10. herzschmerz

855 57 80
                                    

Ich biss mir auf die Lippe und senkte den Kopf ebenso nach unten. Brody hatte Recht. Sie sah wirklich grausam an mir aus.

»Diese Ehrlichkeit steht dir irgendwie, Brody«, schmunzelte ich leicht und lehnte mich wieder zurück gegen die Theke. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als wir uns erneut in die Augen schauten.

Und schon wieder war da dieses Etwas, das in der Luft lag. Mein Herz pochte von Moment zu Moment schneller, je länger ich ihm beobachtete, meine Körperwärme stieg so stark an, dass ich ab irgendeinem Moment nicht mehr konnte. Ich wendete den Blick einfach ab und drehte mich wieder zum Spiegel um.

Seine Nähe und seine Augen, wie sie mich angestarrt hatten, so intensiv und tief wie noch nie, hatten mich richtig nervös gemacht. Ich spürte seinen Körper an meinem Rücken, seine Brust, die sich hob und sank, als er atmete. Ich wollte ruhig stehen bleiben, mich beruhigen, doch ich konnte nicht. Mein Körper zitterte. Und plötzlich plagte mich nicht mehr das schlechte Gewissen, dass ich eine gestohlene Kette trug - mich plagte das schlechte Gewissen, dass ich fühlte. Dass ich gegenüber Brody so fühlte und nicht anders. Dass mein Körper so auf ihn reagierte und nicht anders.

Aber ich hatte keinen Grund, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.

Es war normal.
Es war normal, dass ich fühlte.

Und dieses Gefühl war schön, weil ich es so lange nicht mehr fühlen konnte. Ich war aufgeregt, auf einer positiven Art, ich fühlte mich akzeptiert, ich fühlte mich gemocht.

»Wir sollten gehen. Sonst ist es zu spät.« Plötzlich wurde mir eiskalt. Mir wurde so kalt, dass ich für einen Moment erzitterte. Ich schaute hoch in den Spiegel und blickte Brody dort hinterher, wie er sich bis zur Tür bewegte, diese aufmachte, und im Türrahmen stehen blieb, ehe er sich nochmal zu mir umdrehte und sein schwarzes Jackett richtete. Seine Wangen waren rosarot, wahrscheinlich weil ihm genauso warm war wie mir, die Haare standen unordentlich in alle Richtungen ab, was sogar nicht mal so schlecht ausschaute. »Komm, Blondie.«

Vorsichtig nickte ich, drehte mich das letzte Mal zum Spiegel und warf mir meine Haare nach vorne, die Brody Minuten zuvor hinter meine Schultern gelegt hatte. Ich atmete tief und durch, strich mir über das Kleid und ging dann auf Brody zu, der mir schon die Tür offen hielt. Unter seinem Arm hindurch ging ich nach draußen.

Ich blieb stehen, um auf ihn zu warten, doch ich wurde so plötzlich an meinem Handgelenk gepackt und hinter ihm hergezogen, dass ich nicht mal Zeit dazu hatte, auf ihn zu warten, oder sogar zu protestieren, dass ich nicht so schnell laufen könnte wie er, vor allem nicht, wenn ich hohe Schuhe trug.

Sein Griff um meinem Handgelenk war sanft. Und das obwohl er mich so stark hinter sich herzog, um noch vor der Polizei draußen anzukommen und durch diese Tür zu laufen.

Wie zwei Wahnsinnige rannten wir durch das Louvre - wir hatten keine Ahnung wohin wir liefen, doch das wichtigste war in dem Moment, dass wir es überhaupt taten. Wir hätten ein riesengroßes Problem gehabt, würde uns die Polizei erwischen.

Noch bevor er mich durch den Ausgang des Louvres ziehen konnte, blieb ich abrupt stehen und zog ihn zurück, indem ich ihn dieses Mal am Handgelenk zu mir zurückzog. »Was ist denn?« Völlig außer Atem blieb er vor mir stehen und schaute auf mich herab - sein Handgelenk loszulassen; daran dachte ich nicht mehr. »Brody«, keuchte ich leise und nahm noch einen tiefen Atemzug, »Warte kurz. I-ich bin so außer Atem.« Ich schloss die Augen und schluckte schwer. »Wie machen wir weiter? Gehen wir nach Hause? Oder spielen wir weiter? Ich habe gerade absolut keine Kraft mehr.«

Auch wenn es Brody wie im Gesicht stand, dass er nur so von dem Stress und der Panik kontrolliert wurde, schmunzelte er gelassen. »Und das ist gerade der einzige Gedanke, den du hast?« »Sollte ich etwa andere Gedanken haben?« Er schüttelte nur grinsend den Kopf und ließ einen Blick nach draußen wandern, als ich sein Handgelenk los ließ. »Na dann«, er hob die Augenbrauen und seufzte. »Lass uns nach Hause gehen.«

Against The TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt