Kapitel 9

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Als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte hätte ich mich am liebsten umgebracht. Es gab in meinem Leben immer wieder diese Tage an denen ich mir das indirekt wünschte, weil ich dann bis in alle Ewigkeit schlafen konnte. Doch da ich noch am Leben war, quälte ich mich aus meinem Bett, verstaute das Gedicht in meiner Nachttischschublade, ging duschen und zog mich an, um mich dann auf den Weg zur Arbeit zu machen. Heute trug ich einen hellgrauen Bleistiftrock, der von der Taille bis zu den Knien reichte und dazu eine weiße Bluse, die sich darunter befand, dazu noch schwarze High heels und meinen hellgrauen Mantel. Als ich mein Auto vor dem gläsernen Gebäude parkte begann ich wieder zu zweifeln, ob ich wirklich das Recht hatte William zu bitten mich aus diesem Geheimnis zu entlassen, doch unterbewusst wusste ich, dass ich das musste, weil das schlechte Gewissen mich sonst umbringen würde. Also stürmte ich direkt in Williams Büro, nachdem ich angeklopft hatte. Anscheinend kam ich ungelegen, da er und sein Sohn mich beide irritiert anstarrten. „Anscheinend komme ich ungelegen", lachte ich nervös und jetzt hob sich Jayden's Augenbraue, so als wollte er mir Gestikulieren, dass alles was ich sagte momentan keinen Sinn machte. Ich fuhr jedoch unbeirrt fort. „William, ich müsste mit dir sprechen dringend unter vier Augen", gab ich dann mit einem eiskalten Ton von mir und als er nickte, blickte Jayden zwischen uns hin und her und ging dann aus dem Büro. „Was gibt es, Ava?", fragte William mit liebevollem Unterton. „Ich weiß, dass es etwas dreist ist das zu verlangen, aber du musst es ihm sagen. Ich kann ihn nicht jeden Tag sehen und hören wie sehr er sich sorgen macht und ihm sagen, dass alles bestimmt wieder gut wird, wenn ich weiß, dass du sterben wirst. William, bitte ich will da kein Geheimnis mehr draus machen. Ich weiß, dass das dein Wunsch ist, aber überleg doch einfach mal wie es dir gehen würde, wenn deine Frau stirbt und du es erst wissen würdest sobald sie tot ist, sobald es zu spät ist? Hättest du nicht alles dafür gegeben um es gewusst zu haben?", weinte ich vor mich hin und so wie William nun einmal war kam er zu mir und schloss mich in seine Arme, um mich zu beruhigen. „Ava, bitte hör auf zu weinen. Ich kann das nicht. Ich kann ihnen nicht in die Augen sehen und zusehen wie sie beginnen zu weinen, bitte verstehe das. Es geht nicht. Zu sehen wie sie anfangen zu überlegen für was sie sich noch alles entschuldigen müssen, wie sie ihre Zeit mit mir am besten nutzen können, dass ist das was mich umbringen wird", sagte nun auch er unter Tränen. „Und ein letzter Urlaub mit deiner Frau? Ein letztes Mal weg gehen und die große, weite Welt genießen. Ein letztes Mal im Meer schwimmen und ihr während eines Sonnenuntergangs in die Augen sehen? William so ungern ich das auch sage, aber Jayden und ich würden es auch gemeinsam für eine Woche hier aushalten, ohne das der Laden bankrott geht. Und wenn es dir darum geht nicht sehen zu können wie sie darauf reagieren, dann kann ich das auch übernehmen, aber lass deinen eigenen Stolz dir nicht im Weg stehen", so viele Tränen verloren wir beide wahrscheinlich im gesamten letzten Jahr nicht wie in diesen wenigen Minuten, aber er wusste das ich recht hatte. „Das würdest du tun? Du würdest mir diesen Gang wirklich abnehmen? Ava, du-du weißt nicht wie viel mir das bedeutet", lächelte er mich unter Tränen an und ich spürte wie uns beiden gleichzeitig eine gewaltige Last von den Schultern fiel. „Dann komme nächste Woche bitte mit mir nach Hause und beichte es den beiden, denn ich bin zu schwach dafür", erklärte er mir und mit einem nicken stimmte ich zu, während ich ihm immer noch weinend in den Armen lag. „Und William, ich will das du weißt, dass du immer wie ein Vater für mich gewesen bist", waren meine letzten Worte bevor ich sein Büro verließ und mir einmal über die Wange fuhr, um die Tränen wegzuwischen, bevor ich mich auf den Weg in mein Büro machte.

Sie werden mich hassen, sobald ich ihnen erzählen würde, dass William sterben wird, doch es fühlte sich besser an als es ihnen zu verheimlichen. An Arbeit war momentan gar nicht zu denken, denn dafür quollen mir zu viele Tränen aus den Augen und das stoppte auch nicht als eine halbe Stunde später jemand in mein Büro platzte. Im Gegenteil sein Anblick ließen die letzten Dämme auch noch brechen und ich hyperventilierte beinahe vor lauter Geschluchze. „Ava, pscht. Beruhig dich", er ließ sofort alles stehen und liegen und kam auf mich zu, um mich in die Arme zu schließen, während er sich vor meinen Schreibtischstuhl kniete. Nachdem ich mich einige Minuten an seiner Schulter ausgeweint hatte, beruhigte ich mich augenblicklich und mir wurde dann erst wieder bewusst wer vor mir stand. „Ava, was ist denn passiert? Was genau ist zwischen meinem Vater und dir, dass ihr beide in euren Büros sitzt und Tränen vergießt? Und glaub mir ich hab meinen Vater über die ganzen Jahre erst drei mal weinen sehen, auf dem Video meiner Geburt, als meine Oma starb und jetzt. Also bitte Ava sprich mit mir", flehte er beinahe schon. „Jayden, ich erkläre dir das nächste Woche versprochen, dass ist so mit William abgesprochen, aber bitte lass es bis dahin gut sein. Aber egal wie sehr du mich danach hassen wirst wir müssen die Woche darauf den Laden hier alleine schmeißen", erklärte ich ihm und er sah mich einen Moment lang sprachlos an. Er hauchte ein „Okay" und das war alles was er dazu sagte. Er nahm mich noch fünf Minuten so in den Arm und verschwand dann wieder aus meinem Büro, da er einen wichtigen Termin hatte. Mir viel erst nachdem er gegangen war auf, dass sich auf meinem Schreibtisch ein weiterer hellblauer Briefumschlag befand. Sofort riss ich ihn auf und las das nächste Gedicht, was mich direkt zum Lächeln brachte, obwohl ich gerade noch literweise meine Tränen vergossen hatte.

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