Kapitel 9

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BLAKES POV:

Noch bevor ich richtig aus dem Fenster gestiegen war, überkamen mich die ersten Zweifel. Ich hatte weder einen Platz zum schlafen, noch hatte ich sonderlich viel Bargeld dabei. Und sollte ich auf der Straße schlafen, würde mir das wenige; was ich hatte; sicherlich sowieso gestohlen werden. Wahrscheinlich würde jetzt jeder normale Mensch mit einer normalen Familie zurück in sein warmes Bett klettern und die Geschichte am nächsten Morgen am Frühstückstisch erzählen. Alle würden darüber lachen oder über ihre Probleme reden. Aber ich war weder normal, noch hatte ich eine normale Familie. Ich würde Gitter vor mein Fenster, und Hausarrest statt warmer Waffeln und einem versöhnenden Gespräch bekommen, und genau das war der Punkt. Ich war es gewohnt, unfreundlich behandelt zu werden, aber dieses verachtende in seiner Stimme hatte meine Sicherungen durchbrennen lassen. 

Verdammte Trigger! Ich sah immer noch vor Augen, wie der Ex-Freund meiner Mum sie alkoholisiert angeschrien hatte, weil sie nicht sein Lieblings Hemd gewaschen hatte, oder ihm nichts zu essen bereit gestellt hatte. Es war genau diese Verachtung in seiner Stimme, wie die, in Sherlock's. Bestimmt hatte er sie auch so behandelt. Und meine Mum war eine viel zu nette Seele gewesen, um ihm die Stirn zu bieten. Meine Mum war immer so traurig geworden, wenn ich nach meinem Vater gefragt hatte und ich konnte sie nun verdammt gut verstehen. Wahrscheinlich hatte er meine Mum gar nicht geliebt. Wahrscheinlich hatte sie Informationen oder Kontakte, die er für einen Fall brauchte. Nein, ich konnte nicht zurück! Nicht zu ihm. Also brauchte ich einen Plan. Einen guten wenn es ging. 

Er hatte überall sein Obdachlosennetzwerk, was die Sache extrem schwierig machte. Er würde erst morgen früh merken, dass ich verschwunden war, also konnte ich heute Nacht noch in dem Gartenhäuschen schlafen, dass er kannte. Danach musste ich mir etwas anderes überlegen.

Noch ganz in meinen -nicht wirklich guten- Plan vertieft, hatte ich gar nicht gemerkt, wo ich hin gelaufen war. Ich hatte einfach nur weg von ihm gewollt. Doch jetzt war ich in einem mir unbekannten Teil der Stadt, Also durchatmen. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war Panik. Ich würde schon irgendwann an eine Straße gelangen, die ich kannte um dann von dort aus zum Central Park zu gelangen. Ich wohnte ja schließlich nicht seit gestern in London. 

Als ganz so einfach stellte sich dieser Plan dann doch nicht heraus. Es gab tatsächlich so viel mehr Ecken und kleine Seitenstraßen in London, die man als Normalbürger niemals zu Gesicht bekam. Warum konnte mein Dad nicht einfach ein Hippie sein, der in die USA ausgewandert war? Warum musste es ein emotionsloses Arschloch mitten in London sein. Arrgh... mein Kopf würde irgendwann überhitzen, wenn ich weiterhin jede Wendung meines Lebens hinterfragen würde, bis ich mich so festgefahren hatte, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann.

Ich zog meinen Mantel fester um meinen Körper und konnte der Kälte doch nicht entfliehen, die sich langsam durch meinen Mantel fraß, und mich frösteln ließ. Ich wollte mich gerade erschöpft auf den Boden fallen lassen -was, wie ich selber wusste, bei Minustemperaturen sehr sehr dumm war- als ich einen sehr lauten Knall hörte. Das war ein Schuss! Oh mein Gott hier wurde geschossen!

Ich meine Panik nicht mehr unterdrücken. Ich schaltete auf Autopilot und rannte, wie es jeder Mensch mit einem halbwegs vernünftigen Verstand gemacht hätte . Ich rannte und rannte, ohne im geringsten darauf zu achten, wohin. Mein Herz klopfte so hart gegen meine Rippen, als ob es herausbrechen würde und meine Lunge brannte, als ob Säure darin wäre. Ein zweiter Schuss ertönte und traf eine Mülltonne, an der ich vorbei lief. Wieso hatte ich grade das Gefühl, als wäre ich das Zeil? 

Wahrscheinlich liegt es daran, dass sonst keiner außer dir unterwegs ist, meldete sich mein Gehirn.

Ohne auf meinen Körper zu achten, bog ich scharf in die nächste Seitenstraße ein, nur um direkt wieder ab zu biegen. Mein Plan: Abschütteln. 

Der Fall der Blake Turner - Sherlock FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt