7. Ewigkeitsliebe

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Lächelnd und mit geschlossenen Augen saß er dort und genoss den Moment. Er hatte es geschafft, er hatte sein Ziel erreicht. Es war ein gutes Gefühl nur die frische Luft und den Windhauch zu spüren, der ihm kühl durch seine ungeschnittenen Haare wehte und all seine Sorgen mit sich nahm.

Fabian Winter fühlte sich unbeschwert und frei so wie er dort saß. Alle Schwere war von ihm abgefallen und zum ersten Mal seit langem fasste er wieder den einen oder anderen positiven Gedanken, die ihm so lange verwehrt geblieben waren.

Es waren Zukunftsgedanken, die er hegte. Er stellte sich vor, wie es wohl sein musste, wenn er jetzt aufstand und den Weg zurück ins Tal nähme. Er würde die Wege entlanggehen und die vorbeikommenden Wanderer mit einem fröhlichen "Grüß Gott" willkommen heißen, vielleicht auch das eine oder andere weitere Wort mit ihnen wechseln, sich an dem unverfänglichen Small Talk erfreuen. Dann würde er nach Hause kommen, wirklich nach Hause. Er würde durch das weiße Gartentor gehen, den gepflasterten Weg bis zu der einfachen Haustür hinter sich bringen. Dann würde er klingeln, nicht, weil er keinen Schlüssel besaß, sondern weil er es mochte, wenn sein kleiner, sechsjähriger Sohn im freudig die Tür öffnete und ihn breit grinsend umarmte. Leicht lächelnd, würde auch seine Frau aus der Küche kommen und ihm einen zarten Kuss auf die Lippen hauchen. Dann äßen sie zusammen zu Abend, würden zusammen mit dem kleinen Mann einen Film schauen und hätten später, wenn der Sohn schlief, richtig guten Sex.

So stellte sich Fabian Winter das auf jeden Fall vor, auch wenn ihm bewusst war, dass es eine utopische Vorstellung war, die er niemals erreichen würde. Er konnte es nicht – eine Beziehung führen. Und vor allem konnte er nicht so egoistisch sein, ein Kind in dieser kalten Welt zu bekommen. Es würde an ihr zugrunde gehen. Fabian Winter wusste dies.

Nichtsdestotrotz mochte er den flüchtigen Gedanken, der ein wenig die Nebelschwaden in seinem Kopf beiseite blies.

Aber dann hörte er erst leise, dann immer lauter ein Rascheln, als wenn Steine durch ein Gewicht aufeinander rieben. Regelmäßig und immer dichter kam das Geräusch und zerstörte seinen friedlichen Moment. Ohne die Augen zu öffnen wusste Fabian Winter, dass soeben seine Welt zusammengebrochen war.

Seine aufrechte Haltung sackte immer weiter zusammen bis er wie ein nasser Sack Kartoffeln auf dem Steinhaufen saß, als er den schweren Atem zweier Personen vernahm. Er spürte, wie seine Zähne anfingen seine Unterlippe zu bearbeiten, wie seine Finger unaufhaltsam auf seine Jeans eintrommelten. Aber mit dem Schmerz kam keine Erleichterung und mit den hektischen Bewegungen keine Entspannung. Von außen musste er wie ein Verrückter aussehen und vielleicht war er das auch ein wenig, doch der ehemalige Student wollte nichts weiter als allein gelassen werden. Er erinnerte sich zurück an die anstrengenden Stunden im Wald, dachte an die einsamen Momente in der alten und seit Jahren ungenutzten Kammer. Erst jetzt fing er an, all diese Augenblicke wertzuschätzen, jetzt, wo auch diese endgültig verloren waren. Seine selbstgewählte Einsamkeit verschwand mit dem Eintreffen der beiden Fremden.

Sein Herz fing auf Grund der Nervosität und des Stresses, die sich in ihm ausbreiteten, an Adrenalin durch seine Adern zu pumpen. Er wollte alleine sein, alleine und frei, doch selbst das blieb ihm an einem der entlegensten Orte Deutschlands verwehrt. Es war, als trieb jemand ein böses Spiel mit ihm, als empfand es jemand als Spaß, den kleinen Funken Hoffnung in ihm zu entzünden und diesen dann breit grinsend zwischen seinen Fingern wieder erlöschen zu lassen. Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen.

Langsam öffnete er seine Augen und wendete den Blick den beiden Störenfrieden zu. Das grelle Licht blendete ihn zuerst, aber als sich seine Augen an die Sonne gewöhnt hatten, erkannte er zwei Frauen, die erschöpft dastanden und die Aussicht genossen.

Sie kann man wohl als das genaue Gegenteil voneinander beschreiben, durchfuhr es Studenten als sein Blick über die beiden glitt und sie musternd betrachtete. Die eine hatte ihre langen, dunkelblonden und vor teurer Pflege strotzenden Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie selbst konnte kaum älter als achtzehn sein, zu weich waren ihre Gesichtszüge. Sie muss aus gutem Hause stammen, schoss es dem Mann durch den Kopf. Die Art, wie sie sich bewegte, ihre Kleidung, die Perfektion ihres Lidschattens.

Seelenblut *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt