Kapitel 1: "Die Enttäuschung."

129 6 0
                                    


„Arzu, ich bitte dich, könntest du die letzte Stunde übernehmen?" fragte ich meine beste Freundin. „Aber du weißt, dass ich höchstens nur Kunst machen könnte?" „Nein, nein. Gib ihnen nur die Blätter und die sollen sie lösen und dann vor der Tafel lösen. Die Lösungen kriegst du natürlich auch." „Aber Nurcan...", wollte sie mir gerade widersprechen, doch als sie meinen Blick sah, zögerte sie kurz ehe sie nickte. „Danke, Schatz. Du bist die beste." Sie seufzte nur leicht und sah etwas nachdenkend hinaus aus dem Fenster. „Was ist?" „Nichts." „Sag das doch nicht. Ich kenne diesen Blick." „Es ist wirklich nichts.", sprach sie in einem Ton, der keinen Widerspruch mehr duldete. „Bald sind wir beide seit zwei Jahren hier.", redete ich nach einer Weile. Nur um sie ablenken zu können. „Stimmt. Wir haben ja beide gleichzeitig angefangen." „Und gleichzeitig studiert. Und uns so kennen gelernt." Sie nickte mir zu und lächelte. „Noch drei Tage, dann haben wir auch mal Ferien." Ich musste anfangen zu lachen. „Was für Ferien? Ich muss noch drei verschiedene Klassenarbeiten von drei Klassen korrigieren. Das nenne ich keine Ferien." Sie schüttelte grinsend den Kopf. „Selber Schuld, wenn du noch kurz vor den Ferien die Klassenarbeiten schreibst." Es läutete. „Okay, du kannst gehen, Nurcan. Ich übernimm die Stunde ja." „Danke, Arzu. Du bist eine Heldin." Sie schmunzelte etwas, ehe sie das Lehrerzimmer verließ und sich auf den Weg zu meiner Klasse machte. Ich stattdessen packte meine Sachen ein und verabschiedete mich von den anderen Lehrern, die da noch waren und eilte zu meinem Auto. Ich wollte erst noch zum türkischen Laden, bevor ich mich dann endlich mich mit ihm traf. Emrah. Mein Bruder, der schon seit vier Jahren ausgezogen und inzwischen glücklich verheiratet in der Türkei lebte. Er kam hierher nur für mein Geburtstag und würde auch bei uns wohnen.


Zumindest für die nächsten zwei Wochen. Danach wäre er wieder weg. Wieso seine Frau nicht mitgekommen war? Nun ja, wir hassten uns. Bis jetzt noch. Sie hatte mich einmal bevor wir uns kannten beklaut, auch wenn sie was anderes sagt. Als mein Bruder dann mit ihr auftauchte, stand er auf ihrer Seite. Seitdem glaubte ich auch, dass sie auf das Geld steht, statt meinem Bruder. Nur leider konnte ich das nie beweisen. Ich fuhr zum türkischen Laden und kaufte von dort Lokum, Baklava und auch noch Simit. Das mochte mein Bruder sehr gerne. Dann starrte ich auf meine Uhr und ehe ich den Laden hinaus ging, stieß ich einen etwas muskulösen Mann um. Ich fiel hin, wogegen er nur kurz taumelte. „ Kannst du nicht aufpassen, Mädchen?" „'tschuldige, ich hatte es gerade nur eilig." Ich stand auf, als ich merkte, dass dieser Typ mir nicht helfen wollte. Ich sah ihn kurz an. „Aber trotzdem kein Grund so unhöflich zu einem Mädchen zu sein." „Hmm...", brummte er nur und sah mich dabei an. Ich starrte ihn an. Dunkelhaarig, dunkelbraune Haare und einen leichten Bart. Und er war bestimmt um die 1,80 m groß. Vielleicht größer. Was Messungen und auch Mathe betraf war ich noch nie sehr gut. Wollte ich auch nicht sein, ehrlich gesagt. Meine Stärken lagen sowieso wo anders. Und ich betrachtete ihn genauer und er mich ebenso. Plötzlich fühlte ich mich nackt, als er mein Mustern bemerkte und leicht schief lächelte. Er sah gut aus und nach diesem Lächeln sogar viel besser. „Sorry, ich war nur in Gedanken versunken und irgendwas... Ach ist ja halb so wild. Hast du dich verletzt?" „Nein, nein. Passt schon.", antwortete ich. Dann zeigte er auf seine Uhr. „Du hattest es eilig, oder?"


Und dieses mal nickte ich heftig. „Stimmt. Ich muss jetzt los. Entschuldige nochmals." „Kein Problem." Mein Herz schlug wie wild, als ich los rannte. Ob das an dem Rennen lag oder an dem Kerl, konnte ich nicht sagen. Er sah wirklich gut aus und obwohl er unhöflich gewirkt hatte, war er dann doch etwas höflicher geworden. Oder? Nachdem ich in mein Auto beladen hatte und einstieg, schlug mein Herz immer noch. Ich öffnete das Radio und machte es etwas lauter um mitzusingen. Ich betrachtete die Digitaluhr, die gerade 16:21 Uhr anzeigte. Ich hatte noch 20 Minuten, bevor mein Bruder landete und die Strecke zum Flughafen, dauerte nur 10 Minuten. Doch ich war zu aufgeregt, daher drückte ich noch etwas auf die Gaspedale. Und ich ehe mich versah, war ich auch schon auf dem Parkplatz des Flughafens. Schnell und geschickt eingeparkt, ging ich auf das große Gebäude zu. Diese halbe Stunde, die ich dort wartete, fühlten sich wie eine Ewigkeit an. Doch dann tauchte er auf und leider doch nicht alleine. Nein, stattdessen mit seiner Frau. Schwangeren Frau.

Unrein.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt