Ich erschrak als ich die fremde Person am Fenster sah. Das Mädchen sah aber nicht so erschrocken aus wie ich. Sie sah eher... verletzt aus.
Nein, nicht psychisch, (unter anderem wahrscheinlich auch) sondern physisch. Sie hatte einen riesigen Bluterguss im Gesicht, sie sah nicht wohlgenährt aus und sie zitterte. Sie hatte überall kleine Wunden und Narben. Was ist nur mit ihr passiert?
"Hallo? Wer bist du?" Mein zaghaftes, ängstliches Stimmlein war wieder da.
"L-l-lass m-mich rein-n-n. B-bitte." Sie zitterte wirklich am ganzen Leib, das arme Ding.
Ich öffntete das Fenster und ließ sie herein.
"Alles okay bei dir?" Sie warf mir einen verdutzten Blick zu.
"Siehst du es denn nicht? Natürlich ist nichts okay!" Sie erschrak über die Lautstärke ihrer eigenen Stimme.
"Entschuldige. Ich wollte nicht so laut sein. Ich... brauche Hilfe. Bitte."
"Sehe ich. Was... ist denn passiert?" Sie drehte den Kopf zum Boden.
"Sie werden mich umbringen. Aber... Kennst du meinen Vater? Mr. Harrison-Clafford?"
"Ja, er... hat sich unserer Familie bereits vorgestellt." Sie zögerte.
"Ich wil einfach nur noch weg." Sie brach in Tränen aus. Ich wusste nicht recht was ich machen sollte. Sie trösten? Sie umarmen? Ich kenne sie doch erst seit ein paar Minuten.Ich entschied mich für eine zaghafte Umarmung. Das Mädchen schlung ihre Arme um mich, als wäre ich ihre letzte Rettung.
Bin ich wahrscheinlich auch.
"Er... Sie... Er hat mich angefasst, er hat... mich geschlagen, sis hat nur zugesehen, sie sind so krank! Ich will nur raus aus diesem Wahnsinn!" Sie weinte nur noch stärker.
Scheiße. Ihr Vater, nein, ihre Eltern misshandeln sie. Ich wusste dass irgendwas mit dieser Familie falsch ist.
"Hey, hey. Du bist doch jetzt bei mir. Alles okay, alles gut." Ich versuchte sie zu beruhigen.
"Hier bist du sicher. Hier wird dir niemand etwas tun wollen. Ich bin da." Ich tätschelte ihren Rücken.
"Blöde Frage, aber: Wie heißt du eigentlich? Ich meine... Ich muss dich ja irgendwie..."
Das Mädchen schaute mich wieder mit einem verwirrten Blick an.
"Wie 'Wie heißt du?'? Was heißt das?" Oh nein. Das kann nicht sein.
"Du hast nichteinmal einen Namen bekommen?" Ach du Kacke. Sie ist ja schlimmer dran, als ich gedacht habe.
"Naja.... Eigentlich nicht. Ich... kann mir auch nur erdenken was das ist, ein Name. Ist das wie man eine Person ruft? Wie man zum Beispiel das hier Bett nennt?" Sie zeigte auf mein Bett.
"Ja, genau. Ich nenne dich..." Ich schaute sie an. Lange. Mir fiel kein Name ein.
Sie hat dunkele, verfilzte Haare, eine blasse, helle Haut. Ihre Augen sind grün. Ein sattes grün, das ist eine seltene Augenfarbe.
"Alina." Ja, das passt.
"Alina. Alina." Sie guckte sich im Spiegel an.
"Der Name gefällt mir." Sie schaute verwirrt zum Spiegel.
"Du weißg aber was das ist, oder?" Ich deutete zum Spiegel.
"Wer ist das da im 'Spiegel'?" Die arme hat echt was verpasst.
"Das bist du. Dein Spiegelbild, so siehst du aus. Niemand anders sieht so aus wie du."
Sie ging näher zum Spiegel. Sie fasste sich an die Wange. Sie strich sich durch das Haar.
"Alina." Sie sah glücklich aus. Sie drehte sich zu mir um. Sie lächelte mich an.
"Ich bin Alina. Wie... heißt du?"
"Ich bin Kira." Ich lächelte nun auch.
"Unsere Namen enden beide mit dem 'a'." Sie schaute mich glücklich an. Ich habe noch nie jemanden glücklicher gesehen.
"Dann bist du ab jetzt meine Schwester." Ich lächelte wieder.
Sie umarmte mich. Ich spürte ihr Herz hämmern.
Sie war glücklich.Alina.
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Hide and Seek - It's Just A Game...
HorrorKira, nur bekannt als "die Neue", muss sich an einer neuen Schule zurecht finden. Dazu gehört auch neue Freunde finden, was bisher für Kira immer ein großes Problen war. Doch dann lernt sie drei nette Leute kennen, die es gut mit ihr meinen, und sie...