Beim Frühstück am nächsten Tag wusste bereits die ganze Schule, was vorgefallen war. Hätte sie nicht gestern das Zeitliche gesegnet, ich hätte darauf gewettet, dass Sam da ihre Finger im Spiel hatte. Aber so war es eine ziemlich gruselige Vorstellung, dass eine Tote Gerüchte über den Mord an ihr selbst verbreitete. Ich gähnte ausgiebig und räkelte mich träge auf dem Stuhl in der Kantine. Ich war gestern Nacht zwar noch eingeschlafen, doch ich war ständig aufgewacht und hatte schlimme Albträume gehabt.
Als ich am Morgen ins Bad getapst war, hatte ich Augenringe bis praktisch zu den Knien gehabt. Aber ich hatte mich trotzdem zum Frühstück gequält, wo ich nun lustlos an einem Toast herum knabberte. Von überall wurden mir mitleidige Blicke zugeworfen, jeder wusste, dass ich Sam gefunden hatte. Zum Glück war nicht bekannt, dass Corey auch in die Sache verwickelt war, den Schülern hatte man gesagt, dass sie sich einfach sehr schwer erkältet hatte.
Es war leiser als sonst in der Kantine, man hörte nur gedämpftes Murmeln und Geflüster. Ich wäre vom Unterricht freigestellt worden, zumindest für heute, aber ich hatte darauf bestanden, hinzugehen. Alleine in meinem Zimmer wäre mir vermutlich die Decke auf den Kopf gefallen. Ganz abgesehen von den Gedanken, die mir dabei vermutlich durchs Gehirn gewandert wären. Ich biss ein winziges Stück von meinem Toast ab und betrachtete die Gesichter meiner Freunde.
Allesamt sahen sie ein wenig müde, abgekämpft und bestürzt aus, einige mehr als andere. Trish beispielsweise sah wenig anders als noch gestern aus, nur ihre abwesende Art verriet, dass auch sie der Tod von Sam beschäftigte. Noah war nicht erschienen, Jay und Cole aßen wortlos ihr Müsli und waren auf ihre Weise schlecht drauf. Jay's Haare hingen im schlaff ins Gesicht und Cole war merkwürdig blass um die Nase. Amy sah total fertig aus und Mila und Leela waren gar nicht erst erschienen. Ich selbst fühlte mich, als hätte man mein Inneres nach außen gekehrt und wieder zurück, meine Hände zitterten und ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren.
,,Lass uns zum Unterricht gehen." Schlug Jay irgendwann vor, als wir alle nur noch vor unseren halb vollen Tellern hockten, ohne zu essen. Jay klang resigniert und erschöpft und ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich brachte mein Tablett weg und folgte Jay und Amy dann zu unserem Klassenraum. Der Tag verlief im allgemeinen eher mittelmäßig, ich saß die meiste Zeit apathisch herum und sagte keinen Ton, wurde aber auch nicht angesprochen. Vor dem Mittagessen fing mich Anne ab, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich hatte den ganzen Tag schon Angst vor den individuellen Stunden gehabt, obwohl ich eigentlich nichts zu befürchten hatte. Aber irgendwie war mir heute nicht danach, mein Element zu gebrauchen.
,,Ah, Faye, schon, dass ich dich treffe." Anne lächelte mich mit ihrem typischen Lächeln an und ich begann, sie für ihren Optimismus zu beneiden. Warum zur Hölle kam sie mit einem Tod und einem Beinahe-Tod so gut klar?!
,,Corey ist aufgewacht, ich dachte, du willst vielleicht zu ihr." Erzählte Anne im Plauderton und ich nickte dankbar. Ich wusste nicht genau, warum ich Corey Segen wollte. Vielleicht war es, weil Corey fast gestorben wäre, vielleicht aber auch nur, weil ich mich vor der individuellen Stunde drücke wollte.Ich trottete hinter der Krankenschwester zum Krankenbereich und Anne brachte mich zu dem letzten Bett. Corey lag mit geschlossenen Augen in dem Bett und sah unglaublich blass und ausgelaugt aus. Gegen sie war ich wahrscheinlich das Leben in Person.
,,Ich lass euch mal alleine." Sagte Anne und zeigte auf ihre nicht vorhandene Armbanduhr. ,,Nicht so lange, okay?"
Ich nickte. Kaum, dass Anne's Schritte verklungen waren, öffnete Cores die Augen. Sie waren glanzlos und Corey wirkte total erschöpft.
,,Ähm... Hallo." Murmelte ich schüchtern. Corey versuchte, sich etwas aufzusetzen, scheiterte jedoch. Ihre Arme gaben unter ihr nach und sie begnüge sich damit, dieselben unter ihrem Kopf zu verschränken.
,,Was willst du denn hier?" Fragte sie, ihre Stimme war rau und kaum hörbar.
,,Dich besuchen.",,Du hast sie nicht umgebracht."
Es klang nicht wie eine Frage, trotzdem schüttelte ich den Kopf.
,,Ich... hab sie nur gefunden." Ich hörte die Tränen in meiner Stimme, noch bevor ich überhaupt merkte, dass ich kurz davor war, zu weinen.
,,Anne hat gesagt, du hast mich wiederbelebt." Corey sah mich lange an und ich wartete auf eine bissige Bemerkung. Als keine kam, nickte ich schließlich langsam.
,,Ja, das hab ich.",,Danke." Es klang aufrichtig. Ich nickte erneut und dann schwiegen wir recht lange.
,,So, Faye, du musst jetzt gehen!" Anne kam um den Vorhang marschiert und bedeutete mir, mich zu verabschieden.
,,Tschüss." Sagte ich und hob die Hand.
,,Tschüss." Corey lächelte schüchtern. Dann verwandelte sich ihr Lächeln in ein Grinsen. ,,Aber denk nicht, dass ich dich jetzt leiden kann, nur, weil ich ohne dich abgekratzt wäre.",,Aber natürlich nicht." Ich setzte mich in Bewegung und verließ die Krankenstation, bevor ich schnurstracks in mein Zimmer verschwand. Dort ließ ich mich auf mir Bett fallen und spürte sofort die Tränen, die mir in die Augen stiegen. Auch wenn mich niemand sehen konnte, vergrub ich mein Gesicht in meinem Kopfkissen. Ich schluchzte leise auf.
Gut, ich hatte Sam nicht allzu sehr gemocht, aber dass man sie eiskalt abstach? Nein, das hatte sie nicht verdient. Das hätte niemand verdient. Plötzlich fühlte ich mich schlecht, weil ich mich so oft über Sam geärgert hatte, so oft mit Amy über sie gelästert hatte und ihr eigentlich nie gezeigt hatte, dass mir ihre Freundschaft etwas bedeutete. Man merkte ja doch erst, dass einem bestimmte Personen wichtig waren, wenn sie ins Gras gebissen hatten. Ging es allen Leuten so, die über eine Tote mal gelästert hatten?Fühlte sich dann jeder so schlecht und machte sich Vorwürfe? Ich wünschte es niemandem, der es nicht ernsthaft verdient hatte, sich mitschuldig zu fühlen. Tief seufzte ich und fuhr mir fahrig durch die Harre, bevor ich erneut anfing zu heulen wie ein Schlosshund. Ach, wäre ich doch nur nie auf diese Schule gegangen! Dann hätte ich Sam nie kennengelernt und hätte sie nicht finden müssen.
In meinem Rücken ging plötzlich die Tür auf und ich fuhr erschrocken hoch. Sara hatte das Zimmer betreten und mache dich wortlos an ihren Sachen zu schaffen. Ich stand blitzschnell auf und lief ins Bad, um dort zu warten, bis Sara weg war. Als es nach fünf Minuten endlich still geworden war, öffnete ich die Tür vorsichtig, aber Sara war doch tatsächlich nimmer noch da. Allerdings machte sie nach zwei weiteren Minuten endlich die Fliege und ging zur Tür.
,,Tut mir Leid, das mit Sam." Murmelte sie und schloss die Tür hinter sich. Ich starrte ihr perplex hinterher. Sara hatte gesprochen. Und das sogar recht nett. Was machte der Tod nur mit den Leuten? Ich legte mich rücklings auf mein Bett und sah stur an die Decke. Ich wollte einfach nur schlafen, koste es, was es wolle.
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Die Widmung dieses Kapitels geht an itsgigimoon . ich dachte wirklich, ich hätte dir schon früger mal eins gewidmet. bist du morgen beim Bus?
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Feuerseele
FantasíaFaye ist ein völlig normales Mädchen wie jedes andere auch. Relativ gute Noten, eine beste Freundin, Klavierspielen und Klettern als Hobby. Doch dann setzt Faye in der Pause aus Versehen einen Jungen in Brand und fliegt daraufhin von der Schule. U...