3. brody

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Plötzlich fingen schon wieder alle an zu applaudieren, als wären wir alle auf einem Justin Bieber Konzert, der gerade sein Shirt in die Menge warf und jeder total eskalierte, weil sie es unbedingt fangen wollten. Ich verspürte nicht mal das Verlangen dazu, meine Hände für ihn zu bewegen. Diese Aktion, die er hier brachte, unterstützte ich definitiv nicht. Vor allen Dingen benahmen hier alle sich wie seine größten Fans, als wäre er was Besonderes oder was Heiliges, ein Gott, den jeder ehren musste. Und sowas machte ich ganz bestimmt nicht für ihn mit.

»Ich bitte Zahl eins auf die Bühne.«

Nach einer kurzen Weile standen schon zwei Mädchen auf der Szene, und zwischen ihnen Moreia, der erst die rechte Blondine begutachtete, und danach die linke Blondine. Man sah ihnen sofort an, wie nervös sie waren und nicht wirklich wussten, wie sie auf Moreia und auf sich selbst reagieren sollten. Ich an deren Stelle wäre ebenso mehr als aufgeregt, wenn mich so ein psychisch kranker Typ anstarren würde und auch nicht damit aufhören würde. Die eine Blondine starrte nur mit großen Augen auf sich herunter und ging dann mit vorsichtigen Schritten die Treppen von der Bühne herunter, während ihre Partnerin beruhigend auf sie einsprach und sie wahrscheinlich fragte, wie sie hieß. Nun wurde die nächste Zahl auch schon wieder aufgerufen.

Seufzend schaute ich nach unten, öffnete meinen Papierknödel erneut und verdrehte genervt die Augen, weil ich erst jetzt richtig realisierte, dass ich die Zahl siebenundzwanzig hatte. Ja, sie war relativ klein, jedenfalls kleiner als die Hälfte, aber ich war sehr ungeduldig und wenn es darum ging, jemanden zu finden, mit dem ich viel Zeit verbringen muss, war ich noch ungeduldiger, weil mich die Neugier einfach packte.

Vor allen Dingen fragte ich mich, wen genau ich als Partner haben werde. Schließlich konnte ich auch jemanden abbekommen, der nicht mal meine Sprache sprach, was sich natürlich als ein Problem herausstellen würde, wenn er kein Englisch könnte, denn dann hätte er die Erklärung des Spiels auch nicht verstanden und ich wäre die Person, die alles allein machen musste. Oder ich musste es mit Zeichensprache versuchen, wofür ich natürlich auch viel zu unfähig war. Deswegen hoffte ich einfach nur, mein Partner wäre kompetent dazu, mich zu verstehen. Es war mir sogar egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Ich fragte mich, mit wem Ian gerade am Spielen war.

»Zahl zehn.« Schon völlig entnervt trat ich von Stelle zu Stelle und schaute mit dem Kopf in den Nacken gelegt nach vorne. Der Gedanke machte mich wahnsinnig, dass ich noch so lange warten musste, wobei ich doch auch noch eine so verdammt ungeduldige Persönlichkeit hatte. Am allerliebsten würde ich nach meinem Partner schreien und dieses gottverdammte Spiel starten, weil ich nicht mehr warten konnte - Gott, es hörte sich so schrecklich malad an, was ich sagte.

Vor einigen Minuten, bevor ich in das hier eingetreten war, war ich noch nicht so drauf gewesen und hätte alles dafür getan, um doch von hier zu verschwinden, doch jetzt wollte ich das alles einfach nur noch hinter mich bringen.

Doch ich durfte mir keine Gedanken über das Schlimmste machen. Ich musste nun beenden, was ich begonnen hatte, auch wenn es ziemlich schlimm und schwer zugleich war. Vielleicht war ich einfach viel zu pessimistisch und es würde doch ganz lustig und amüsant werden, wenn ich einen Partner bekäme, der genug Denkvermögen besaß, kompetent und fähig dazu war, die Aufgaben mit Grips im Köpfchen, Intelligenz und Vorsichtigkeit zu erfüllen. Denn wenn ich jemanden bekäme, der sich in die Hose machen und wegrennen würde, wenn er etwas sah, was man als normaler Mensch nicht sehen sollte, oder direkt von irgendeiner Kreatur angegriffen und getötet wird, dann würde ich direkt Selbstmord begehen, weil ich es nicht aushalten würde. Wie wohl der Spielkollege von meinem Freund drauf war? »Zahl sechszehn.«

Wie ging es denn bei Ian gerade voran? Ging es ihm gut? Hatte er lebensgefährliche Aufgaben zu bewältigen? Was genau machte er gerade? Ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, ob ich, wenn ich das Spiel gestartet hatte, mal zu ihm gehen und zeigen sollte, dass ich auch das konnte, was er. Ich wollte seine Reaktion sehen, wollte wissen, ob er positiv oder negativ überrascht war, wenn überhaupt. Ich wollte wissen, was er sagen würde, wenn ich ihm mein linkes Handgelenk vor das Gesicht halten und sagen würde, dass wir jetzt endlich über Dinge reden konnten, ohne dass einer von uns beiden (der eigentlich immer Ian war) vor Langeweile starb, dass wir endlich gemeinsame Interessen hätten. Wie ich es mir denken konnte, wäre sein Blick vollkommen unbezahlbar und wenn es tatsächlich mal dazu kommen würde, dass ich das tun werde, dann müsste ich mein Handy mitnehmen und sein Gesicht fotografieren. Darüber würde ich noch in dreißig Jahren lachen können.

Against The TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt