Kapitel 22

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Ava's P.O.V.

„Ist es nicht erstaunlich, dass wir erst wissen wie viel Wert etwas für einen hat sobald es weg ist?", eine mir unbekannte Stimme sprach diese Worte zu mir. Sie klang so weich, so lieblich, aber dennoch hatte sie einen harten Unterton. „Aber wir können unterbewusst die Menschen, dessen Wert, den sie für uns unbewusst  haben erstaunlicherweise auch nicht loslassen", die Stimme sprach mit so einer Leichtigkeit, obwohl sich eine sehr harte Wahrheit in ihrer Moralpredigt versteckte. Und auf einmal lag ich auf einer Wiese unter einem wunderschönen Baum. Es war warm, aber nicht zu warm und über mir sangen die Vögel in ihren Nestern. Ich fühlte mich wie damals als Kind unter dem Baum in unserem Garten. Es war eine schöne Erinnerung, doch eben nichts weiter. Eine Erinnerung an die vergangene schöne Zeit. An etwas was nicht mehr vorhanden ist. An eine Zeit in der noch alles gut war und das Leben vielversprechend wirkte. Ich genoss jeden Augenblick den ich hier in Ruhe lag und dann sprach die Stimme wieder. „Warum sehen wir nicht was uns kaputt macht oder was wir kaputt machen bis es nicht mehr zu leugnen ist? Warum wollen wir andere mehr retten als uns selbst? Auch wenn wir merken, dass wir selber daran kaputt gehen?", die Stimme wurde immer lauter, aber behielt die liebliche Stimme bei. Warum sagte sie so allgemeine Dinge, die sich aber anfühlten, als würde sie sie nur für mich sagen? Ich wurde immer müder, bis ich unter dem Baum einschlief.

Jayden's P.O.V.

Ich wich keine Sekunde von ihrer Seite. Mittlerweile war ich ganze vierundzwanzig Stunden wach und saß hier, hing ihre Erinnerungsstücke hier überall hin und las ihr vor. Um genau zu sein las ich ihr ihr Lieblingsbuch vor. Es wunderte mich wenig, dass Ava ‚Stolz und Vorurteile' liebte, denn sie glich der Hauptfigur ungemein, denn beide waren starke Frauen, die ihren Wert kannten und sich nicht darunter verkauften. Doch egal was ich machte, sie wachte einfach nicht auf. Als ich kurz vor dem Verzweifeln war, öffnete sich hinter mir die Tür und mein Vater betrat den Raum. „Hier ein Kaffee für dich. Da du nach mir kommst muss ich wohl gar nicht erst fragen ob du nicht mal etwas schlafen möchtest oder?", er lachte kurz rau auf und zauberte damit auch mir ein kleines Lächeln auf die Lippen. „Wie geht es dir?",fragte ich ihn und nahm dankend meinen Kaffee entgegen. „Mach dir keine Sorgen mir geht es gut. Aber du solltest auf dich achten du siehst ziemlich kaputt aus", antwortete er, was ich nur mit einem Seufzen quittierte.

Danach setzte er sich einfach neben mich auf einen Stuhl und sah sie an. „Habe ich dir je erzählt wie es dazu kam, dass Ava bei uns angefangen hat?", fragte er mich und ich schüttelte den Kopf. Die Art und Weise wie er das fragte machte mich jedoch neugierig. Anscheinend merkte er das, denn er begann zu erzählen. „Es ist erstaunlich wie lange das schon her ist. Ava lebt hier, seitdem sie nicht einmal einen Monat lang achtzehn ist. Ihr Vater ist ein sehr guter Freund von mir, der mich darum gebeten hat ein Auge auf sie zu werfen, weil sie dringend aus ihrer Heimatstadt verschwinden musste. Sie musste sehr viel durchmachen in den Jahren bevor sie hier her kam und deshalb war sie auch so dankbar diesen Job zu bekommen. Sie liebt ihre Arbeit nicht nur, weil sie sie gerne macht, sondern weil ihr das ein neues Leben ermöglicht hat. Die Arbeit ist wie eine Therapie für sie", erklärte er mir indirekt warum sie hier war, doch sein Ton verriet mir, dass ich gar nicht erst fragen brauchte warum sie von dort weg musste, weil er es mir sowieso nicht sagen würde.

„Wieso erzählst du mir das ausgerechnet jetzt?", fragte ich stattdessen, weil mir nicht bewusst warum dieser Augenblick so viel anders war als die letzten Jahre, in denen er es mir auch verschwiegen hatte. „Ich will, dass du weißt, dass egal was Ava sagt oder tut sie die stärkste Frau ist, die du je kennenlernen wirst und das du weißt, dass diese Stärke nicht einfach irgendwoher kommt. Stärke erlangen wir erst nach einem Moment der Schwäche,nachdem wir ein Problem gelöst haben, was für uns unüberwindbar aussieht und Ava ist stärker als die meisten Frauen, deshalb vergiss diese Worte bitte nie. Ava war schon immer wie eine Tochter für mich und ich wüsste nicht was ich tun sollte, wenn sie wirklich versucht hätte sich umzubringen. Außerdem stehen ihre Eltern vor der Tür, also sag dir zu Liebe besser nichts von eurem Streit", hielt er eine kleine Moralpredigt. Daraufhin klopfte er mir kurz auf die Schulter und stand anschließend auf.

Ich hörte wie er einige Worte mit jemandem wechselte, vermutlich Ava's Eltern, die dann anschließend den Raum betraten. Augenblicklich spannte ich mich an. Wie würden sie wohl auf mich reagieren? Hinter mir erklang ein leises Räuspern, weshalb ich mich umdrehte und in zwei Gesichter blickte, die mir wahrscheinlich ziemlich ähnelten. Sie hatten dunkle Augenringe, als hätten sie tagelang nicht geschlafen und waren leichenblass. „Hallo, wir sind Ava's Eltern. Sie sind dann wohl William's Sohn oder?", ich ergriff die Hand, die sie mir beide entgegenstreckten und schüttelte sie, während ich nickte. „Ja, bitte nennen Sie mich doch Jayden", bot ich ihnen an, was sie dankend annahmen. Die beiden nahmen nehmen mir platz und sahen ihre Tochter an, wobei ihre Mutter in Tränen ausbrach. Sie versuchte ihr Schluchzen zu unterdrücken, doch das war nicht möglich. Ich vermutete, dass ihr das vor mir unangenehm sein könnte, deshalb entschuldigte ich mich kurz und verließ den Raum.

Draußen machte ich mich direkt auf den Weg zum nächsten Kaffeeautomaten, denn einen stärkeren hatte ich jetzt echt nötig. Als ich da ankam wählte ich sofort einen doppelten Espresso, weil ich sonst wohl vermutlich in den nächsten Stunden zusammenbrechen würde. „Jayden?", hörte ich eine Stimme öfter rufen und dachte schon ich hätte sie mir vor lauter Schlafmangel eingebildet, bis mich jemand an der Schulter berührte. Als ich mich umdrehte blickte ich nur in ein mir allzu bekanntes Gesicht und dachte schon ich würde Geister sehen. „Amanda?", fragte ich völlig ungläubig und als sie nickte, nahm ich sie in den Arm. „Was machst du hier?", fragte ich sie völlig verwirrt, aber dennoch erfreut. „Ich arbeite jetzt hier. Vor zwei Monaten bin ich aus Afrika zurückgekommen und arbeite jetzt hier als Krankenschwester", erklärte sie mir und ich freute mich, dass sie wieder da war. „Wie geht es dir? Wie war Afrika? Warum hast du nichts gesagt?", strömten die Fragen automatisch aus meinem Mund, was sie zum lachen brachte. „Ach Jayden, du hast dich in den letzten vier Jahren kaum verändert", lachte sie vor sich und ließ mich damit rot werden.

„Glaub mir es hat sich einiges in der Zeit verändert, aber sag schon wie ist es dir in der Zeit ergangen?", meine Euphorie darüber, dass sie wieder hier war hielt sich kaum in Grenzen und deshalb wollte ich alles über die Zeit wissen in der sie weg war. „Mir ist es gut ergangen, aber das ist viel zu viel, um das hier zu besprechen, also lass uns uns doch einfach mal auf einen Kaffee treffen und über alles reden. So wie ich dich kenne gibt es bestimmt auch bei dir einiges was du mir zu erzählen hast", sie lächelte mich genauso warmherzig wie immer an und ich freute mich jetzt schon auf den Kaffee mit ihr. „Das würde mich sehr freuen", antwortete ich und steckte ihr meine Visitenkarte zu. Sie nickte und nahm mich zum abschied noch einmal in den Arm, bevor sie das Krankenhaus verließ. Ich sah ihr noch einen kurzen Augenblick hinterher, bevor ich mich mit meinem Kaffee auf den Weg zurück zu Ava's Zimmer machte. Ihre Eltern saßen immer noch da und starrten Ava so hoffnungsvoll an wie ich die vergangenen Stunden, doch auch dieses mal wollte sie nicht aufwachen. Ava's Mutter stand auf und kam direkt auf mich zu, bis sie direkt vor mir stand und schloss mich in ihre Arme. Sie schluchzte leise vor mich hin, weshalb ich mich kaum selbst zusammenreißen konnte und eine Träne vergoss.

„Jayden, geh doch bitte nach Hause und schlaf dich aus, wenn was mit ihr sein sollte rufen wir dich an, deine Nummer haben wir von deinem Vater", sagte sie und auch wenn ich Ava nicht von der Seite weichen wollte brauchte ich Schlaf und so wusste ich zumindest, dass sie nicht alleine war. „Dankeschön, Misses Wright. Ich glaube das habe     ich jetzt echt nötig", bedankte ich mich höflich bei ihr und so als wäre es beabsichtigt gab mein Körper ein Gähnen von sich. „Bitte nenn mich doch Cecilia. Das ist mein Mann Michael", bot sie mir das du an, was ich dankend annahm. „Bitte meldet euch ohne zu zögern bei mir, egal was mit ihr ist", wies ich sie fast schon panisch an, weshalb sie mir sofort versicherten, dass sie mich umgehend anrufen würden, auch wenn nur ein Haar sich durch einen Windhauch bewegen würde. Ich wusste, dass sie scherzten, aber es beruhigte mich, dass ich wusste, dass jemand bei Ava war, wenn ich mich einen Moment ausruhte. Zögerlich verließ ich den Raum und machte mich auf den Weg nach Hause, in der Hoffnung, dass ich es nicht bereuen würde sie alleine gelassen zu haben.

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