Kapitel 6

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Als ich die Tür öffne, springt mir schon meine aufgeregte Mutter entgegen. Sie scheint es eilig zu haben. Hmpf. Mir schenkt sie kaum Beachtung, da schon eher der Tüte, welche ich um mein Handgelenk geschlungen hab. Doppel Hmpf. ,,Schätzchen, würdest du wohl so lieb sein, und die Tüte auf die Anrichte stellen?", fragt sie mit ihrer 'ich backe einen Kuchen, also muss ich hysterisch werden' Stimme. Illuminati Hmpf. Da ich keinen Bock dazu habe, ihr zu antworten, stelle ich die Tüte auf die Anrichte und gehe hoch in mein Zimmer. Ich hole mein Handy aus meiner Hosentasche und fahre mit meiner empfindlichen Daumenkuppe, über den Haarfeinen, Daumengroßen Riss im Display. Von ihm, gehen vier weitere Risse, die nicht halb so groß sind, aus. Ich fahre nochmal jeden Riss mit meinem Finger nach, dann erst stecke ich die Kopfhörer in das für sie vorgesehene Loch. Ich drücke auf 'play', doch achte kaum auf die Titel, welche sich jetzt nacheinander von meiner Playlist abspielen werden. Ich schmeiße mich auf mein Bett und kuschel mich in meine überdemensionalen Kissen. Ich brauche jetzt Zeit zum nachdenken. Im anbetracht darauf, was grade passiert ist, bräuchte ich ein halbes Jahrhundert. Mein dunkelblondes Haar liegt so, dass es sich anfühlt, als würde es mein Gesicht umrahmen. Vielleicht sehe ich grad schön aus. Vielleicht auch nicht. Wen juckt das schon. Loui...? Nein! Sowas darf ich einfach nicht denken! Es mag sein, dass er mich grad davor bewahrt hat, in so eine 'Wenn Kinder Kinder kriegen' Sendung zu kommen. Aber das ist noch lange kein Grund gut über dieses Arsch zu denken. Ich brauche jetzt umbedingt Ablenkung. Wie tot rumliegen und nachdenken ist jetzt grad nicht das beste. Also nehme ich mir meine Nikes aus dem Schrank, ziehe sie an und laufe runter zur Tür. Ich rufe noch einmal schnell meiner Mutter: ,,Ich geh joggen!", zu und schon bin ich die einzige Stufe vor unserer Haustür runtergesprungen und fange an zu laufen. Das ganze ohne auch nur einmal die Kopfhörer aus meinen Ohren zu nehmen.

Mittlerweile ist es dunkel geworden und ich laufe im Schein der Straßenlaternen, den letzten halben Kilometer zurück nach hause. Ich sehe wie ein anderer Jogger aus einer Ausfahrt läuft, direkt in meinen Weg. Uns trennen nur noch ein paar Meter, jedoch scheint keiner von uns auch nur im Gerringsten daran zu denken, auszuweichen. Ich werde nicht wie ein Kanickel zur Seite springen. Soll der Idiot sich doch um seine Sicherheit kümmern. Kacke. Wir sind nur noch zwei Meter voneinander entfernt. Ich ahne worauf das hinausläuft. Und ich habe recht. Ich renne volle Kanne in den Unbekannten hinein, der anscheinend nicht mit so einer Kraft meinerseits gerechnet hat und, mit mir als Ballast, auf die Steine aufschlägt. ,,Aua", höre ich, mir eine leider nur zu bekannte Raucherstimme flüstern. Etwa zehn Zentimeter von meinem Ohr enfernt. Ich stütze mich auf meinen Unterarmen hoch und kann in wunderschöne Augen schauen. Verdammt, was hab ich bloß mit seinen Augen?! ,,So sieht man sich wieder.", lächelt er mir ins Gesicht. Ich stehe ganz von ihm auf und klopfe meine Hose sauber. Auch er richtet sich jetzt ganz auf. ,,Öhm... Okay, sorry. Ich geh dann mal.", sage ich verlegen. Verlegen? Warum verdammt nochmal verlegen?! Als ich mich grade wieder zum weggehen wenden will, hält er mich am Ellenbogen zurück. ,,Halt! Ich glaube jetzt bist du mir langsam mal was schuldig...", sagt er mir mit einem Blick, bei dem ich meine Augen nicht von ihm wenden kann. Trotzdem frage ich ihn: ,,Schuldig? Warum das denn?" Er dreht mich wieder ganz zu sich herum und sagt: ,,Naja, erstens hab ich dich vor nichtmal 2 Stunden davor bewahrt so eine 'Teeniemutter' wie diese aus dem Fernsehen zu werden", schön, als wenn ich das nicht selbst schon wüsste, ,,Und zweitens, hast du mich grade umgerannt. Mit der Kraft einer Abrissbirne." Toll. Jetzt fühle ich mich wie so eine billige Nachmache von Miley Cyrus. ,,Pf. Gar nichts schulde ich dir.", sage ich in meinem gewollt bissigem Ton. ,,Ich will doch nur wissen ob du zu der Party kommst, schließlich hab ich darauf immer noch keine Antwort bekommen.", sagt er, mit einem gespielten Schmollmund. ,,Das du UNS das gefragt hast, ist ja auch keine 5 Stunden her. Komm einfach morgen in der Pause nochmal zu uns.", sage ich, weil ich weiß, dass Kathi sich mega darüber freuen wird. ,,Na gut, wenn du mich so gern um dich hast.", sagt er mit seinem hässlichen Macho-Zwinkern, dreht sich um und läuft davon. Fast will ich ihm noch hinterher rufen, dass erst wegen Kathi kommen soll. Doch ich wiederstehe dem Drang und jogge im gemäßigtem Tempo, die letzten Hundert Meter nachhause, in Richtung meines kuscheligen Betts.

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