5.Kapitel ~Süß~ ✔️

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Lied: Certain Things - James Arthur

Coles' Aussage will mir nicht ganz in den Kopf gehen. 'Dann lauf'. Was hat das zu bedeuten? Auf dem Weg nach oben, habe ich die wildesten Spekulationen über diese Frau aufgestellt, sie jedoch gleich wieder verworfen. Ein verrückter Serienkiller wird sie wohl kaum sein. Vermutlich kann er sie einfach nur nicht ausstehen, oder wollte mir schlicht und ergreifend ein wenig Angst einjagen.

Trotzdem trete ich nur zögerlich aus dem Fahrstuhl, nachdem ich im 56. Stock angelangt bin und sehe mich in alle Richtungen hin um. Solche Sachen sagt man nicht ohne Grund. Irgendetwas wird sich Cole dabei schon gedacht haben. Zu meinem Glück muss ich feststellen, dass keine verrückte Frau in der Nähe ist. Ich bin allein.

Nicht gerade das, was ich unbedingt sein möchte. Was ich allerdings noch viel weniger will, ist Mr. Hewitt erneut zu begegnen. Und das nach nicht einmal 20 Minuten, nachdem wir uns voneinander verabschiedet haben.

Meine Augen fallen auf die einzige, dunkle Holztür am Ende des relativ langen Flures. Wie ein schwarzer Riese steht sie mir gegenüber. Ich zupfe noch einmal meinen Blazer zurecht und laufe mit kleinen, langsamen Schritten auf diese Tür zu. Bei jedem weiteren Meter, den ich mich ihr nähere, werden meine Beine schwerer. Mein Atem geht flacher, bis ich schließlich vor ihr stehen bleibe und abwartend die Türklinke betrachte.

,,Du musst ihm lediglich die Entwürfe geben, kein Grund sich gleich in die Hose zu machen", murmele ich vor mich hin und balle meine Hand zu einer Faust, um zu klopfen. Zunächst passiert nichts. Ich warte gespannt und klopfe erneut. Diesmal allerdings fester. Und wenn ich einfach reingehe?, frage ich mich selbst, lasse es dann allerdings doch sein. Das kann ich nicht machen.

Ich könnte sie ihm auch schnell auf seinen Schreibtisch legen und verschwinden. Wenn sowieso keiner aufmacht, ist das umso besser. Dann muss ich wenigstens nicht wieder in einem Raum mit ihm sein. Das Essen vor ein paar Wochen bei uns hat mir schon ausgereicht.

,,Leah?"

Meine Schultern verkrampfen sich. Erschrocken fahre ich rum und lasse dabei die ganzen Plastikrollen, in denen sich die Entwürfe befinden auf den Boden fallen. ,,M-Mr. Hewitt", stammele ich zitternd und fasse mir an das pochende Herz. Himmel Herr Gott muss er sich so anschleichen?! Ohne ihn anzusehen, beuge ich mich runter und versuche sie hektisch einzusammeln.

Hätte er mich nicht wenigstens vorwarnen können?

,,Warte, ich helfe dir", höre ich ihn sagen und bereits in der nächsten Sekunde hockt er sich ebenfalls zu mir nach unten. Dabei spüre ich seinen intensiven Blick auf mir, den er nicht einmal abwendet, um zu gucken wo er überhaupt hin greift. Kurz erwidere ich ihn und sehe schnell wieder weg.

,,Das tut mir so leid", krächze ich und stoße etwas Luft durch meine Lippen. Wobei es ja eigentlich seine Schuld ist. Wir greifen gerade gleichzeitig nach der letzten Rolle, die ich ihm ohne zu Zögern überlasse. Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf und räuspere mich verlegen. ,,Alles gut. Ich hoffe, ich habe dich nicht all zu sehr erschreckt", erkundigt er sich und richtet sich ebenfalls auf. ,,Halb so wild", spiele ich es runter, wobei ich darauf schwören könnte, dass mein Puls noch gut und gern über 100 liegt.

,,Sind das die Entwürfe für das Werbeplakat?", lenkt er das Thema in eine andere Richtung und deutet auf die Plastikrollen. Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. ,,Es gibt jeden Tag so viel zu erledigen, da kommt man irgendwann gar nicht mehr mit", seufzt er und sucht wieder meinen Blick.

Ich betrachte seine dunkelgrünen Augen. Würde am liebsten näher herantreten, um die Farbe seiner Iris genauer definieren zu können. Sie haben etwas unergründliches, geheimnisvolles an sich, das einen sofort erschaudern lässt.

What You Don't Know [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt