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Ich sah den jungen Mann mit dem dunklen Haar und dem gleichgültigen Gesichtsausdruck lange Zeit nicht wieder.
Die kalte Jahreszeit war vorüber und der Frühling machte sich langsam breit.

Auf meiner verhassten Lieblingsbrücke befanden sich heute viele Menschen.
Meistens Paare. Sie schrieben ihre Namen auf das Geländer und küssten sich dann, wie es bereits viele vor ihnen getan hatten.

Es gab eine Zeit, da kannte ich alle Namen auf der Brücke auswendig, wer zu wem gehörte.
Doch es war alles nur noch verschwommen, so war es doch nur eine nutzlose Erinnerung, die mir nicht blieb, da sie mir nicht vergönnt war.

Heute aber ging ich wieder alle Namen durch. Sungjin und Minah, Eunbyul und Minji, Phoebe und ... den anderen Namen konnte man nicht erkennen, er war so verschmiert.
Aber es gab noch hunterte weitere, wenn nicht sogar tausende.

Als es dunkel war, war ich fertig damit, mir die Namen anzuschauen, war sie mehrmals durchgegangen.
Ob es aus minimaler Hoffnung war, hier meinen Namen zu finden, neben dem eines anderen Namens? Vielleicht, aber ich hatte bei keinem Namen, den ich gelesen hatte etwas gespürt.
Möglicherweise hatte ich auch ein paar übersehen, vielleicht nicht nur unabsichtlich.

Es war mir einfach nicht vergönnt, so glaubte ich.

Ich lehnte mich über das Geländer, legte den Kopf darauf und hörte das leise Surren, das bis hierhin durchdrang, duch die Autos, die über die Brücke fuhren.
Meine Augen schloss ich.

Und dann sah ich etwas, das hätte aus einem Traum entspringen können, doch ich träumte schon lange nicht mehr.
Der junge Mann mit dem blauen Licht, doch dieses mal war es verschwunden, vollkommen.
Auch sein gleichgültiger Gesichtsausdruck war gewichen und machte einem schönen Lächeln platz. Es war, als kam er auf mich zu, beugte sich zu mir herunter und zog mich mit sich nach oben.

Es war alles so hell und so schön grün und er trug ein leichtes T-Shirt und eine helle Jeans.
Er musste etwas jünger sein, sein Gesicht wirkte leicht kindlicher, aber es war eindeutig er.
Als er mich herumwirbelte, wurde mir schwindelig und ich öffnete die Augen, befand mich auf der Brücke und torkelte vom Geländer.

Meine Wangen waren nass, das konnte ich spüren, wirklich spüren, nicht nur die Erinnerung daran, mein Gesicht glühte und während ich so nach unten sah, erkannte ich erst sehr spät die dunklen Sneaker vor mir.

Vor meinen Füßen, die keine Schuhe mehr trugen und die umgeben waren von den Wassertropfen, die meinem Kleid hinunter tröpfelten.
Ich sah auf und vor mir war der junge Mann, den ich zuvor noch in meinem Traum gesehen hatte.

Nur dieses mal war es kein schöner Traum und über seinem Kopf leuchtete wieder sein kaltes, eisblaues Licht und ich sackte letztendlich zusammen.
Woher kannte ich ihn?

"Hör auf zu weinen, das bringt dir hier nichts. Und wenn du das nächste mal etwas suchst, dann schau nicht zu genau hin, sonst findest du es nicht.
Es war die ganze Zeit vor dir.", sagte der junge Mann mit beruhigender Stimme.

Sie war nicht eisig kalt, wie sein Licht, sie war warm, verständnisvoll, liebevoll.

"Wieso sprichst du erst jetzt mit mir? Du konntest mich die ganze Zeit sehen, warum hast du dich immer von mir abgewandt?", fragte ich weinend und krallte meine Finger in den nassen Rock meines Kleides.
Ich spürte es nicht, wie es vermutlich schon ziemlich klamm war und wie das Wasser darin nun nicht mehr kalt, sondern lauwarm sein musste.

Als ich wieder zu ihm aufsah, hatte er sich bereits zum Gehen umgewandt.
Warum ging er wieder?
Jetzt, wo er gerade erst wiedergekommen war.
Wo er gerade das erste mal mit mir gesprochen hatte. Mir wirklich gezeigt hatte, dass ich vielleicht doch nicht die einzige war, die so Existieren musste.

"Wohin gehst du? Ich bin so allein! Bitte bleib!", schrie ich und mein Weinen wurde zu einem lauten Heulen.
Mein Körper bebte, meine Brust schmerzte, aber dieses Mal auf eine andere Weise.

Noch ein letztes mal drehte er sich um.
"Du erinnerst dich ja nicht einmal mehr an mich. Wieso sollte ich dir aus deiner Einsamkeit helfen, wenn du mir auch nicht aus meiner geholfen hast?", sagte er und ich wollte aufstehen, um ihm nachzulaufen, aber meine Beine ließen es nicht zu.

Sie waren zu geschwächt von seinen Worten, die ich nicht ganz verstand.
Erst lange nach seinem Verschwinden konnte ich mich davonbewegen, ausgelaugt und traurig.

Auch das dunkle Wasser spendete mir dieses mal keinen Trost, ganz im Gegenteil, ich hasste es.
Ich hasste es mehr als alles andere.

Das, was mir dieses mal etwas Beruhigung schenkte, waren die Namen, die auf der Außenseite des Geländers geschrieben waren.
Es waren die einzigen beiden Namen, die hier auf die andere Seite geschrieben wurden, auf der Seite des Wassers.

Ahri und Jungkook.

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Chaos Lights || jeon jungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt