Nächtlicher Besuch

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Sam war gerade am Einschlafen, als ihn ein Geräusch aus der Richtung des Fensters weckte. Irgendein Vogel vielleicht. Er machte eine halbherzige scheuchende Bewegung in Richtung des Fensters, dann döste er wieder weg.

Wieder das Geräusch, wie ein Klopfen. Diesmal hatte es aber einen Rhythmus. „Smoke on the Water", wenn Sam sich nicht irrte. Hatte Dean aus Versehen irgendeinen armen Vogel zu lange seiner Musik ausgesetzt?

Sam blinzelte, und langsam wurde sein Geist etwas klarer. Draußen war es vollständig dunkel, und Vögel, selbst Eulen, waren normalerweise nicht für ihre Vorliebe für Classic Rock bekannt. Dafür gab es vor seinem Fenster ein Vordach, das breit genug war, dass jemand darauf sitzen konnte, falls er ihm einen nächtlichen Besuch abstatten wollte.

Sam verzichtete darauf, das Licht einzuschalten, das hätte das Fenster nur in einen komplett schwarzen Spiegel verwandelt. In fast vollständiger Dunkelheit kroch er aus dem Bett und schlich in Richtung Fenster.

Durch das Glas konnte er undeutlich ein Gesicht erkennen, das zu ihm hereinstarrte. Sam schnappte nach Luft, doch dann erkannte er im Licht einer entfernten Straßenlaterne Luzifers Grinsen. Der Autodieb klopfte noch einmal gegen das Glas.

Sam musste an all die Dinge denken, die er heute von Charlie erfahren hatte. Er öffnete das Fenster dennoch.

Luzifer lächelte. „Sorry für die Verspätung."

Sam lachte und trat einen Schritt zurück, um seinen Besucher hereinzulassen. „Das ist mehr als einfach nur eine Verspätung."

„Kann ich's später wiedergutmachen?" Luzifer kletterte ein wenig umständlich ins Zimmer, verzog dabei das Gesicht, als hätte er Schmerzen.

Sofort waren Sams Sorgen wieder da. „Geht's dir gut?" Es war zu dunkel, er konnte nichts erkennen. Eilig knipste er die Lampe auf seinem Nachttisch an.

Scheiße.

Luzifer sah wirklich beschissen aus. Blutflecken prangten auf seinem olivgrünen T-Shirt, und an den Ärmeln seiner Jacke. Unter seinen Fingernägel hing ein leichter, roter Rand, als wären auch die Hände vor Kurzem noch blutig gewesen. Verletzungen konnte Sam allerdings keine erkennen. Er war sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war.

„Oh Scheiße." Sams Stimme zitterte ein wenig.

„Da würde ich dir zustimmen."

„Hast du jemanden umgebracht?"

„Willst du darauf wirklich eine Antwort?"

„Nein." Das war eine glatte Lüge. Sam hatte genug davon, gewisse Dinge nicht zu wissen, er traute sich nur noch nicht ganz, die richtigen Fragen zu stellen.

„Okay, kannst du Blut sehen oder kippst du mir gleich um?"

Also gab es doch irgendwo eine Verletzung? „Ich hab Dean hin und wieder verarztet, als er jünger war und noch öfter in Schlägereien geraten ist."

„Gut, dann muss ich dir ja nicht erklären, wie's geht." Luzifer drehte sich um, um das Fenster zu schließen, und Sam schnappte nach Luft. Im Rücken seiner Jacke klaffte ein langer Riss, umgeben von einem weiteren Blutfleck.

„Ich hab Nadel und Faden dabei. Jetzt sei ein guter Junge und hilf mir aus der Jacke und dem T-Shirt."

„Es ist Sam. Nicht Junge und nicht Sammy."

Luzifer warf ihm einfach nur einen langen Blick zu, bis Sam schließlich seufzte und sich daranmachte ihm zu helfen.

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