Kapitel 6

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Die Zimmertür fiel mit einem leichten Klicken hinter mir ins Schloss und ich stand in der Dunkelheit meines neuen Zimmers. Ich verharrte einige Sekunden, ehe ich mich umwand, eine meiner Lichterketten aus einem Umzugskartons nahm und über die breite Fensterbank legte. Meine Augen vertrugen abends einfach nicht das helle Licht einer Deckenlampe... Ich steckte die Lichterkette ein, wodurch sich ein warmes Licht von der Fensterbank aus in den Raum ergoss und diesen angenehm erhellte. Ich sah seufzend auf die restlichen Kisten in meinem Zimmer und beschloss diese nach kurzen hin und her morgen auszuräumen. Morgen ist auch noch ein Tag... Ich war heute einfach zu erschöpft... Die lange Fahrt hatte sich merklich in meine Knochen gesetzt, sodass ich mich müde auf meine Fensterbank sinken ließ und meinen Kopf am die Kühle Fensterscheibe legte. Was ein Tag... Ich ließ den Tag Revue passieren, angefangen von der Abfahrt in Florida bis hin zum Abendessen gerade... Grace, meine Stiefbrüder, Dad, Kieran, Mom, Evan...Es war heute wirklich einiges passiert... Bei meiner Erinnerung an Evan setzte ich mich auf und sah mich in meinem Zimmer nach meiner Tasche um: der Zettel... Ich angelte die Tasche von meinem Schreibtisch und kramte kurz in der Tasche, bis ich den Zettel und mein Handy fand. Ich speicherte die ordentliche Ziffern in meinem Handy ein und startete einen WhatsApp- Chat. Er war online. Was schreibe ich denn am besten als erstes...?
C: Hey Evan, hier ist Cat.😉🤗
Ich wartete einige Sekunden, bis mein Handy vibrierte und eine Nachricht von Evan auf meinem Display aufleuchtete.
E: Die KitteCat?
Kannte er etwa noch eine andere Cat...?
C: Schätze schon...🙄
E:😁
Depp...
E: Und, wie lief's mit deiner neuen Familie?
Ich musste ehrlich überlegen, was ich darauf antworten sollte. Wie war es denn eigentlich gelaufen...? Ganz gut, bis Zayn schließlich beim Abendessen dazu kam...
C: Schätze ganz okay...
Ich sah, dass Evan schrieb, wieder online war und danach wieder schrieb. Entweder er schrieb einen Roman oder löschte sein Geschriebenes immer wieder...
E: Okay
Sein Ernst...? „Okay" war irgendwie die Standardantwort bei Jungs...
E: In welchem Viertel wohnst du?
Gute Frage... Ohne groß zu überlegen schickte ich ihm meinen Standpunkt, allerdings in einer entfernteren Ansicht, sodass nur die Viertel grob beschriftet waren. Meine Adresse musste er noch nicht wissen...
E: Chices Viertel. Wohnst bei mir in der Nähe...
Oh, das war gut zu wissen...
E: Sorry, ich muss Schluss machen, hab noch was vor...
Damit ging er offline und ließ mich alleine auf meiner Fensterbank zurück. Ich fragte mich, was er wohl noch vorhatte. Auch wenn es mich eigentlich nichts an ging... Ich legte mein Handy und den Zettel wieder auf meinem Schreibtisch ab, schnappte mir ein Top und eine kurze Schlafhose und lief in Richtung Badezimmer. Zu meiner Freude ließ sich die Deckenbeleuchtung auch in diesem Raum auf eine angenehme Helligkeit dimmen... Ich legte meine Schlafsachen auf der Ablage des Waschbeckens ab und begann mit meiner Abendroutine: Zähneputzen, Haare bürsten, Toilette... Als letztes wechselte ich meine normale gegen die Schlafhose und legte schließlich auch meinen Cadigan ab... Mein Blick fiel wie jedes Mal wenn meine Arme freilegen auf meinen Linken. Die Haut war von unzähligen Brandnarben zerfurcht, ebenso von einigen dickeren, blassen Narben. Das Ergebnis meines Unfalls, unseren Unfalls. Ich sah von meinem Arm in den Spiegel auf und in meine hellblauen Augen. Mein Spiegelbild blickte mir mit einem traurigen Ausdruck in den Augen entgegen und ließ synchron mit meinem seinen Blick an mir heruntergleiten. Ich hatte abgenommen... Früher war ich immer davon ausgegangen, dass ich einen normalen Körperbau gehabt hatte: Weder zierlich, noch besonders kräftig... Da hatte ich mich geirrt: während meiner schlechtesten Zeiten hatte ich starkes Untergewicht, was auch jetzt noch meine dünnen Handgelenke und dünnes Gesicht zeichnete. Mein Gewicht befand sich momentan zwar wieder im akzeptablem Bereich, mein altes Gewicht hatte ich aber immer noch nicht zurück. Ich hatte neben Fett auch viel Muskelmasse verloren... Umso wichtiger, dass ich schleunigst ein neues Studio fand... Ich hörte, wie meine Zimmertür leise öffnete und wieder geschlossen wurde. Ich wand mich von meinem Spiegelbild ab und öffnete die Badezimmertür zu meinem Zimmer: Grace stand mittig im Raum auf meinem weißen Teppich und verschränkte unschlüssig die Hände miteinander. „Hallo Cat", meinte sie und lächelte mich sanft an. Ich trat aus dem Bad und bedeutete ihr mit einer Geste auf meinem Bett Platz zu nehmen, welcher sie auch gleich nachkam. Ich setzte mich ebenfalls in gebührendem Abstand neben sie. „Es tut mir leid, wie Zayn und Kadden sich beim Abendessen dir gegenüber verhalten haben", sagte sie und sah mir in die Augen. Der  warme Schein meiner Lichterkette warf Lichtreflexe in ihre braunen Augen, ihr dunkles Haar fiel ihr glatt über die Schulter. Stille trat ein. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Grace nahm meine Hand. „Du musst nichts sagen, aber ich möchte, dass du weißt, dass du hier willkommen bist. Dein Vater und ich lieben uns sehr und wir möchten, dass wir zu einer Familie werden... Ich weiß, dass ich den Platz deiner Mutter nie werde einnehmen können, aber du sollst wissen, dass du jeder Zeit zu mir kommen kannst..." Ich sah auf unsere verschränkten Hände und drückte sie leicht. Ich blickte wieder in ihr Gesicht, woraufhin sie mich leicht anlächelte, ehe sie sich erhob. „Ich hoffe, du hast alles gefunden was du brauchst. Wir haben eine Haushälterin, Melinda, du musst also nicht putzen oder ähnliches. Auf jeder Etage hängt ein Erste-Hilfe-Kasten und am Ende des Flures ist ein Wandschrank mit allerlei Hygieneartikeln, falls du noch etwas brauchen solltest." Ich nickte und sah sie weiterhin an. Sie wollte sich zum gehen wenden, ehe sie stockte, Erschrecken lag in ihrem Blick. Ich folgte ihm... Verdammt, ich hatte meinen Cadigan vergessen: mein entstellter Arm lag frei in meinem Schoß. Ich hob den Blick wieder zu Grace: In ihren Augen standen Tränen und sie sah von meinem Arm wieder in mein Gesicht, als suche sie nach etwas... „Bei dem Unfall mit meiner Mom kam es zu einer Explosion, wodurch sich heiße Metallteile in meinen Arm gebohrt haben und meine Haut verbrüht ist, Verbrennungen 3. Grades. Es musste operiert werden." Was mir noch einige Narben mehr beschert hat... Ich senkte meinen Blick wieder auf meinen Arm hinab, als ich spürte, wie sie ihre Arme um mich schlang und mir beruhigend begann über das Haar zu streichen. Diese Geste war so unglaublich mütterlich... „Es tut mir leid..." Mir tut es auch leid... Ihre Worte waren so unglaublich leise, dass ich schon überlegte, ob ich sie mir eingebildet hatte. Ich verspannte mich leicht, ehe ich wieder locker wurde. Ihre Körperwärme umfing mich und vermittelte mir ein wohliges Gefühl von Geborgenheit. Ich hatte früher immer starke Albträume und immer Angst gehabt alleine zu schlafen, sodass Kieran immer zu mir gekommen war. Mit den Jahren war es zu einer Gewohnheit geworden, sein Geruch und seine Körperwärme fehlten mir jeden Abend... Grace löste sich nach einigen Minuten wieder von mir und verließ mit einem leisen „gute Nacht" das Zimmer. Ich sah auf meine geschlossene Zimmertür, ehe ich leicht kopfschüttelnd den Blick abwandt und zurück in mein Badezimmer lief. Ich streifte mir mein Shirt über den Kopf und zog mein Schlaf-Top an. Im Sommer war es für ein langärmliges Schlafanzughemd einfach viel zu warm... Ich verließ mein Bad, schnappte mir mein Handy und setzte mich wieder auf mein Bett. Ich sah noch meine WhatsApp- Kontakte durch, wobei mein Blick an meinem Archiv hängen blieb. Ich tippte das Feld an, wodurch meine archivierten Kontakte sichtbar wurden. Der Anblick versetzte mir einen leichten Sich ins Herz: Die Profilbilder waren seit Monaten nicht aktualisiert worden und zeigten alle das selbe Bild... Wir hatten es im letzten Sommer geschossen, als eine Gartenparty bei uns gestiegen war: ich, Kieran und die anderen Jungs. An dem Tag war under letzter Schultag vor den Sommerferien gewesen, Partystimmung. Die Jungs hielten alle ein Bier in der Hand, Kieran Arm war um meine Taille geschlungen, während wir in die Kamera grinsten. damals war alles irgendwie noch so einfach... Eine kleine Träne rollte mir über die Wange. Ich fing sie mit den Fingern auf und hielt sie ins Licht: Das warme Licht brach sich in der Träne, sodass sie schimmerte, wie Perlmutt. Ich wand den Blick ab, ich hatte schon so viel geweint. Mit der Zeit war es weniger geworden, kam aber immer noch viel zu oft vor, abends, wenn ich alleine war... Ich rieb meine Finger an einander und lehnte mich mit dem Rücken an mein Kopfende... Mein Finger lag über dem Call-Symbol bei Kieran's Kontakt. Mir war klar, dass sie ihre Handys schon vor Monaten entsorgt haben mussten, so oft wie ich sie versucht hatte zu erreichen mussten sie alleine davon schon kaputt sein... Ich legte meinen Finger trotzdem wie in Trance auf „Anrufen", das Tuten ließ sich meinen Bauch zusammen krampfen.  Tuut, tuut... Wie zu erwarten ging nach einigen Sekunden nur die Mailbox dran. Als das Piepen erklang hielt ich die Luft an. Sollte ich...? „Hey Kier..." Ich schluckte. „Tja, ich weiß, dass du das niemals hören wirst, aber das ist okay. Ich... ich hoffe einfach, dass es dir gut geht und den Jungs und dass ihr gesund seid und..." Tränen stiegen wieder in mir auf und ich musste einen kleinen Schluchzer unterdrücken. Meine Stimme zitterte, als ich weiter sprach. „Wir sind heute umgezogen, Dad und ich, nach Florida zu seiner neuen Freundin, Grace... Ich weiß nicht ob du dich noch an Grace erinnerst, sie war auf dem letzten Verlagstreffen von Dad, eine der Inhaberinnen um genau zu sein. Sie hat 6 Söhne von 20 bis 5 Jahren und einige sind nett und 2 von ihnen sind einfach nur unglaublich... abweisend. Wir haben hier Zimmer, das ganze Haus ist wirklich schön, auch deins steht frei, deine Sachen sind größtenteils auch schon da... Ich hoffe, dass ihr bald wiederkommt und... und dann alles wieder so wird wie früher. Gute Nacht...", endete ich und legte auf. Es wird nie wieder alles so wie früher werden. Das war es schon nicht, als der LKW uns entgegenkam... Mein Herz schmerzte und ich rollte mich an dem Kopfende meines Brettes zusammen. Meine Tränen versiegten nach einiger Zeit und eine gähnende Leere machte sich in meinem Kopf breit. Ich dachte einfach an nichts...
Ich wurde von dem Geräusch mehrer Stimmen wachgerissen und sah mich panisch um, bis ich registrierte wo ich war: in meinem neuen Zimmer. Ich war an mein Kopfende gelehnt eingeschlafen... Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr: 22:48 Uhr. Ich verlagerte mein Gewicht auf die Bettkante, ein Stechen fuhr mir meine Seite entlang bis hoch in meinen Nacken. Verfluchte Nerven... Ich ließ meine Kopf kreisen, wodurch meine Knochen knackten und streckte mich anschließend ausgiebig, ehe ich mir mit eine Hand über die Augen rieb. Das Rumoren mehrer Stimmen ertönte wieder... Ich stand auf und verließ leise mein Zimmer. Die Stimmen schienen aus dem Erdgeschoss zu kommen... Ich lief leise zur Treppe und spähte in die untere Etage: Die 5 älteren meiner Stiefbrüder standen in der Eingangshalle. Hayden schien schon zu schlafen... Irgendwie schien mir meine Intuition zu verraten, dass ich sie lieber nicht ansprechen sollte. Auch wenn es eigentlich nicht okay war, duckte mich an die Wand zu meiner Seite und lauschte... „Ich hoffe wirklich du bist bereit, gegen Parker hast du kein leichtes Spiel." Zayn, wenn ich richtig lag... „Natürlich bin ich das." Alex... „Du weißt, dass mehr auf dem Spiel steht als unser Stolz..." „Ja Zayn, verdammt, ich hab's kapiert!", fauchte Alex. Ich hielt die Luft an: Die Anspannung erreichte mich selbst hier oben und eine leichte Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen... Wovon zum Teufel redeten die denn bitte...? „Wir werde uns heute bei Henry aufwärmen, nicht dass wir sie noch aufwecken!" Redeten sie gerade von mir? Ich runzelte leicht die Stirn und lehnte mich ein wenig weiter vor, um ihnen besser lauschen zu können. Mein Herz schlug mir bis zum Hals... „Ich habe eben noch nach ihr gesehen und sie hat tief und fest geschlafen, also entspannt euch...", meinte Jayden. Ich spürte, wie sich meine Hand leicht zur Faust ballte. Soviel zum Thema Privatsphäre... „Du bist auch nicht besser...", flüsterte mir meine innere Stimme zu. Erstens lauschte ich nur und zweitens hatte er mich beim Schlafen beobachtet. Es war also gewissermaßen mein gutes Recht mich zu revanchieren. Auch, wenn sie das vielleicht anders sehen würden... „Sie wird früher oder später sowieso dahinter kommen, schließlich wohnt sie ja hier...", gab jemand anderes zu bedenken. Kadden...? „Nein, wird sie nicht und wenn doch werden wir dieses Problem eben aus dem Weg schaffen. Und jetzt kommt! Um halb geht es los und Alex muss sich noch aufwärmen!" Mit klopfendem Herzen wartet ich, bis ich die Tür ins Schloss fallen hörte, ehe ich ausatmete und meinen Kopf an die Wand sinken ließ. Erst jetzt bemerkte ich das leichte Zittern, welches sich über meinen ganzen Körper gebreitet hatte und atmete aus. Dieses Problem aus dem Weg schaffen... Was sollte das denn bitte heißen und wo wollten sie hin...? So wie das klang waren sie ja im Begriff eine Bank auszurauben. Aber wozu musste Alex sich dann aufwärmen? Das ergab einfach alles keinen Sinn... Ich lauschte noch einige Sekunden, ehe ich mich aufrappelte und wieder in mein Zimmer ging. Ich schloss die Tür, zog den Stecker der Lichterkette und krabbelte glücklicherweise unfallfrei zurück in mein Bett... Trotz der Aufregung siegte irgendwann die Müdigkeit über meine kursierenden Gedanken...

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Ich hoffe mein neues Update gefällt euch.💫

Vermutungen über das Vorhaben der Jungs?

Ich wünsche euch allen noch einen schönen (Sonntag) Abend und frohes Fasching🙃🎊

Moving to a new lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt