Der Planungsraum befand sich im zweiten Stock des Bergfrieds und nahm fast das halbe Stockwerk ein. Er wurde beherrscht von einem riesigen alten Kartentisch aus harter nordischer Eiche. An den Wänden hingen teilweise von Motten zerfressene Wandteppiche der alten Züge und Bataillone, die hier zu ruhmreicheren Zeiten Dienst getan hatten. Der Tisch war umringt von schweren Stühlen aus dem gleichen Holz wie der Tisch. Obrun hatte einige Soldaten beordert den Raum halbwegs auf Vordermann zu bringen, da er schon sehr lange nicht mehr benutzt worden war. Es hatte in den letzten Jahren nie einen Grund gegeben eine großangelegte Schlachtplanung vorzunehmen. Das einzige Ereignis, was hier drin in letzter Zeit stattgefunden hatte, war ein großes Gelage, aber das war vor Obruns Zeit gewesen. Er stand neben der zweiflügeligen Tür und beobachtete die Soldaten bei der Arbeit. Der rechte Arm war dick verbunden, genau wie sein Bein. Torge stand schräg hinter Obrun und beobachtete Ihn wie er die Soldaten beobachtete. Er hatte den Oberst noch nie so gut gelaunt gesehen, was durch die Tatsache, dass sie gerade wirklich tief in der Scheiße steckten, unerklärlich war.
„Herr Oberst, eine Frage." Obrun drehte sich zu ihm um.
„Schießen sie los, mein Junge." Torge zuckte bei der Anrede zusammen.
Das wurde immer unheimlicher. „Was ist los mit ihnen?", fragte Torge vorsichtig.
Obrun zog eine Augenbraue hoch. „Wie, was ist los mit mir? Mir geht's gut. Mir gings nie besser.", sagte er und lächelte breit.
Torge sah ihn verwundert an und deutete auf seine Verbände. „Angesichts der Lage hier scheint ihre Laune ungerechtfertigt gut zu sein."
Obrun lachte wieder und sah Torge dann ernst an. „Haben sie schon mal in einer richtigen Schlacht gekämpft? Ich meine kein kleines Scharmützel mit Banditen oder irgend so eine Trainingsscheiße. Ich rede von Blut, Gedärmen, das Geschrei der sterbenden, Angstschweiß, Tausende Schwerter, die auf genauso viele Schilde knallen. Wissen sie wie das ist?" Seine Stimme zitterte vor Aufregung.
Torge schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich noch nicht. Wir hatten bei einer Grenzübung ein Scharmützel mit einer Banditengruppe, aber das wars auch schon."
Obrun griff sich mit der Hand an die Brust. „Was haben sie bei dem Kampf mit dem Wandler gefühlt? In der Brust, im Bauch und hier.", er tippte sich mit dem linken Zeigefinger an die Schläfe.
Torge überlegte kurz. „Angst, zugegebener Maßen. Und davon jede Menge.", antwortete er etwas zögerlich.
Der Oberst nickte. „Und weiter? Da war bestimmt noch mehr." Torge lehnte sich an die Wand und sah nach oben in das alte Gebälk des Raumes.
„Ja, Eifer, unglaubliche Energie. Ich habe nicht nachgedacht, als ich Isra angegriffen habe. Ich habe einfach gehandelt, bevor ich darüber nachgedacht habe."
Der Oberst lächelte Torge verschwörerisch an und zeigte auf Ihn. „Und genau das ist es. Diese Energie, die Angst, es ist einfach berauschend. Ich habe da draußen mit den Männern gestanden, habe ihnen Befehle zugebrüllt und auch wenn sie noch so ein disziplinloser Haufen sind, sie haben gegen einen übermächtigen Feind standgehalten und ihn verletzt. Als eines dieser Biester auf mich zustürmte und mir seine Krallen in die Brust rammen wollte, fiel die dritte Reihe Soldaten aus der Formation zurück und warfen sich vor mich. Ich zog mein Schwert und rannte ihm entgegen. Gemeinsam schlugen wir es in die Flucht."
Torge dachte über das nach, was der Oberst sagte. Er glaubte ihn langsam zu verstehen. Er nutzte die bestehende Vertrautheit aus und wagte einen Vorstoß.
„Ihnen fehlt das und deshalb sind sie so ein Arsch, richtig?" Der Oberst blinzelte ihn böse an.
„Sozusagen, Herr Leutnant.", sein Gesicht weichte aber sofort wieder auf.
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Die Festung der Verlorenen
FantasyEine Festung voller ausgestoßener Soldaten kämpft um das Überleben gegen einen vermeintlich unerbittlichen und übermächtigen Feind. Nur sind die Fronten so klar, wie sie zu sein scheinen oder steckt mehr dahinter? Ein junger Leutnant sieht seine Cha...