Das Fohlen war äußerst überrascht über die Tatsache, dass der fremde Hengst ihn zu sich nach Hause, in seine neue Mühle brachte, wo ein warmes Kaminfeuer loderte und bereits eine Schale warmer Suppe für ihn bereit stand, die er gierig verschlang.
Herrlicher, säuerlicher Brotgeschmack mit frischen Gartenkräutern schmeichelte seiner Zunge, als er den Teller gierig sauber leckte und dann aufblickte, weil er noch immer so hungrig war.
»Möchtest du noch etwas?«
Eine abgemagerte, alte, schwarzbraune Stute hatte sich zu ihrem Ehemann an den Tisch gesellt und dabei dem Fohlen beim Essen zugesehen. Ihre Rippen standen hervor, dennoch war ihr Bauch kugelrund und prall.
Der junge Prinz hatte noch nie eine trächtige Stute gesehen, aber er vermutete, dass die alte Müllerin tatsächlich einFohlen in sich trug. Anders konnte er sich ihren Zustand nicht erklären. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, weil er andere Pferde eigentlich nicht so lange anstarren sollte. Außerdem hatte man ihm auf dem Schloss strengstens verboten, Speisen von Fremden anzunehmen. Dennoch nickte er mit hängenden Ohren. Er hatte solchen Hunger.
Prompt hatte die Stute ihm mit einer Suppenkelle den Teller noch einmal bis zum Rand gefüllt, sodass er auch die zweite Portion in Windeseile verputzen konnte.
»Armes Ding!«, schnaubte Bjames Gefährtin, als sie das zerkratzte und verfilzte Fell des Fohlens musterte. »Keine Angst, das wird schon wieder!«
»Vielen Dank«, schnaubte der Kleine scheu. Sein Vater hatte ihn immer gelehrt, den Dorfpferden nicht weiter zu trauen, als er spucken konnte. Dass diese beiden so freundlich zu ihm waren, kam ihm eigenartig und falsch vor. Warum hatte sein Vater ihm nie erzählt, dass es auch nette Dorfpferde gab?
»Hat dir die Mehlsuppe geschmeckt?«, fragte die Stute schließlich mit interessiert gespitzten Ohren. Als das Fohlen nickte, strahlte sie übers ganze Gesicht.
»Endlich jemand, der deine Kochkünste zu schätzen weiß, Laina!«
Bjames herzhaftes Lachen erfüllte den gesamten Raum. Laina, die alte Stute, schnaubte ihrem Gefährten herablassend ins Gesicht.
»Immerhin sorge ich dafür, dass jeden Abend eine ordentliche Mahlzeit für dich auf dem Tisch steht. Und außerdem bin ich dafür verantwortlich, dass der König dir nicht den Kopf abschlagen lässt, weil er Schmutz und Steine in seinem Mehl findet. Wir können gerne tauschen!«
»Nicht nötig, vielen Dank!«, schnaubte der Schecke lachend, drückte seiner Stute die Nüstern gegen die Stirn und schloss genussvoll die Augen, als Laina ihren Kopf an seinen Hals legte.
Das Fohlen erschrak heftig, als er die Pferde so von seinem Vater sprechen hörte. Hätte er so etwas wirklich getan, nur, weil sie ihn verärgert hatten? Das hatten diese Pferde doch überhaupt nicht verdient!
Ein Knoten bildete sich in seinem Hals, als ihm bewusst wurde, was das für seine Mutter und seinen Bruder und auch für ihn zu bedeuten hatte.
Er wusste ja nicht einmal, ob seine Mutter wirklich tot war. Was war, wenn sie überlebt hatte? Was war, wenn der König sie für ihre Taten auch hinrichten ließ?
»Wisst ihr, was mit meiner Mama geschehen ist?«, unterbrach er deshalb das liebevolle Ehepaar. »Denkt ihr, dass mein Vater sie auch köpfen lässt, weil sie ihn wütend gemacht hat?«
Bjame und Laina warfen sich erschrockene Blicke zu, bevor sie bestürzt mit den Köpfen schüttelten, um das Fohlen zu beruhigen.
»Du solltest dich jetzt ausruhen, Veikko. Ich habe hier ein Bett für dich, in dem du die Nacht verbringen kannst.«
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BRÜDER - Die Chroniken von Skjell
Fantasi(Cover nicht final) ACHTUNG!: Diese Geschichte ist formuliert als eine Art Fabel, in der alle Charaktere als Pferde dargestellt sind. Ihr Verhalten ist sehr stark vermenschlicht und könnte in einer anderen Version auch auf Menschen umgeschrieben wer...