~3~

229 35 8
                                    

~>~<~>~<~>~<~>~<~>~<~>~<~>~<~

Das Stechen in meiner Brust hielt bei diesem mal länger an.
Es machte mich schwach und so saß ich die meiste Zeit nur am Han-Fluss und beobachtete die Menschen Tag und Nacht.

In den elf Tagen, die ich hier saß, hatten sich zwei Menschen das Leben genommen.
Nach meinem Empfinden waren es viele in solch einer kurzen Zeit, am selben Ort.
Ich konnte nur zusehen, wie das Licht stark flatterte, ehe sie sprangen.

Der eine, ein Mann mittleren Alters. Er sah krank aus, abgemagert und seine Haut war grau und eingefallen. In seinen Augen war seine ganze Jugend bereits verbraucht, doch seine Haut zeigte keine einzige Falte.
Er hatte schwer geatmet, als er sprang.
Direkt gegenüber von mir.

Genau sieben Tage später sprang der nächste, auch ein Mann, allerdings geschätzt in den fünfzigern. Er befand sich unmittelbar neben mir, vielleicht sieben oder acht Meter entfernt. Noch näher, als der Mann, der zuvor mir gegenüber sprang.
Er hatte eine Flasche starken Alkohols bei sich, dessen Rest er wegexte, ehe er seinen gesamten Mageninhalt auskotzte.

Er weinte und betete.
Es ging um seine Frau.
Mit einem Lallen hatte er in den Himmel geschrien, wie sehr er sie vermisste und betete, dass sie ihn wiederhaben wollte, trotz seines jämmerlichen Zustandes, in dem er sich befand.

Er brauchte einige Anläufe, um über das Geländer zu kommen.
Dann war er weg und als er in das Wasser eintauchte, war sein Lebenslicht aus meiner Sicht verschwunden.

Aber erst ein paar Minuten später auch wirklich erloschen.

Nach diesen elf Tagen, in denen zwei Menschen einfach so ihr kostbares Licht auspusteten, konnte ich mich endlich wieder bewegen und wurde direkt zum nächsten Ort gezogen.
Meine Füße zogen mich durch Straßen, Gassen, Wohngebiete und schließlich wieder auf volle Straßen.

Es war Tag und viele Menschen waren unterwegs.
Hinter einer alten Frau hörte das Ziehen dann auf und ich folgte ihr.

Ihr Licht war noch in einem kräftigen gelb-orange und voller Lebenswillen, allerdings war es recht klein und schwächelte, weil es die Natur so wollte.
Doch man merkte, wie sie sich durchbiss.

Manchmal fragte ich mich, wenn manche Menschen ihr Leben schon nicht wollten, warum wurde es dann nicht anderen Menschen geschenkt, die noch etwas damit vorhatten?
Warum konnte man dieses Licht nicht einfach austauschen, wie eine Glühbirne, die den Geist aufgab?

Ich kannte natürlich die Antwort, es war mehr als logisch.
Ein Leben war nicht dazu da, um sich so viel Zeit zu schaffen, wie man es nötig hatte.
Es war dazu da, um es zu Leben, um etwas daraus zu machen, um die Zeit vollkommen zu nutzen, die einem gegeben war.

Das machte es so kostbar und zu einem unbezahlbaren Geschenk, dass man innerhalb eines Lebens nur einmal bekam.
Menschen waren nicht dazu gemacht, um für immer hier zu verweilen.

Das hielten sie gar nicht aus.

Auch wenn ich noch nicht so lange in diesem Zustand war, der unendlichen Ewigkeit ausgeliefert und einsam unter allen anderen, ich merkte bereits, was ein ewiges Leben mit einem anstellen konnte.

Chaos Lights || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt