Kapitel 16

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Gewidmet: @Gulcin50316

Ich starrte ihm noch einen Augenblick mit zittrigem Atem hinterher, ehe ich mich umwand und mir mit einem Blick auf meine Armbanduhr den Weg durch die Eingangshalle zu den naturwissenschaftlichen Räumen und meinem Spind bahnte. 7:50 Uhr. Noch 10 Minuten... Ich schluckte und lief an der freischwebenden Treppe vorbei, ehe ich den naturwissenschaftlichen Teil des Gebäudes betrat. Im Gegensatz zu der lichtdurchfluteten Eingangshalle wirkte dieser Gang triste und dunkel mit seinen kargen, mit kobaltblauen Spinden zugestellten Wänden und der künstlichen Deckenbeleuchtung. Die Spinde waren in 3 übereinander liegenden Reihen aufgestellt, wobei die oberste Reihe an die Decke stieß. Hoffentlich habe ich keinen in der obersten Reihe... Ich war mit meinen 1,65 m zwar alles andere, als kleinwüchsig, allerdings bezweifelte ich stark, dass ich an einen der oberen Spinde würde reichen können... Ich ging den Gang entlang an lachenden Schülern und geöffneten Spinden vorbei, die Augen immer auf die Spindnummern geheftet. 16, 15, 14... FUUUCK!!! Mein Spind befand sich meiner Befürchtung entsprechend in der obersten Reihe und schien mit einem hämischen Grinsen auf mich hinunter zu blicken. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, Zayn persönlich hatte sich diesen Spind für mich ausgesucht, um mir in aller Deutlichkeit zu verstehen zu geben, dass ich weder in seinem Haus noch in seiner Schule willkommen war. Vielleicht hatte er ja wirklich seine Finger im Spiel: wer konnte schon wissen, wie weit der Einfluss seiner Familie in dieser Schule reichte...? Vielleicht hatte er sich einen Zugang im Computersystem der Schule verschafft und extra die Nummer 13 (!!!) in der GANZ obersten Reihe für mich herausgesucht. Ajax hatte vermutlich mit seinem dämlichen Grinsen in der Visage Schmiere gestanden... Blödes Schicksal!!! „Lass mich raten: Spind in der Obersten Reihe, oder?", drang eine Stimme zu meiner Linken durch das wilde Chaos von Verschwörungstheorien in meinem Kopf. Ich wand mich nach links: Vor mir stand ein Mädchen etwa in meinem Alter mit weizenblondem Haar, tiefgründigen, dunkelbraunen Augen und einer bunt gemusterten Umhängetasche über der Schulter. Ihr Blick war offen und ein kleines Lächeln trat auf ihre Lippen, als ich eine energische Kopfbewegung in Richtung meines Spindes machte. „Die Nummer 13 in der obersten Reihe...", antwortete ich und sah amüsiert dabei zu, wie ihr böser Blick zu meinem Spind hinaufschoss, ehe sie sich die Umhängetasche von der Schulter gleiten ließ und sich breitbeinig mit dem Rücken an die Spindwand stellte. „Ich hab die 16 neben dir. Hoffen wir beide mal, dass du bei den Cheerleadern warst", grinste sie und faltete ihr Hände auf der Höhe ihrer Hüfte. Eine Räuberleiter?! Ihre braunen Augen blitzen, als ich verstand und meine Tasche ebenfalls von der Schulter zu Boden gleiten ließ. Nach einem kleinen Nicken ihrerseits stellte ich meinen linken Fuß in ihre gefalteten Hände und stieß mich mit dem rechten vom Boden ab, während ich mir Halt an ihren Schultern suchte, ehe ich mich nach oben streckte. Tatsächlich kam ich an meinen bisher unverschlossenen Spind und öffnete die kobaltblaue Tür, ehe ich begann meine Bücher für den heutigen Tag herauszusuchen. Irgendjemand hatte in der Vergangenheit wohl einen Crush auf Miley Cirus gehabt, deren Gesicht nun auf unzähligen Stickern an der Innenseite meines Spindes klebten. Toll. Die werde ich hier oben niemals abbekommen. Wie hat die hier überhaupt jemand reingeklebt?! Mein Gleichgewicht geriet immer mehr ins Schwanken, als ich mir das letzte Buch schnappte, meine Spindtür mit einer schnellen Handbewegung ins Schloss schmetterte und von dem inzwischen ächzenden Mädchen unter mir auf den Boden hüpfte, sodass sie einige Schritte nach vorne in mich rein stolperte. „Danke", sagte ich grinsend, während sie unserer Taschen von Boden griff und mir meine reichte. „Brauchst du deine Bücher nicht auch noch?", fragte ich, was sie mit einem kurzen Auflachen und einer wegwerfenden Handbewegung kommentierte. „Ich habe mir die Bücher schon vor den Ferien von meinem Bruder da runterholen lassen und sie jetzt bei mir zu Hause gelagert. So muss ich sie zwar alle mitschleppen, aber was soll's, meine Tasche ist groß genug und ich habe ganz bestimmt keine Lust, jeden Tag irgendeinen notgeilen Typen zu fragen, ob er meine Sachen da runterholt", begann sie zu erklären und mit aufgebrachtem Gesichtsausdruck in Richtung ihres Spindes zu fuchteln. „Am Anfang holen sie dir das Zeug dann da einfach noch runter, aber irgendwann beginnen sie etwas dafür haben zu wollen. Einer hat mal zu mir gemeint, er würde mir so viele Bücher, wie ich möchte da runter holen, solange ich meine Pausen mit ihm verbringe. Auf der Schultoilette. Seitdem habe ich meine Bücher zu Hause liegen und der Typ einen Zahn weniger", plapperte sie weiter und verzog das Gesicht bei dem Gedanken an das Geschehene, was mich unwillkürlich zum Lächeln brachte. Ich mochte ihre quirlige Art auf Anhieb. Irgendwie erinnert sie mich ein wenige an Sam... Nur dass sie nicht ganz so verrückt ist... Bisher. Von den ersten Minuten sollte man sich nie täuschen lassen, wie ich bei meiner besten Freundin am eigenen Leibe erfahren hatte... „ Ein paar Bitches gibt es natürlich immer, die auf so etwas eingehen, aber entweder du hast an dieser Schule einen unglaubliche hilfsbereiten und liebenswürdigen großen Bruder, der dir dein Zeug runter holt, einen Freund oder du darfst jeden Morgen versuchen an den unteren Spindtüren hoch zu klettern, um an deinen Spind zu kommen", endete sie ihre Erklärung mit einem unglücklichen Blick in meine Richtung. „ Was mit anderen Worten heißt, dass du in jedem Fall die Arschkarte gezogen hast: Ich musste meinem Bruder die Fernbedienung einen ganzen Abend lang überlassen, damit er mir mein Zeug da runterholt. Von wegen, große Brüder sind da um einen zu beschützen und einem zu helfen, das ist ein Märchen, das einfach in den meisten Fällen nicht wahr ist: Sie stürzen sich auf jede sich ihnen bietende Chance, um sie zu ihrem Vorteil zu nutzen und dich auszubeuten...", grummelte sie mit einem düsteren Gesichtsausdruck weiter, die Arme resigniert in die Luft werfend. Oh ja, das kannte ich nur zu gut... „Ist das Klettern an Spinden dann hier so eine Art Tradition?", fragte ich und wich zwei sich schubsenden Teenagern aus, die sich mit wilden Beschimpfungen gegen die Spindtüren stießen. Ihrem Wortlaut zu folgen handelte es sich wohl um die Anhänger zweier rivalisierender Footballteams, die sich um das Ansehen ihrer Teams duellierten. Es regne Hirn... „Ja, so kann man es vermutlich nennen, aber ich würde es dir wirklich nicht empfehlen: Es tut unheimlich weh, sich die Finger in den Spindschanieren einzuklemmen...", meinte sie und fuhr sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über ihre unversehrten Fingerkuppen, als hätte sie diesen Schmerz schon hundertfach verspürt... „Du bist neu hier, oder?", fragte sie und zog mich um eine Ecke in einen weiteren Gang voller Türen und Schüler. „Ja, ich bin vergangene Woche hergezogen", beantwortete ihre Frage und lächelte sie unter blonden Locken an, was sie mit einem fetten Grinsen quittierte...  „Naja, dann schätze ich mal: „Willkommen in Charleston...", dröhnte sie, blieb stehen und machte eine allumfassende Geste über den Schulflur mit der Miene eines Millitäroffizieres. Die Massen an Schülern drückten uns von hinten weite den Flur entlang, was die ernste Miene des Mädchens zu meiner Linken ins Wanken brachte und uns beide schließlich in einem Lachkrampf enden ließ: Es sah einfach zu komisch aus, wie sie mit ausgebreiteten Armen und dem ernsten Gesichtsausdruck ungeachtet der anderen weitergedrängt wurde. Als wir uns einigermaßen wieder gefangen hatten streckte sie mir ihre Hand hin. „Ich bin übrigens Brie", meinet sie und legte immer noch grinsend den Kopf schief, als ich meine Hand in ihre legte. „Cat", erwiderte ich ihren leichten Händedruck und grinste sie noch einen Moment an, ehe sie ihre Hand aus meiner löste und meinen Arm packte, um mich im Gedränge des Schulflures nicht zu verlieren... „Was hast du jetzt?", fragte sie mich und drängte sich an einem knutschenden Pärchen vorbei, während ich meine Tasche fester umklammerte. „Bio in Raum 033 bei Mr. Freeman. Du?", fragte ich sie um das anschwellende Getöse im Schulflur hinweg... „Du Glückliche: Ich hab Chemie bei der alten Camber. Ein Albtraum von einer Frau, kann ich dir sagen: alt, streng und zu allem Überfluss auch noch Chemielehrerin. Die Frau ist wirklich der Bezeichnung einer Hexe würdig... Zu allem Überfluss ist sie anscheinend auch noch meine Tutorin für dieses Schuljahr", meinte sie und würgte gespielt. Gott, hoffentlich habe ich die nicht auch... „Hör zu, in der ersten Pause ist ein Treffen der Sanitäter zu dem ich gehen muss, aber wir können uns in der 2. Pause ja an unseren Spinds treffen...", meinte sie mit leicht erhobener Stimme und sah mich an. Anscheinend war ich im Anfreunden gar nicht so schlecht, wie ich dachte. Oder es liegt einfach an der Tatsache, dass sie dich nicht von früher kennt... „Ja, klar...", antwortete ich ihr und schenkte ihr noch ein kleines Lächeln, als die Schulglocke ein zweites Mal ertönte, sie meinen Arm losließ und den Flur weiter hinunter in einen Klassenraum lief...

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 22, 2018 ⏰

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