leiche zu finden, dass ist kein Kinderspiel!"

In der Reihe vor uns drehte sich ein Mädchen um und sah uns vorwurfsvoll an.

„Geht's noch lauter?!" zischte sie ärgerlich. Ich und Amy hoben zeitgleich eine Hand zur Entschuldigung und das Mädchen drehte sich wieder um. 

„Ich entlasse euch dann morgen in die Ferien, bis dahin viel Spaß beim Sachen packen." Mrs. Walsh nickte in die Runde, nahm ihre Zettel hoch und verließ unter verhaltenem Applaus die Bühne. Jay stand auf, zog mich hoch und hielt dann Amy seine Hand hin, doch sie tippte sich nur an die Stirn und stand eigenhändig auf. 

„Spinner!" sagte sie freundlich und stieß ihn gegen die Schulter. 

„Selber." Jay grinste und tat, als wäre er schrecklich verwundet, indem er sich mit weinerlichen Geräuschen den Oberarm rieb. 

Ich schüttelte lächelnd den Kopf und warf Cole einen verschwörerischen Blick zu. 

***

„Ich werd dich vermissen!" schniefte Amy mehr als sentimental und umarmte mich erneut. „Wenn ich daran denke, dass wir uns zwei Wochen lang nicht sehen." 
„Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du hättest mit mir Schluss gemacht und wärst jetzt mit Faye zusammen." schmunzelte Mila, welche mit drei pinken Koffern neben uns stand.

„Als ob ich mit der zusammen sein wollen würde!" erwiderte ich und Amy hielt sich getroffen die Hand ans Herz.
„Das hat mich tief getroffen. Deine Ablehnung mir gegenüber wird mir im Gedächtnis bleiben, damit ich sie dir unter die Nase reiben kann, wenn du eines Tages das Zeitliche segnest."

„Wenn du dann noch lebst, schließlich bist du drei Monate älter." Mila schob uns beide auseinander und nahm nun ihrerseits mich in Beschlag. 
„Bis nach den Ferien." murmelte sie in meine Haare. Anschließend war Cole 'an der Reihe'. Er grinste mich verlegen an und ich schloss ihn kurzerhand in die Arme. Cole schien sich sichtlich unwohl zu führen, sodass wir uns schnell wieder lösten und ich mit Jay weiter machte. Er drückte mich an sich und streichelte mir mit der rechten Hand langsam über den Rücken. Auch, wenn er das nur nebensächlich machte und wahrscheinlich gar keine große Bedeutung hatte, hinterließen seine Finger ein angenehmes Prickeln auf meinem Rücken. 

Ich machte mich schnell von Jay los und lächelte ihn unsicher an, als er mir verwirrt ins Gesicht blickte. Zum Glück fuhr in diesem Moment mein Vater mit unserem Auto vor. 

„Wir sehen uns." meinte ich und drehte mich eilig um.
Fast wäre ich jedoch in Corey hineingerannt. 
„Sorry." meinte ich und versuchte mich an einem Lächeln. Corey giftete mich zur allgemeinen Verwunderung nicht an.

 Sie nickte mir kurz zu, dann ging sie wortlos weiter. Ich musste unwillkürlich schmunzeln, denn offenbar hatte sich unser Verhältnis deutlich gebessert.
„Hey Papa!" ich warf mich meinem Vater stürmisch an den Hals und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Anschließend warf ich meine Koffer in den Kofferraum und stieg vorne neben Papa ein. 

„Na? Wie war dein erstes Schulhalbjahr?" Papa warf mir einen liebevollen Vater-Tochter-Blick zu, „War's so schlimm?"
„Am Anfang schon, aber jetzt zum Schluss hat es mir immer besser gefallen." gab ich ehrlicherweise zu und lachte kurz auf. 

Papa lächelte mich an und brauste vom Schulgelände. 
„Na dann, auf in die Ferien, damit du auch bald wieder hierher kommen kannst."

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So, das war es mit dem Buch! Wie hat es euch gefallen? Archiviert es noch nicht, die Danksagung kommt noch hinterher.

<3MissWriter13

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