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Die Brücke des Han-Flusses zeigte ein wunderschönes Lichterspiel.
Autos fuhren an mir vorbei und ich streckte den Arm nach ihnen aus.

Ich spürte das Metall auf meinen Fingern, zumindest die Erinnerung davon ließ es mich spüren.
Die Kälte, durch die winterliche Jahreszeit. Wie glatt die Oberfläche war.
Aber auch, wie schnell sie mir immer wieder entrissen wurde, da die Autos eine beeindruckende Schnelligkeit aufwiesen.

Nicht viele Menschen waren in dieser Nacht hier unterwegs.
Ich bevorzugte es nicht gerade, des Nachts hier zu sein, es verloschen dann die meisten Lichter.
Doch Nachts zog es mich immer wieder hier her.
Ich wusste nicht warum, es war wie ein Ruf.

Vielleicht die Hoffnung, dass ich meinen Fluch doch noch in eine Gabe umwandeln konnte, die die Menschen bewahrten ihr Licht willentlich erlöschen zu lassen.

Es gab niemanden wie mich.
Wenn ich ein Geist war, war ich der einzige.
Für immer verdammt auf dieser Erde zu weilen und mitanzusehen, wie Menschen starben.

An meinen Namen erinnerte ich mich schon gar nicht mehr.
Mein Aussehen ... ich konnte mich nicht in einem Spiegel betrachten.
Ich wusste, dass ich ein Mädchen war, ich trug ein rosanes Kleid. Allerdings war es zerissen und scheinbar auch nass.

Ich spürte es nicht, ich sah nur, wie immer wieder tropfen auf den Boden fielen und das Kleid scheinbar schwer an meinem Körper hinunter hing.

Ich spürte nur die Erinnerung daran, wie sich sowas angefühlt haben könnte, aber auch diese Schwand langsam.
Erinnerungen blieben in meinem Zustand nicht lange.
Nur die Erinnerungen an Ereignisse und Menschen, die ich in diesem Zustand kennenlernte.

Und es waren selten schöne dabei.

So wie heute, als es später wurde.
Als nicht mehr ganz so viele Autos über die Brücke fuhren und die Menschen längst Zuhause im Warmen saßen, bei ihren Liebsten oder alleine bei einer heißen Tasse Tee.

Bis auf einer.

Ein junger Mann, schätzungsweise zwanzig.
Er stand dort einfach am Geländer. Den Blick in weite Ferne gerichtet, manchmal aufchnach unten, als wäre er neugierig.

Ich sah das Licht über seinem Kopf.
Es war ein eisiges Blau, welches alles andere, als lebhaft aussah.
Aber es flackerte nicht.
Es schien nicht kurz vor dem Erlöschen zu stehen.

Es wirkte eher gleichgültig.
Oder als wäre dieses Licht, dieses Lebenslicht, einfach eingefrohren.
Das war kein gewöhnliches Lebenslicht.

Während der junge Mann den Kopf so neigte, verschwanden seine Augen unter seinen dunklen Haaren. Seine Mimik zeigte keinen bestimmten Gesichtsausdruck. Alles an ihm wirkte gleichgültig.

Seine lockere Haltung, gebeugt über das vermutlich kalte Geländer, sein nichtssagender Gesichtsausdruck, halb versteckt von seinen Haaren, sein Lebenslicht, welches nicht zu erlöschen drohte, aber trotzdem nichts lebendes an sich hatte.

Dann sah er zu mir, während ich ihn beobachtete.
Für einen kurzen Moment dachte ich, er würde mich sehen, doch dann bemerkte ich, dass er durch mich hindurch starrte, bis er seinen Blick wieder abwandte.

Ich wusste noch, wie sich Enttäuschung anfühlte.
Die Enttäuschung, die ich als lebender Mensch gefühlt hatte.
Doch diese war nichts im Gegensatz zu dem Stich, den ich wahrnahm, als ich zum wiederholten Mal feststellte, dass ich unsichtbar für jeden Menschen auf diesem Planeten war.

Dass ich allein war, bis in die Ewigkeit hinein.

Der Fremde ging und ich würde ihn womöglich nie wiedersehen.
Es sollte mir egal sein, dass war es normalerweise auch, nachdem ich herausgefunden hatte, in welcher Lage ich nun steckte, doch irgendetwas lößte ein schreckliches Ziehen in mir aus und ich krampfte mich zusammen.

Das Licht des Fremden leuchtete so hell, dass ich es auch noch sah, als es schon längst außer Reichweite meiner Augen hätte sein müssen.

Was war dieses Gefühl?
Es tat weh, obwohl ich keinen Körper hatte, der schmerzen konnte.

Mit einer Hand stützte ich mich auf dem Boden ab, während ich mit der anderen auf meine Brust drückte, welche zu zerbersten drohte.
Was war das? Löste sich meine Gestalt endlich auf?
Würde ich endlich die Erlösung bekommen, die ich mir so lange ersehnt hatte?

Doch im tiefsten Innern war ich mir sicher, dass meine Existenz nicht endete.
Es war der Fremde, der mir das antat.
Nur ich wusste nicht wie er es tat und warum.


Wo er mich doch nicht einmal sehen konnte, da es keinen gab, der so war wie ich.

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Chaos Lights || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt