Damian hat mir keine Antworten auf meine Fragen gegeben bevor er gegangen ist. Vielleicht hat er auf meine Fragen aber auch gar keine Antworten parat. Oder er wollte mir nicht antworten, weil er meinen Gefühlsausbruch nervig und anstrengend fand! Wer versteht schon die Männer? Ob Damian sein Verhalten selbst versteht? Ich kann unseren letzten Sex nicht vergessen. Er schwirrt immer durch meinen Kopf. Ich verachte mich dafür, meine beste Freundin auf diese Art und Weise zu hintergehen und ihr diese Tatsache auch noch zu verschweigen. Ich belüge und betrüge sie, obwohl sie immer für mich da war und immer ihr letztes Hemd für mich gegeben hätte. Ich bin eine ganz miese Freundin. Sie verdient etwas viel Besseres.
Aber Damian ist ebenso ein miserabler Freund. Sie verdient einen tolleren Mann, einen der ihre Gefühle zu würdigen weiß. Ich gehe Damian und Lucie aus dem Weg. Geschlagene zwei Wochen bereits. Daniel hat sich bei mir gemeldet und ich versuche, mit ihm so etwas wie eine Bindung aufzubauen. Ab und zu telefonieren wir miteinander und verstehen uns gut. Er sagt, er hat im Moment viel zu tun, würde sich aber dennoch gern die Zeit für ein Date mit mir nehmen. Ich versuche mich darauf einzulassen, habe ihm aber bis jetzt noch nicht zugesagt. Ich muss dieses ganze Gefühlschaos erst einmal in den Griff kriegen. Und bis dahin muss sich Daniel gedulden.
Ich versuche meiner Vorlesung über Schnittgestaltung so gut es geht zu folgen, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich bisher nichts behalten. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Viel zu sehr bin ich mit den Gedanken beschäftigt, die mich jetzt schon mehrere Monate quälen. Damian spukt ununterbrochen durch meinen Kopf.
Ich frage meinen dunkelhaarigen Sitznachbarn Connie, über was mein Dozent da bereits seit einer geschlagenen Stunde referiert. Er schaut mich aus seinen haselnussbraunen Augen durch seine eckige Nerd-Brille an, die er eigentlich überhaupt nicht braucht, und streicht mit seinen tätowierten Fingern durch seine Haare. Er hat seine Haare über seinen Undercut gekämmt, seinen dunklen Bart akkurat rasiert und seine Augenbrauen gezupft. Connie ist eindeutig schwul, auch ohne, dass er mit mir über seine sexuelle Orientierung spricht. Er ist ein ausgeflippter Paradiesvogel, der seine eigene Verrücktheit in seinem chaotischen Kleidungsstil widerspiegelt. So trägt er heute einen asymetrischen Cardigan mit einer tiefen Jogginghose und bunten High Top Sneakers.
Connie sieht mich fragend an, zuckt dann mit den Schultern und erklärt mir, dass er bereits nach den ersten zehn Minuten den Faden verloren hat. Ein Blick auf den Bildschirm seines Laptops zeigt mir auch wieso. Er spielt Spider Solitär in der zweiten Schwierigkeitsstufe mit zwei Farben. Ich schmunzele. Ich sollte meinen Laptop auch öfter mit in die Vorlesung nehmen, so könnte ich mich auch ablenken.
Ich reiche ihm ein Blatt Papier und frage Connie, ob wir Hangman oder Stadt Land Fluss miteinander spielen. Er nickt und malt ein paar Striche auf das Blatt. Ich frage nach einem E, einem T, einem R, einem L und einem N und bekomme 5 Striche des Galgenmännchens aufgemalt. Am Ende der Vorlesungsstunde ergibt sich dann für mich das Lösungswort „Babyboom" und ich sehe Connie einfach nur fassungslos an. Wie kommt ein schwuler Mann bitte auf so ein Wort?!
Nach der Vorlesung statte ich der Sonnenbank einen flüchtigen Besuch ab und besuche eine Freundin auf der Arbeit. Immer in Bewegung bleiben, immer etwas tun. Nur nicht nachdenken. Im Moment ist das nämlich tödlich für mich!
„Was ist denn nur wieder los mit dir? Du ziehst dich wieder so zurück. Wieso redest du nicht mit mir?"
Lucies Nachricht bei WhatsApp bringt mich am Abend dann natürlich doch wieder dazu, nachzudenken. Was soll ich ihr schon darauf antworten?
„Hey Lucie. Ich habe mit Damian geschlafen. Das ist auch der Grund, wieso ich mich zurückziehe. Ich ertrage es nicht, dich so glücklich mit dem Mann zu sehen den ich liebe. Und außerdem ertrage ich es nicht, dir ins Gesicht zu sehen und so zu tun als wäre nichts. Ich belüge und betrüge dich am laufenden Band und eigentlich solltest du mir die Freundschaft kündigen und mich dann hoch oben auf einem Hexenberg ohne Prozess verbrennen, denn nur das verdiene ich."
Immerhin ist das die Wahrheit. Das sind meine Gefühle. Aber ihr das so schreiben, das kann ich nicht. Außerdem sollte da vielleicht auch noch stehen:
„Und wenn man es von der anderen Seite – nämlich meiner Seite aus – sieht, hast du ihn mir sogar ausgespannt und ich tue gar nichts Ungerechtes oder Verbotenes! Ich war zuerst da und habe sozusagen die Ur-Ansprüche auf diesen Mann!"
Ich stöhne und verdrehe die Augen. Irgendetwas muss ich langsam mal antworten. Ich habe bisher immerhin alle Nachrichten von ihr ignoriert und sie verdient nicht, dass ich sie so leiden lasse. Sie hat mir nichts getan, wieso soll sie sich also über ihre Freundin Diane den Kopf zerbrechen? Oder darüber, was für Probleme ich habe.
„Ich muss viel lernen, es ist nichts.", tippe ich als Antwort ein, „Mach dir keine Sorgen", setze ich noch hinzu und „Hab dich lieb." Ich bin eine so verlogene Heuchlerin! Ich schicke die Nachricht ab und fühle mich gleich doppelt schlecht. Mein Bauch tut mir weh. Alles eine Strafe dafür, dass ich so bin wie ich bin!
Mein Handy klingelt. Ich zucke kurz erschrocken zusammen. Ist das Lucie? Ich will nicht mit ihr reden. Wenn sie nachhakt, kann ich sie nicht weiter anlügen. Sie hat doch ein Recht auf die Wahrheit. Sie wähnt sich doch in der absoluten Traumbeziehung, also tue ich ihr doch am Ende nur etwas Gutes. Ich nehme das Handy in die Hand. Ich kann das nicht mehr. Ich zittere.
Jetzt erst sehe ich, dass Damian mich anruft und nicht Lucie. Ich zittere gleich noch ein Bisschen mehr. Ich werde ihm jetzt sagen, dass die Sache mit uns ein für alle Mal vorbei ist. Für immer.
„Hey...", sage ich also als ich den Anruf entgegennehme. Ich versuche, so gleichgültig wie möglich zu klingen. Aber Damian kennt mich. Er weiß, dass ich nicht so gleichgültig bin wie ich tue. „Hey.", sagt er. Wir schweigen einen Moment. „Wieso rufst du mich an?", frage ich dann. „Was machst du?"
„Ich lerne.", lüge ich.
„Ich komme vorbei."
Ich schlucke hart. Die Entschlossenheit in seiner Stimme macht mich beinah wahnsinnig. Einmal mehr bereue ich meinen Gefühlsausbruch in seiner Gegenwart. Er soll gar nicht wissen, dass ich so sehr an ihm hänge. Schlimm genug, dass er mit mir macht, was er will und ich es mit mir machen lasse. Immer wieder. Aber diesmal macht er das nicht mit mir! Nicht nochmal!
„Nein.", sage ich also entschieden, obwohl mein Körper und mein Herz nach ihm schreien. Aber wenn es jetzt nicht endet, endet es nie. Wir sind sowieso schon viel zu weit gegangen.
„Dee..." Seine Stimme duldet keinen Widerspruch. „Ich meine das ernst, Damian. Wir sollten uns nicht mehr sehen."
Ich kann es selbst kaum glauben, dass ich das gerade sage. Mein Herz schlägt mir aufgeregt bis zum Hals, denn ich weiß, dass er mit einem Korb von mir niemals gerechnet hat. Meine Finger beginnen zu zittern, als ich realisiere, was ich da gerade tue. Noch bevor Damian protestieren kann, lege ich einfach auf.
Das passiert alles nicht wirklich. Das träume ich. Ich träume nicht. Mein Handy klingelt wieder. Ich will nicht weiterreden, aber ich kann das Ganze auch nicht so stehen lassen.
„Bitte, Damian...", sage ich also gequält, als ich den Anruf entgegennehme und wische eine Träne von meiner Wange. „Damian?"
Lucies Stimme lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. „Wieso Damian?"
UPS. Blöd jetzt. Was würdet ihr sagen?
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The Affair | #aestheticawards2020
Short Story#47/Chicklit <3 „Seit wann machst du hier irgendwelche Regeln?", erwidert er provokant und durchbohrt mich mit seinem Blick. Alle Härchen meines Körpers stellen sich bei seiner dunklen Stimme automatisch auf. Mit einem lauten Knall wirft er achtl...