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Ahri und Jungkook blieben mir im Gedächtnis, nicht so wie die anderen Namenspaare, die ich gelesen hatte.
Es war, als hatten sie etwas besonderes an sich.
Als entsprangen sie einer alten Liebesgeschichte.

Zumindest malte ich mir aus, wie sie eine dramatische Liebesbeziehung führten, oder durch zwei Königreiche getrennt waren und um ihre Liebe kämpften.
Oder wie sie eines von den Paaren waren, die einfach ihre gemeinsame Zeit genossen.
Eben eine Beziehung, in der jeder für den anderen lebte.

Solch eine Beziehung fand ich auch vor, als ich das nächste mal im Krankenhaus war.
Das Paar musste schon in den vierzigern sein, aber sie liebten sich noch wie am ersten Tag.
Das sah man daran, wie behutsam die Frau die Hand ihres Mannes hielt, wie sie ihn aus leuchtenden Augen ansah, während er müde zurückblickte, aber nicht mit weniger Liebe in seinem Blick.

Das Lebenslicht der Frau war noch recht stark und es zeigte eine gelbliche Farbe, die leicht ins orangene hinein ging.
Das Licht des Mannes war klein und flackerte schwach, aber war dafür umso orangener.

Er wollte für sie kämpfen, um sie nicht allein zu lassen.
Und sie wollte am liebsten ihr Leben anstelle von seinem geben.

Noch stundenlang flüsterte die Frau ihrem Mann wunderschöne Sachen zu. Gemeinsame Erinnerungen, Träumereien, Hoffnungen und Wünsche.
Alles mit dem Ziel, dass sie seinen Tod wenigstens so angenehm wie möglich gestalten konnte, wenn sie ihn schon nicht aufhalten konnte.

Ihr waren genauso die Hände gebunden, wie allen anderen.
Nur hatte sie das Glück, dass sie nicht von Minute zu Minute betrachten musste, wie das Lebenslicht des Mannes langsam immer mehr schwächelte, auch wenn es seine intensive orangene Farbe bis zum Ende nicht verlor.

Er vergoss eine Träne, als er starb, aber er lächelte und seine Frau brach in unsagbare Trauer aus.
Sie hätte ihr Leben gerne für seines gegeben, das sah ich an ihrer Flamme, die die leichte, orangene Färbung verlor.

Das würde sich vermutlich wieder ändern. So sehr, wie sie ihren Mann liebte, würde sie sich seinen Lebenswillen aneignen, den er gezeigt hatte. Damit etwas von seinem Kampfgeist in der Welt blieb.
Damit sie zeigen konnte, wie stark ihr Mann war, auch wenn er es letztendlich nicht geschafft hatte, aber das war Nebensache.

Noch eine Weile saß ich bei dem Paar, bis die Ärzte und Krankenschwestern hereinkamen und den Tod des Mannes feststellten.
Erst dann verließ ich die trauernde Frau und ging wieder meinen eigenen Weg.

Mein Weg zu ihm, das blaue Licht.
Er stand dort anteilnahmslos an die Wand im Krankenhausflur gelehnt, als wartete er auf jemanden. Ich konnte nichts anderes tun, als einfach stehen zu bleiben und ihn anzusehen.
Der Traum kam mir wieder in Erinnerung, wo das Chaoslicht so voller Leben war in einer Umgebung voller Leben, ohne ein Anzeichen des Todes.

"Warum bist du immer da, obwohl du doch gar nicht in meiner Nähe sein willst?", fragte ich ihn und er hob den Blick.
Er wirkte, als hatte er nicht mit mir gerechnet, obwohl er immer häufiger dort war, wo ich mich aufhielt. Und er kam immer näher.

Noch vor kurzem hatte er sich meterweit von mir entfernt aufgehalten, oder versteckt in einer Menschenmenge.
Nun aber standen wir uns praktisch gegenüber und sahen uns abwartend an.
Seine Gleichgültigkeit schien wieder zu bröckeln, aber er hatte sich schnell gefasst.

"Ich kann nicht anders, das ist eben mein Schicksal. So wie es dein Schicksal ist, dass dich der Tod Anderer anzieht.
Aber im Gegensatz zu dir, ist es mein eigenes Verschulden, dass ich immer wieder in deiner Nähe sein muss. Genau in den Momenten, in denen ich am schwächsten bin."

Ich sah ihn unverständlich an.
"Aber wieso erst jetzt? Ich war so lange allein, niemand hat mich je gesehen, und jetzt, so plötzlich ..."

Mein Gegenüber stieß sich von der Wand ab.
"Deine Erinnerungen schwinden langsam, meine nicht. Ich kenne noch die Gründe für das alles, doch ich wünschte ich könnte sie vergessen.
Könnte dich endlich vergessen.
Aber das ist unmöglich."
Er eilte davon und ließ mich verletzt zurück.

Ob Jungkook Ahri auch so verletzt hatte? Irgendwann in ihrer gemeinsamen Zeit, vielleicht nachdem sie ihre Namen an das Geländer geschrieben hatten, um ihr Band irgendwo zu verewigen?

Aber vielleicht waren Jungkook und Ahri auch eines dieser Paare gewesen, die nie gestritten hatten.

Und dann waren da das blaue Licht und ich ... wir kannten uns nicht einmal, zumindest erinnerte ich mich nicht daran, und trotzdem war da etwas zwischen uns, was mich unsagbar traurig machte.
Aber nicht nur das, ich spürte auch das Gefühl des Vermissens.
Ganz stark und schmerzhaft.

Vielleicht war es, weil er mich vergessen wollte, wo ich doch nicht einmal wusste, weshalb.
Oder dass er immer Näher kam, obwohl er sich doch immer weiter entfernen wollte.
Vielleicht war es aber auch, weil er einfach da war.

Ich hatte mir immer gewünscht, nicht allein zu sein, aber dieses eisige Licht zu sehen und diese bröckelnde Gleichgültigkeit ... ich glaubte, das war genau das, was mir solche Schmerzen in meiner Brust bereitete.

Eine weitere Seele, die zur Ewigkeit verdammt war.
Alleine, unter vielen Menschen und gezwungen in meiner Nähe zu verweilen, obwohl er es so sehr vermeiden wollte.

Wir teilten das selbe Schicksal, obwohl es doch nicht das selbe war.
Das Schicksal der Chaoslichter, da wir nicht so waren, wie die anderen Lichter.

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Chaos Lights || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt