Torge spürte einen stechenden Schmerz im Nacken, als er von draußen das Horn zur Wachablösung hörte. Er merkte, dass er auf den Tisch gesabbert hatte, als er eingeschlafen war, nachdem er sich den Wein und noch eine halbe Flasche Schnaps in den Kopf geschraubt hatte. Anscheinend war nichts weiter passiert. Plötzlich blies jemand das Horn ein zweites Mal. Torge schreckte auf und lief zum Fenster um die Läden aufzureißen. Der Morgen dämmerte gerade leicht, also war es noch zu früh für den Wachwechsel und den Morgenappell. Aber Torge sah sofort was los war: Schneefall! Und das nicht zu knapp. Dicke weiße Schneeflocken fielen langsam aus dem Himmel und begannen schon die ersten freien Stellen wieder zu bedecken. Er lief zum Bett, zog sich die Stiefel an, griff nach seinem Mantel, den der sich überwarf, steckte die Beschaffungspapiere in die Ledermappe und klemmte sie sich unter den Arm. Er rannte aus seiner Stube und kollidierte fast mit einem Soldaten.
"Sir, es schneit, der Meldereiter wartet." Torge ignorierte ihn und rannte zur Treppe, die er in einem affenzahn herunterhechtete. Er stieß die Tür aus dem Bergfried auf und rannte durch den neuen Schnee zu den Stallungen. Der Schnee dieser Stärke war viel zu früh, das konnte sehr ungünstig werden, wenn die Pässe zuschneiten bevor der Versorgungstrupp die Feste mit neuen Vorräten beliefert hatten. Der Meldereiter war bereits damit beschäftigt sein Pferd mit Vorratstaschen zu beladen um den langen Ritt in den Norden auf sich zu nehmen und das Gebirge zu verlassen. Gut drei Tage dauerte der Ritt durch die Pässe, bis man den Fuß des Gebirges erreicht hatte und schließlich auch die Versorgungsstation der Königlichen Armee.
"Palson!", rief Torge. Der Meldereiter sah sich um und hob zum Gruß die Hand. Palson war ein alter ergrauter und wettergegerbter Mann mit fast 40 Jahren Erfahrung. Bereits im Alter von 8 Jahren war er als Sohn einer Prostituierten und eines Offiziers in die Armee aufgenommen und als Meldejunge eingesetzt. Er hatte ein hervorragendes Gedächtnis für Nachrichten aller Art und war oft dafür eingesetzt worden, Nachrichten mündlich und nicht schriftlich zu überbringen. Die Beschaffungsliste war jedoch zu lang um sie auswendig zu lernen.
Torge hielt die Ledermappe hoch und warf sie noch im Laufen Palson zu, der sie sofort in der Seitentasche des Pferdes verstaute."Paulson, beeilen sie sich. Wenn die Pässe dicht sind, bevor sie durch sind, sitzen sie in der Scheiße."
Palson winkte ab und antwortete mit seiner tiefen Brummstimme. "Jau, keine Sorge, Herr Leutnant. Ich mach das nicht zum ersten mal. In einer Woche bin ich mit den Jungs wieder zurück. Irgendeinen speziellen Wunsch?"
Torge überlegte. "Wenn sie es hinbekommen, können sie eine Kiste alvarischen Tabak besorgen?"
Palson nickte. "Kein Problem."
Er schwang sich auf sein Pferd und gab ihm die Sporen. Das Pferd sprang los und rannte auf das Tor zu, in dem sich in der selben Zeit das kleine zentrale Tor öffnete um dem Reiter den Weg frei zu machen. Nachdem Palson das Tor passiert hatte wurde es wieder geschlossen und verriegelt. Torge sah ihm noch ein paar Sekunden hinterher, bevor er sich aus der Starre löste und wieder zurück zum Bergfried stapfte. Der Schnee wurde immer dichter und die Fackeln erleuchteten nur unzureichend den Innenhof. Als er die Tür zum Fried fast ereicht hatte öffnete sich die Tür von Innen und Isra mit ihren beiden Leibwächtern trat heraus. Torge seufzte, die hatte er fast vergessen.
"Herr Leutnant, was ist los? Warum diese Aufregung?", fragte Isra.
Torge hob die Arme. "Sehen sie sich doch um. Ich glaube sie werden etwas länger hier bleiben müssen. Bei dem Schneefall kommen sie mit ihren Karren nicht rechtzeitig am Bergfuß an. Sie würden unterwegs stecken bleiben und erfrieren."
Isra schüttelte den Kopf. "Wir können nicht länger hier bleiben. Wir haben eine Mission zu erfüllen."
Torge hob beschwichtigend die Hände. "Ich verstehe sie, aber sie können die Mission noch weniger erfüllen, wenn sie zu Eis gefroren in einem Pass verenden, oder?"
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Die Festung der Verlorenen
FantasyEine Festung voller ausgestoßener Soldaten kämpft um das Überleben gegen einen vermeintlich unerbittlichen und übermächtigen Feind. Nur sind die Fronten so klar, wie sie zu sein scheinen oder steckt mehr dahinter? Ein junger Leutnant sieht seine Cha...