Kapitel 4: Leben im Süden

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Im Südosten Oandos, im Lande Dilbor lebten einst einfache Menschen, Fischer und Bauern, Handwerker und Händler. In der Mitte dieses Landes entsprang das Flüsschen Dralevor. Und an diesem Fluss lag die Stadt Ondror. Es war ein gepflegtes kleines Städtchen mit kleinen Plätzen und Gasthäusern, einem Tempel und einem Marktplatz, der etwas außerhalb des Zentrums lag. Dort boten die Händler ihre Waren an, frischen Fisch und gut abgehangenes Wild, Werkzeug und anderes Schmiedeeisernes, Eier, Milch, Wein und Honig. Kurz gesagt, alles was die einfachen Menschen des friedlichen Südens benötigten. Rund um die Quelle des Dralevor gab es einige solcher Städte und Dörfer. Sie ähnelten sich alle mehr oder weniger.
In Ondror lebten drei Freunde. Ihre Namen waren Brendon, Brandur und Tharan. Brendon war der älteste der drei, der mittlere war Brandur und der jüngste hieß Tharan. Seit sie das Laufen lernten verbrachten sie ihre Zeit zusammen, kletterten auf Bäume, spielten Streiche oder angelten im Fluss. Ihr ganzes Leben verbrachten sie nun schon miteinander. Wenn einer eine Arbeit bekam erledigten sie sie zu dritt und teilten das Geld. Oft erledigten sie unbedeutende Handwerksarbeiten oder flickten Boote. Wenn sie dringend Geld brauchten halfen sie auf den Feldern aus oder hielten die Kanäle in Stand. Am liebsten war es ihnen für die Post zu arbeiten. Sie brachten Briefe und Pakete nach Ulvaer und nach Varnor. Die drei reisten gerne. Sie waren gerne unterwegs und abenteuerlustig doch das Leben im Dorf kannte keine Abenteuer. Sie gingen zusammen zum Fischen und jagten auch manchmal ein Reh oder eine Sau im Westen des Dorfes. Zu Abend saßen sie oft nur auf der großen hölzernen Brücke von Ondror oder sie kehrten beim Wirten ‚Zum Flusse’ ein und tranken ein Bier oder einen Wein aus Lidas oder Advoan.
Das Leben im Dorf war sehr überschaubar. Natürlich kannten sie auch andere Leute, doch die lebten oft ein paar Tagesmärsche entfernt in den Dörfern und Städten der Umgebung.
Diese drei also, die praktisch noch grün hinter den Ohren waren wollten nun auf eine Reise gehen. Auf eine lange Reise. Und zwar in die Königsstadt.
In den Fischerdörfern in  dieser Gegend war es Brauch, dass die Väter in Oavar im Tempel oder im Palast arbeiteten. Darum wurden die Kinder von den Müttern und Großeltern großgezogen. Die Söhne mussten sich währenddessen mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen und Geld und Nahrung für ihre Familien besorgen. Denn die Väter blieben oft monatelang fort. Diesen Umstand wollten Brendon, Brandur und Tharan ausnutzen.
Sie hatten oft auf ihren Wanderungen darüber gesprochen, hatten es lange geplant und jahrelang Geld gespart. Zuerst wollten sie auf dem Fluss Dralevor hinaufrudern bis nach Hatrum, von dort aus dann zu Fuß über die Dörfer Thraelion und Itholin bis zum großen Strom Avelor in die Stadt Kredon. Von dort aus konnten sie sich gemütlich über den Fluss bis nach Oavar treiben lassen. Und nun wollten sie bald aufbrechen.
Brendon erledigte noch einige Arbeiten für seinen Onkel Sagrem in Ulvaer. Dabei lauschte er einem Gespräch , dass ihn ein wenig beunruhigte. Fileon, einen älteren Mann aus dem Dorf hörte er sagen: „Habt ihr es noch nicht gehört? Im Bandrun- Wald geht seltsames vor sich. Grauenhafte Viecher kommen aus ihm heraus gekrochen und machen die Ebenen von Bervion und Walorim unsicher. Die Felder der westlichen Öde liegen seitdem brach.“ Darauf antwortete einer: „Ja das hörte ich auch. Die Menschen aus der Stadt Grandol sollen versucht haben sie zu jagen. Dabei soll sogar einer gestorben sein.“ Brendon reiste am nächsten Tag zurück nach Ondror und dachte dabei an die Königsstadt – und an seinen Vater, dem er dort bald begegnen würde.
Brandur verbrachte seine letzten Tage in Varnor. Er besuchte seinen Onkel und verbrachte ein paar gemütliche Tage mit ihm.
Tharan gefiel es, die letzten Tage bei seiner Familie zu bleiben. Ständig musste er sich anhören, dass er aufpassen sollte und dass er doch lieber erst in ein paar Tagen aufbrechen sollte. Doch das störte ihn nicht. Er liebte seine Familie sehr.
Doch bald brach der letzte Tag vor der Abreise an und das Trio traf sich um alles noch einmal durchzugehen und zu besprechen. Dann prüften sie das Boot und trennten sich wieder. Sie packten alles in ihre Taschen und bereiteten sich in Gedanken auf die Reise vor. Sie alle waren lang auf in dieser Nacht. Sie tranken ein paar Biere mit ihren Familien, wünschten sich viel Glück und gaben sich gegenseitig gute Ratschläge. Am nächsten Morgen verabschiedeten sie sich. Es war kein leichter Abschied. Immerhin würden sie monatelang unterwegs sein. Großväter murmelten weise Worte die oft unverständlich waren. Mütter weinten und Großmütter gaben Ratschläge.
Doch schließlich trafen sich Brendon, Brandur und Tharan am kleinen Hafen des Dorfes. Das Boot war bereit.

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