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"Ahri und ich, wir kannten uns schon lange."

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Das erste mal trafen wir aufeinander, als wir zwölf waren. Ich war nur zwei Monate älter als sie und sie machte sich immer darüber lustig, mit ihrer süßen, kindlichen Stimme.

Wir gingen in die selbe Schule, aber nicht in die selbe Klasse, und so sahen wir uns immer nur in den Pausen, wenn wir uns in den Fluren mit unseren Freunden aufhielten oder beim Mittagessen.
Sie bei ihren Freundinnen, ich bei meinen Freunden.

Es lag seitdem etwas in der Luft, doch wir waren noch etwas zu jung für richtige Gefühle.
Aber sie entwickelten sich schnell.

Mit dreizehn verbrachten wir das erste mal wirklich Zeit miteinander, sie lud mich zu ihrem Geburtstag ein, aber auch noch einige weitere, weshalb ich sie nicht wirklich oft zu Gesicht bekam.

Aber von da an sprachen wir immer häufiger miteinander, wurden zu Freunden, verliebten uns ineinander.
Und als wir beide fünfzehn waren, traute ich mich endlich, sie zu fragen, ob sie meine Freundin sein wollte.

Auch da waren wir noch Jung, das wusste ich, noch sehr jung.
Aber das Gefühl, das ich immer hatte, wenn ich in ihrer Nähe war ... es war unbeschreiblich.
Es machte mich glücklich, aufgeregt, tröstete mich, munterte mich auf, machte mich süchtig.

Und ihr schien es ähnlich zu ergehen.

Wir verbrachten viel Zeit miteinander, als wir sechzehn waren veränderte sich alles noch einmal.
Alles wurde inniger, die Liebe wurde stärker, die Sucht größer.

Aber dann wurde es auf einen Schlag anders.
Unsere Liebe schwächte nicht ab, kein bisschen.
Nein, es passierte etwas mit Ahri.
In ihrem Umfeld.

Alles schien zu kippen. Ihr Vater trennte sich von ihrer Mutter, ihre Mutter verfiel der Alkoholsucht, durch die tiefe Trauer der vergangenen Liebe.
Ahri wurde von ihr geschlagen, wenn ihre Mutter sich nicht unter Kontrolle hatte und sie verbrachte manchmal einige Tage bei mir Zuhause.

Weinend und Trost suchend bei mir.
Ich tröstete sie bedingungslos, ich wollte immer nur, dass sie glücklich war.

Ein halbes Jahr später starb ihre Mutter an einer Überdosis irgendeiner Droge.
Eine Welt brach für Ahri zusammen und ich war ihr einziger Halt.

Ihr Vater bereits in eine andere Stadt gezogen und mit einer neuen Frau zusammen, ihre Freundinnen schon lange nicht mehr mit ihr befreundet, sie fühlte sich ganz allein.

Und irgendwann, wir waren nun beide seibzehn und sie immer noch todtraurig über die ganzen Verluste, rutschte sie ebenfalls ab.
Und ich verlor sie.
Sie sagte, sie wäre eine zu große Last für mich, wo ich sie doch so sehr liebte und sie niemals eine Last für mich sein konnte.

Sie wollte mit mir schluss machen und nun wusste ich auch warum, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich sie davon abgehalten und ihr erklärt, dass sie sich nicht als Last für mich fühlen musste.
Ahri ließ sich beschwichtigen, doch sie war an diesem Tag so neben der Spur und bat mich, sie vorerst nicht mehr besuchen zu kommen.

Aber ich musste wissen, was mit ihr los war.
Also wartete ich vor der Einrichtung, in der sie nun untergekommen war und folgte ihr, als sie durch die dunklen Straßen schlich.

Sie trug schwarze Kleidung, was untypisch für sie war.
Sie trug immer helle Kleidung, auch in den schweren Zeiten.
Doch in dieser Nacht erkannte ich sie nicht wieder.

Ich fragte mich wirklich, was vor sich ging, als sie immer wieder in der Dunkelheit düsterer Gassen verschwand und ich Mühe hatte, sie nicht zu verlieren, während ich ihr mit einem gewissen Abstand folgte.

Ihr wunderschönes braunes Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, das war ebenfalls untypisch. Sie war an diesem Abend entschlossen und lief so selbstbewusst, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte.

Sie war doch immer so zerbrechlich, wie eine schöne Porzelanpuppe.
Ich war immer mit ihr umgegangen, als wäre sie aus Glas, ich konnte nicht anders, als so behutsam mit ihr umzugehen.
Sie war doch das kostbarste und schönste, was ich besaß.

Doch an diesem Abend war sie alles andere als zerbrechlich und alles andere als eine Porzelanpuppe. Sie war eine entschlossene, wirklich starke Frau.
Zumindest äußerlich.

Als sie endlich an ihrem Ziel ankam, war ich verwundert.
Ein öffentlicher Park, leer in der dunklen Nacht.
Sie lief in das Stück des Parks, in dem die Bäume am dichtesten standen und ich folgte ihr auch bis dahin.

Sie traf sich mit zwielichtigen Typen und ich war verwundert.
Ich kam nicht auf die Lösung.
Wie war Ahri an sie geraten?

"Hast du das Geld?", fragten sie.
Und da tat sich mir doch eine Erklärung auf.
Ich erinnerte mich noch sehr gut an ihre Alkohol- und Drogensüchtige Mutter, wie sie an einer Überdosis starb.

Das mussten ihre Dealer sein. Die zwielichtigen Typen mittleren Alters.
Und es war auch ein bekanntes Gesicht dabei.
Ahris Vater, mit zusammengebundenen Händen, verbundenen Augen und einem Tuch im Mund, damit er nicht schreien konnte.

Ahri hatte ihnen einen Beutel zugeworfen.
Einen kleinen, aber voll mit Geld.
"Hatte ich dir die Summe nicht klar und deutlich geschrieben? Das ist nicht einmal die Hälfte, du Schlampe.", hatte der Typ geschrien und sowohl Ahri, als auch ihr Vater waren zusammengezuckt.

Ich stand nur stumm da und wusste nicht, was ich tun sollte.
Warum hatte Ahri es mir nicht gesagt? Warum hatte sie es mir nicht anvertraut?

Das hatte sie sonst immer getan.

Ich war in Sorge um sie, war wütend, dass ich mich nicht gut genug um sie gekümmert hatte.
Ich war voller Angst, dass sie in dieser Nacht starb, denn einer der Männer holte ein blitzendes Taschenmesser heraus.

Und ich tat nichts.

Nicht, als sie das Messer in den Bauch ihres Vaters rammten. Nicht, als sie geschockt auf den Boden sank und das alles mit ansehen musste.
Nicht, als die Männer ihr ihren Vater vor die Füße warfen, welcher noch röchelnd ein paar letzte Worte zu seiner Tochter sprach, welche er einfach im Stich gelassen hatte.

Ahri lebte noch, aber ihr Leben endete dort.
Ihr Lebenslicht verlor die Farbe.

Und ich tat nichts dagegen.

Konnte nichts tun, als es erlosch.

Genau an der Stelle, an der unsere Namen an der Brücke standen.

Ich hatte es nicht kommen sehen, aber jetzt wusste ich es.

VierTage später wurde sie tot gefunden.
In dem rosanen Kleid, das ich ihr zu ihrem siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte.
Ihre schönen Haare waren verknotet und nass, ihre Haut bereits aufgedunsen durch das ganze Wasser und gräulich blau.

Da sah sie wieder aus, wie eine Porzelanpuppe.
Und ich war nicht behutsam genug mit ihr umgegangen, hatte nicht auf sie acht gegeben, sie alleine liegen lassen, bis jemand auf sie drauftrat und sie zerbarst.

Es war meine Schuld.
Und deshalb konnte ich eine lange Zeit nicht in ihrer Nähe sein.

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"Erinnerst du dich wieder?"

Ahri?

Chaos Lights || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt