12. Ratlosigkeit

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24. September 2016 – 10.03 Uhr

»Guten Morgen, wäre die Maisonette Suite noch frei?«, fragte Amélie Rion den jungen Rezeptionisten am Empfang und wirkte auf einmal viel älter als neunzehn. Ihr sonst schwacher französischer Akzent drang stark durch.

»Darf ich fragen, ob Sie aus Frankreich kommen?«, erwiderte der junge Mann, bevor er auf die gestellte Frage bejahte. Seine Finger wanderten flink über die Tastatur.

Die Angesprochene nickte, legte leicht ihren Kopf schief und ließ dann ihren Blick durch den Raum wandern, gab die Sicht frei auf ihr ebenmäßiges Profil. Sie erntete unbemerkt von ihr selbst ein Lächeln des Angestellten.

»Die Suite wäre noch für fünf Tage frei. Soll ich sie buchen, Mademoiselle?« Seine Augen huschten nervös hin und her als er die Anrede wechselte. Er sprach perfektes Hochdeutsch. Ungewöhnlich für diesen Landstrich, war das einzige, was die Autorin zu dieser Entdeckung kommentierte.

»Buchen Sie bitte für zwei Tage, vielleicht verlängern wir noch«, antwortete die Violinistin bestimmt, deutete bei dem "wir" auf die Autorin hinter ihr und lehnte sich ein wenig nach vorne, den einen Arm auf den Tresen gestützt.

»Dann bräuchte ich einmal Ihren Ausweis und die Kredit- beziehungsweise EC-Karte.« Wieder lächelte er und musterte verwundert die Kleidung der Frau, die so gar nicht zu ihrer Haltung und ihrer Ausdrucksweise passen wollte. Aber er fragte nicht weiter nach.

Sie reichte ihm beides, den kleinen Ausweis ebenso wie die goldene Master Card. »Bitte sehr.«

Susan Clark verfolgte gebannt das Gespräch zwischen den beiden, fasziniert von den unbewussten Signalen, die die Violinistin aussendete, ohne dass sie es bemerkte. Sie spielte mit ihm, schenkte ihm Aufmerksamkeit, zeigte sich aus dem richtigen Winkel, gab ihm Zeit sich gut zu fühlen, bot Kontraste, denn den kleinen Falten auf der Stirn des Angestellten nach zu urteilen, fragte er sich, wie eine so heruntergekommen wirkende Frau zu einer solch ebenen Haut und vor allem zu einer solchen Kreditkarte kam.

Der Typ merkt auch, dass diese Amélie nicht übel ist, gab Tobias Morgensen prompt seinen Senf hinzu. Ob die im Bett auch so ein Wunderkind sein mag?

Das ist Flirten auf hohem Niveau, mischte sich nun auch der Sportler ein, der schon eifrig am Planen war, um die überschüssigen Pfunde von den Hüften der Geigerin zu bekommen.

Das ist stink normal. Ich weiß ja nicht, wie du sonst flirtest, antwortete der Bad Boy nun schon ein wenig pampig. Und die Kurven stehen ihr!

Aber ..., brachte er noch heraus, wurde dann aber von der Autorin jäh unterbrochen, die weiter dem Gespräch folgen wollte.

»Mademoiselle Rion, richtig?«, fragte er mit Blick auf den Ausweis. Sie bestätigte. »Die Amélie Rion?« Sie bestätigte erneut und unterdrückte den Augenroller. »Entschuldigen Sie die unhöfliche Frage, aber stimmt es, was die Medien berichten?« Das unmerkliche Zittern in seinem Körper ließ unverkennbar darauf schließen, dass sein Bein vor Nervosität auf und ab wippte. Dann der schweifende Blick, der immer nur ihre Augen streifte, aber sie nie direkt anschaute. Amélie Rions Haltung war immer noch unbewusst, doch bis in das letzte Detail perfekt. Sie stand leicht schräg zum Tresen um schlanker zu wirken, ihr Blick kam von unten, ihre Hand spielte mit der Kreditkarte in ihrer Hand.

»Was sagen denn die Medien?«, fragte sie ehrlich interessiert.

»Sie wurden entführt, sagen sie, oder Sie seien geflohen. Einige vermuten einen Krach mit Ihren Eltern.«

Verzweifelt schaute sich die Französin zu der anderen Frau um, die nur emotionslos im Raum stand und wie es schien die Szene beobachtete. Als sie aber den Blick bemerkte schüttelte sie nur einmal kurz den Kopf, kam nach vorne zum Tresen und fragte direkt: »Entführt von wem?«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 04, 2018 ⏰

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