Kapitel 4

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Ich betrat das Zimmer und schloss die Tür leise hinter mir. Die Luft war noch kühler, als im restlichen Teil des Hauses, vermutlich war das Zimmer zuvor unbewohnt gewesen. Ich sah mich neugierig um: Das Zimmer war in etwa 3-mal so groß, wie mein altes und die Wände war in einem schlichten altweiß gehalten. Die Inneneinrichtung wirkte durch die Grau- und Schwarztöne modern und wurde von vereinzelten weißen Elementen abgemildert. Sämtliche Kartons waren über das große Bett, den Boden und den Schreibtisch verteilt... Zu meiner großen Freude besaß das Zimmer ebenso wie mein altes eine gepolsterte Fensterbank, auf der ich mich niederließ und sah aus dem Fenster in den weitläufigen Garten. Neben einer Terrasse verfügte der Garten auch über einen Swimmingpool, welcher von einer Art Zaun umgeben war. Vernünftig, wenn man an Hayden dachte... Ich machte mich daran, die erste Kiste auf meinem Schreibtisch zu öffnen und allerlei Schreibutensilien in die Schreibtischschubladen zu räumen. Verrückt, wenn man bedachte, dass ich bis heute morgen noch ein ganz anderes Leben geführt hatte... Statt des trommelnden Regens von heute morgen, spürte ich nun die angenehme Wärme von Sonnenstrahlen auf meiner Haut, welche sachte durch eines meiner riesigen Fenster fielen... Ich stellte den geleerten Karton beiseite und hob einen weiteren zu meinen Füßen auf die Tischplatte. Schulsachen...
„Hall of Fame" ertönte aus meiner Tasche, sodass ich den Karton stehen ließ und nach meinem Handy angelte. Sam... „Hey, cuteeessttt", schrie mir meine beste Freundin lachend ins Ohr, sodass ich mein Handy augenblicklich einige Zentimeter von meinem Ohr distanzierte. Typisch für sie... „Hey, Sam", grüßte ich sie zurück und konnte mir ein Kichern nicht verkneifen, als ich hörte, wie sie sich jaulend den Fuß stieß. Ja, meine beste Freundin war ein absoluter Schussel. Aber ein liebenswerter... „Ach Cat, halt den Mund!", jaulte sich weiter und gab noch einige Flüche von sich, ehe sie sich wieder meiner annahm... „Du bist eine miserable beste Freundin, weißt du das?", jammerte sie weiter, was mich erneut zu Grinsen brachte. Im Hintergrund konnte ich Plastik knistern hören und hörte Sam einige Sekunden später kauen. Ja, ja, Schokolade hilft immer... „Jetzt sag schon...", schmatzte sie und schluckte anschließend hörbar, „wie sind diese Grace und die Jungs? Ich hab sie ja mal gegoogelt, sie ist mit ihrem Ex-Mann die Inhaberin eines verdammten Verlages...", plapperte sie weiter. Da hatte sie sich besser informiert als ich... Natürlich wusste ich, dass sie und mein Dad sich von der Arbeit kannten, aber doch nicht, dass sie sowas wie seine Chefin ist. Daher also auch das wundervolle Haus... „Cat, hörst du mir zu?!", fragte Sam am anderen Ende der Leitung. Ups... Sie seufzte auf... „Ich hab dich gefragt, was mir deinen Stiefbrüdern ist... Sind sie wirklich so heiß, wie auf den Bildern?", fragte Sam mit leicht schriller Stimme neugierig am anderen Ende der Leitung und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie auf ihrem Bett gerade hyperventilierte... Hormongesteuertes Weibchen... Ihr das Familienbild, welches Grace mir gezeigt hatte abzufotografieren und ihr dann auch noch zu schicken, war vermutlich mein größter Fehler seit langem... Jetzt hatten sie so eine Art Body- Bonus bei ihr, wodurch sie niemals würde ohne Vorbehalt auf meiner Seite sein können. Manchmal brauche ich doch auch mal jemanden zum uneingeschränkten lästern... „ Sie machen bisher eigentlich einen ganz netten Eindruck...", murmelte ich und dachte wieder an Alex' Worte: „Zane ist etwas ungebremst. Nimm dir seine Worte nicht so zu Herzen und halte dich so gut es geht von ihm fern..." Was meinte er wohl damit...? Ich erzählte Sam das ganze, welche am anderen Ende nachdenklich mit einem Haargummi durch die Gegend zu schnipsen schien... „Ich würde sagen, er meinte damit, dass dieser Zane etwas ungebremst ist und du dich von ihm fern halten sollst", meinte sie schließlich und rutschte hörbar auf ihrem Bett herum. Ich verdrehte die Augen: Applaus für meine stumpfsinnige beste Freundin... „Ach, was weiß ich... Jedenfalls ist er heiß, auch wenn er aussieht, als würde er einen im nächsten Moment am liebsten erdolchen... Meinst du, ich kann dich in den nächsten Ferien mal besuchen kommen und mir ihre wohlgeformten Ärsche aus der Nähe angucken?", fragte sie weiter, was ich mit einem vorwurfsvollen „Sam" quittierte. Konnte sie sich nicht einmal am Riemen reißen?! „ Ist ja schon gut, dann schick mir wenigstens Fotos. Habt ihr einen Pool? Ich würd sie echt gerne mal nur in Boxershorts sehen..." „Samantha Fischer, hör sofort auf damit, so geiernd über meine Stiefbrüder zu reden...!" heulte ich ins Telefon und gab mir eine ordentliche Facepalm, was sie am anderen Ende der Leitung auflachen ließ. Ja, das was meine beste Freundin: Genauso behindert wie ich... Nur war ich im Gegensatz zu ihr nicht ganz so hormongesteuert, was aber vermutlich einfach an den idiotischen Lappen aus meiner alten Klasse lag. Klar hatten wir, wie jeden andere Schule auch ein paar echt heiße Typen gehabt, aber die waren entweder die besten Freunde oder Feinde meines Zwillingsbruders gewesen, sodass es für mich nahezu unmöglich war, irgendeinen Typen auch nur richtig anzugucken... Schon wieder Kieran. Ich musste mir das echt abgewöhnen... „Nächstes Mal bin ich sowieso mit Amerika dran, also werde ich mich schon mal psychisch darauf einstellen können mit 4 1/2 extrem heißen Typen für 2 Wochen unter einem Dach leben zu dürfen...", meinte sie schwärmerisch, was einen leichten Würgreiz bei mir hervorrief... Sam wohnte im Gegensatz zu mir nicht in Amerika, sondern am gefühlten anderen Ende der Welt in Deutschland, sodass wir zu jeder Jahreszeit zwischen Amerika und Deutschland hin und her pendelten. Mal 2 Wochen Amerika, mal 2 Wochen Deutschland... Meine Mom war Deutsche und mein Dad ist Amerikaner, sodass ich beide Sprachen fließend sprechen konnte. Wie Kieran. Bei dem Gedanken an Kieran könnte ich mich einfach nur schlagen... Wenigstens ließ Sam Hayden komplett nicht und Kadden nur zur Hälfte in ihre Bewertung mit einfließen... Ich hörte im Hintergrund ihre Mutter zu Tisch rufen... „Fuck, Cat, ich muss Schluss machen, ehe mein Idiotenbruder mich noch holen kommt. Sei bei diesem Zane einfach vorsichtig und vergiss nicht, eine Kamera in Richtung Pool aufzustellen...", rief sie noch in den Hörer, ehe sie das Telefonat beendete. Eine Kamera am Pool aufstellen: Wofür würden die mich denn halten? So eine gruselige Stalkerschwester ...?! Wenn sie das schon von mir denken würden, was würden sie dann erst von Sam halten...? Ich schüttelte meine Gedanken ab und wand mich wieder einer neuen Kiste vor mir zu, welche ich schweigend begann zu öffnen. Klamotten... Ich sah mich im Zimmer um, bis ich eine Zimmerdecken-hohe Tür aus weiß lackiertem Holz am anderen Ende meines Zimmers erblickte. Das war dann wohl mein neuer Kleiderschrank... Ich nahm den ersten Stapel Kleidung aus der Kiste und ging in Richtung Kleiderschrank. Wie sollte das nur morgens werden, wenn ich hektisch durch mein riesiges Zimmer rennen musste. Ich würde noch Muskelkater kriegen... Mit einem Schwung öffnete ich die Schranktür und riss verdutzt die Augen auf: Die Tür führte nicht zu einem Schrank, sondern in ein begehbares Ankleidezimmer... Der Raum war wie der Rest des Hauses auch geschmackvoll in Schwarz- weiß eingerichtet, an der Decke war eine Art Vintage- Kronleuchter angebracht und in der Mitte stand ein rechteckiger, fellbezogener Podest. Gott, ich bin im Himmel... Als ich meinen Blick auf den Boden senkte, sprang ich augenblicklich aus dem Ankleidezimmer zurück in mein Zimmer, um den schneeweißen, extrem weich aussehenden Teppich zu meinen Füßen nicht zu demolieren... Ich zog meine Schuhe aus, betrat das Ankleidezimmer wieder mit nackten Füßen und vergrub meine Zehen im weichen Teppich... So unglaublich weich... Ich verharrte noch einige Sekunden in dieser Position, ehe ich mich daran machte, meinen Stapel von Cardigans sorgfältig auf die Kleiderbügel aufzuhängen. Hier dürfte NIEMALS etwas unordentlich werden! Ich lief wieder zu der geöffneten Kiste zurück und griff nach neuen Klamotten in die Kiste, als meine Hände auf etwas kühles, hartes trafen. Ich hob die Blusen vorsichtig an, bis die Ecken einiger Bilderrahmen zum Vorschein kamen. Dies musste die letzte Kiste sein, die ich vor meiner Abfahrt geschlossen hatte... Ich zog den ersten Bilderrahmen hervor und musste augenblicklich Lächeln, als ich Sam's und mein grinsendes Gesicht sah. Wir standen Arm in Arm vor der Kamera, unwissend, dass Kieran und im nächsten Moment in den Pool hinter uns schmeißen würde. Das Foto war an meinem 15. Geburtstag entstanden, als Sam als Geburtstagsüberraschung für mich angereist war. Ich war an dem Tag so glücklich gewesen und konnte die Sonne selbst jetzt förmlich vom Himmel brennen und die fröhliche Atmosphäre spüren... Damals war Kieran noch da... Ich schluckte, ehe ich den nächsten Bilderrahmen aus dem Karton zog, welcher mich Arm in Arm mit meinem Zwillingsbruder zeigte, welcher mich grinsend von hinten umarmte. Ich grinste ebenfalls in die Kamera und hatte mich leicht nach vorne gebeugt. Das Bild war kurz bevor er einfach gegangen war aufgenommen worden. Bevor ich den Zettel gefunden hatte, der mir Schwarz auf Weiß beschrieb, dass er mich im Stich gelassen hatte. Er war einfach gegangen, verdammt... Eine Träne rollte mir unwillkürlich die Wange hinunter und ich strich sanft mit dem Daumen über sein Gesicht. Ich vermisste ihn so sehr. Er war doch immer mein Beschützer gewesen... Ich hörte, wie meine Zimmertür aufgerissen wurde und ließ schnell das Bild zurück in den Karton fallen, ehe ich mir einmal flüchtig über die Wange wischte und mich umdrehte. Ein grinsender Jayden oder Alex schmiss sich  grinsend auf mein Bett, wobei er einen Karton  nur knapp verfehlte... „Na, was macht denn meine Lieblingsschwester?", grinste er mich an und sein Blick fiel in Richtung meines Ankleidezimmers, was ihn dazu veranlasste, noch breiter zu grinsen... „Wie ich sehe hast du deine neue Spielwiese ja schon entdeckt. Du musst wissen, dass Zane zu tiefst beleidigt war, dass Mom extra das größte Ankleidezimmer für dich hat einbauen lassen...", begann er und sah von der angelehnten Tür meines Ankleidezimmers wieder zu dem Karton auf meinem Schreibtisch. „Was ist da drin?", fragte er und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Klamotten", antwortete ich halbwegs wahrheitsgemäß und schloss die Kiste, um seine Sicht auf die Bilderrahmen zu verdecken. Ich wollte nicht, dass er Fragen stellte... „Was genau machst du hier?", fragte ich und legte den Kopf leicht schief. Vom Grinsen her würde ich fast schon Alex vermuten... „Willst du mich etwa nicht hier haben, Catty?", fragte er und zog einen gespielte Schmollmund. Ich lachte leicht bei seinem Gesichtsausdruck. Ich kannte sie zwar noch nicht lange, aber das kam mir definitiv unpassend für Alex vor. Also musste es doch Jayden sein... „Vollkommen korrekt, Schwesterherz", sagte Jayden und sah mich belustigt an. Ich hatte meine Gedanken wohl laut ausgesprochen. Noch eine Angewohnheit, die ich mir dringend abgewöhnen musste... Ich schüttelte leicht über mich selbst den Kopf, ehe ich eine neue Kiste vom Boden hob und auf meinem Schreibtisch abstellte. Dem Gewicht nach zu urteilen Bücher... Ich öffnete die Kiste und sah hinein: Volltreffer. „Wer ließt denn in diesem Jahrhundert noch Bücher?", fragte Jayden von meinem Bett aus und sah mich verständnislos an. Was war denn bitte so ungewöhnlich daran? Sollte ich von Steintafeln lesen...? „Ich...", antwortete ich wenig kreativ, was ihn erneut zum Grinsen brachte. Er schien wirklich ein Gute- Laune- Mensch zu sein... Ein weiteres Mal wurde die Tür aufgerissen und ein verdutzter Matthew stand im Türrahmen. „Bücher?", fragte er und sah mich ebenso verständnislos an, wie Jayden zuvor. Herrgott, was war denn falsch an Büchern...? Er sah mich noch einige Sekunden weiter verständnislos an, ehe er sich wieder zu fangen schien und seine Gesichtszüge sich wieder glätteten. Nur ein kleines Schmunzeln zierte weiter seine Lippen... „Das Essen ist fertig", meinte er und sah von Jayden zu mir. „Ich komme gleich, ich gehe mich nur noch kurz frisch machen", meinte ich und betätigte die Türklinke, welche ich zum angrenzenden Badezimmer vermutete. Richtig gedacht... Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Brüder sich wieder gegenseitig verständnislos ansahen. Ich habe ja auch keine Blase, wie sonst was... Vor mir tat sich ein wundervoll ausgestattetes Bad mit einer riesigen Badewanne, einer Wasserfall- Dusche, einem schüsselartige, weißen Waschbecken auf einer Holzablage, einer Toilette und einer eigenen Musikanlage auf. Fehlte nur noch, dass die Badewanne eine Whirlpoolfunktion hatte... „Hat sie", hörte ich die Brüder gleichzeitig sagen. Jetzt war es an mir, sie ungläubig anzusehen, ehe ich die Tür hinter mir schloss und mich frisch machte. Zum Abschluss spritzte ich mir noch einmal Wasser ins Gesicht und kämmte meine Harre mit meinen Fingern durch. Ich sah passabel aus: mein hüftlahmes, blondes Haar fiel mir in Wellen über meinen Oberkörper und mein Spiegelbild sah mich aus hellblauen Augen entgegen. Keine Rötungen, keine verschmierte Mascara, nichts, woran man etwas (außer vielleicht an meinen Gesichtszügen an sich) aussetzten konnte. Solange ich nicht erröte. Durch meinen hellen Hautton fiel jede kleinste Rötung leider sofort ins Auge... Ich kehrte meinem Spiegelbild schließlich den Rücken zu und verließ das Bad. Wider meiner Erwartungen saß Jayden noch immer auf meinem Bett und sah mich mit hochgezogenen Augenbauen an. „Und dafür hast du jetzt 2 Minuten gebraucht?", fragte er und hiefte sich aus meinem Bett. „Richtig, nur 2 Minuten. Außerdem hättest du ja schon mal vorgehen können", meinte ich und sah ihn ausdruckslos an, während ich meine Schuhe wieder anzog. Barfuß ginge dann doch ein bisschen zu weit... Er sah mich schmunzelnd an und seine blauen Augen blitzten verzückt, ehe sein Gesichtsausdruck wieder ernster wurde. „Ich möchte nicht, dass du Gefahr läufst, Zane alleine anzutreffen", meinte er und sah mich direkt an. Seine Stirn hatte sich leicht in Falten gelegt und er sah mich nachdenklich an. Seine Worte verpassten mir eine leichte Gänsehaut. Würde er mir denn etwas tun? Er kannte mich doch gar nicht... Jayden, der mir meine Gedanken anzusehen schien, hob beschwichtigend die Hände. „Er würde dir nichts tun. Körperlich nicht. Er kann aber sehr einschüchternd sein und ich möchte nicht, dass du in eine unangenehme Situation mit ihm kommst", meinte er ernst und blickte mich weiter an. Ich schluckte leicht. Er wollte nicht, dass ich in eine unangenehme Situation mit ihm komme... Aber Zane kannte mich doch gar nicht... „Zane braucht jemanden nicht zu kennen, um ihm gegenüber abgeneigt zu sein...", meinte er nachdenklich, ehe er mir wieder in die Augen sah. „Aber keine Angst, ich bleibe ja bei dir...", meinte er, ehe er die Tür öffnete und ich ihm nachdenklich folgte. So wie die Zwillinge ihn mir beschrieben, musste er ja eine aufrichtige Abneigung gegen mich haben. Aber wieso? Am Ankleidezimmer alleine konnte es doch nicht liegen... Seine Worte allerdings zauberten mir ein kleines Lächeln auf's Gesicht: „ Keine Angst, ich bin ja bei dir..." Mit diesen Worten im Kopf stieg ich hinter Jayden die Treppe hinunter und betrat das Esszimmer...

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Was sagt ihr zu Sam?

Ich wünsche euch noch eine schöne Woche und viel Spaß am Wochenende🌹

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