„Ich will dich nicht verlieren", platzte es aus ihm heraus und er strich Harry die blutverschmierten Haare aus der Stirn. Jetzt war es egal, was erlaubt war und was sich gehörte. Hier ging es vielleicht um Minuten – vielleicht um Stunden, wenn sie Glück hatten. Da war nur noch wichtig, dass sie ehrlich zueinander waren „Ich gebe nicht so schnell auf...ich will leben, Louis...", keuchte Harry und drohte erneut zusammen zu sacken. „Bleib stehen. Wir müssen zurück. Zum Wasser. Hinter dem Wasserfall gibt es eine Höhle. Dort sind wir sicher."
Es war ein Kampf. Ein einziges Stolpern und sie waren so laut, dass sicherlich jedes Tier im Dschungel sie hören konnte, dessen war sich Louis sicher. Äste knackten unter ihren Füßen und Harry stolperte neben ihm her, sodass Louis ihn mehr zog, als stützte. Das Blut sickerte zwischen den Nähten hindurch und durchtränkte nun auch Louis' Kleidung. Sie würden es nicht schaffen. Louis wusste nicht mal genau, ob sie noch in die richtige Richtung liefen. Vielleicht waren sie vollkommen falsch und drangen weiter in den Dschungel vor. Seine Beine brannten und gaben immer wieder nach, doch er zwang sich, weiter zu gehen. Sie durften nicht aufgeben! Die Kehle brannte vor Durst und ihm war schlecht vom Geruch des Blutes, Es schien überall zu sein und sicherlich würde er es bis ans Ende seines Lebens nicht mehr vergessen. Noch immer war es unglaublich warm und die Luftfeuchtigkeit durchtränkte seine Kleidung, machte das Atmen noch schwerer, doch irgendwann erklang das Rauschen des Wasserfalls.
Wasser. Wasser, das man trinken konnte, Wasser womit man Wunden säubern konnte. Wasser war Leben und Leben brauchten sie dringend. „Komm, wir haben es gleich geschafft....gleich sind wir da...nur noch wenige Meter, Harry..."
Der feine Nebel des Wasserfalls benetzte ihre Haut, als sie hinter den Vorhang aus Wasser krochen. Harry blieb an Ort und Stelle liegen, das Gesicht in einer kleinen Pfütze, die sich gebildet hatte und trank einige Schlucke. Louis tat alles weh und ihm war ganz schwindelig von der Anstrengung, doch er durfte sich jetzt keine Pause gönnen. Er musste sich um Harry kümmern und zwar dringend. Trotzdem trank er Wasser aus der hohlen Hand und als er seinen Durst gestillt hatte, krabbelte er zu seinem Begleiter. Sein Hemd nutzte er als Lappen, durchnässte es und tupfte vorsichtig auf die Wunden. „Argh...." - „Es tut mir leid, aber ich muss es säubern....irgendwie..."
Es wurde immer dunkler um sie her und Louis konnte bald nichts mehr sehen. Im Dunkeln war es vollkommen sinnlos, die Wunden säubern zu wollen. Womöglich machte er noch mehr kaputt – wenn es nicht schon zu spät war. Sein Begleiter hatte schon lange kein Geräusch mehr von sich gegeben. Nicht einmal ein Atmen war mehr zu hören.
„Harry...lebst du noch?", wagte Louis zu fragen und Harry gab ein leises Geräusch von sich. „Gott sei dank. Ich passe auf ich auf, hörst du? Wir überstehen diese Nacht und morgen hole ich in aller Frühe Hilfe. Das wird schon. Wir haben doch den Arzt dabei, der kann dich sicher wieder zusammenflicken." Der Arzt, den sie dabei hatten, war nicht sonderlich geübt im Versorgen von Wunden, doch besser als nichts war es allemal. Trotzdem hatte Louis Angst. Die Krallen des Tiers hatten sich so tief in Harrys Fleisch gebohrt, dass es ein Wunder war, dass er überhaupt noch lebte.
Wenn er heute Nacht starb, dann war Louis allein. „Harry. Du darfst nicht sterben, Hörst du?" - „Ich gebe mein Bestes", flüsterte Harry kraftlos. „Ich bin so dankbar, dass ich dir begegnet bin, weißt du das? Nie zuvor habe ich mich so wohl gefühlt", fing Louis an. Wenn Harry heute Nacht sterben sollte, dann musste er versuchen, ihm zu sagen, was er fühlte. Auch wenn es dafür keine Worte gab. Doch zulassen, dass Harry ging, ohne das zu wissen, konnte Louis nicht. „Louis...ich sterbe nicht...nicht heute." - „Und wenn doch?" - „Dann bin ich dankbar für das, was ich hatte." Jedes Wort schien ihm schwer zu fallen und Harry sprach so undeutlich, dass Louis ihn nur schwer verstehen konnte. Das Rauschen des Wasserfalls übertönte so viele Geräusche, dabei wollte er Harrys Stimme doch so lange wie möglich noch hören.
„Ich bin auch so dankbar dafür, was ich hatte. Aber das beste war, dass ich dich kennenlernen durfte. Du hast das vielleicht nie so empfunden, aber in den letzten Wochen bist du für mich sehr wichtig geworden, Harry. Ich werde immer dankbar sein, dass ich dich getroffen habe...du hättest mich mit deinem Leben verteidigt." - „Und du...hast...meines...gerettet..."
Mehr konnte Harry in dieser Nacht nicht sagen. Louis stupste ihn immer wieder an, doch bekam keine Antwort mehr von ihm. Ob er eingeschlafen war, oder der Schmerz ihm das Bewusstsein genommen hatte, konnte Louis nicht ausmachen.
Der Urwald um sie her war unglaublich laut in der Nacht und obwohl er die Natur liebte, hatte er in der Nacht kein Ohr für die schönen Geräusche. Denn etwas, das er noch mehr liebte, als die Natur lag bei ihm in der Höhle und kämpfte mit jedem Atemzug um sein Leben.
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A whole new world
Hayran KurguLouis ist Forscher und mit dem Segelschiff an die Westküste Afrikas gereist um dort im Urwald neue Pflanzen zu entdecken. Vieles ist noch unbekannt, doch Louis ist neugierig. Sein Begleiter, der ehemalige Soldat Harry Styles, soll ihn beschützen - v...