1.)
Orntree erwachte, geweckt durch fahles Licht, das durch morgendlichen Nebel und Rauch der vergangenen Nacht fiel. Das Gras um ihn schien grau, nur ein paar violette Blumen brachten ein wenig Farbe in die Szenerie. Er war nass vom Tau und er fror. Im ersten Moment wusste er nicht wo er war noch warum er hier war. Er setzte sich gerade auf, als ihm alles wieder einfiel. Die Hochmenschen unter Waffen, die brennenden Dörfer, seine Flucht. Die Schriftrolle. Wo hatte er sie noch. Er griff in seine Taschen. Da war sie ja. Er stand vorsichtig auf und versuchte durch die trübe Luft zu blicken. Doch man konnte höchstens zwanzig Meter weit sehen. Also ging er einfach los. Nachdem er ein paar Kilometer weit gekommen war wurde die Sicht besser und bald darauf war der Nabel verschwunden. Weit und breit konnte er keine Menschenseele erblicken. Als die Sonne höher stieg wärmten ihn die spätsommerlichen Sonnenstrahlen und seine Sachen waren auch fast wieder trocken. Zu Mittag wurde es heiß, keine Wolke stand am Himmel. Die Laune des Priesters besserte sich ein wenig aber trotzdem fürchtete er sich vor den Soldaten. Doch den ganzen Tag lang sah er niemanden außer den Vögeln die ihre Lieder sangen. Als es dämmerte suchte sich Orntree eine gute Stelle für sein Nachtlager. Dort breitete er Moos aus und setzte sich darauf nieder. Seine Füße schmerzten, darum zog er seine Schuhe aus und stellte sie neben sich hin. Er hatte Hunger doch er wollte kein Feuer machen um in der Dunkelheit nicht gesehen zu werden. Außerdem würde er morgen die Straße nach Süden erreichen. Dort gab es immer wieder kleine Gasthäuser am Straßenrand oder Händler die Wegzehrung feilboten. Bald wurde es finster und Orntree legte sich auf seinen moosbedeckten Platz und versuchte zu schlafen. Allenthalben gelang ihm das auch. Doch wenn, dann war es ein unruhiger Schlaf, durchbrochen von schlechten Träumen. Immer wieder schreckte er hoch. Doch rund um ihn war es ruhig. Wenn er nicht gleich wieder einschlafen konnte, beobachtete er die Sterne und sprach leise Gebete vor sich hin. So verging die Nacht und schon vor Sonnenaufgang schnappte sich Orntree seine Sachen und brach auf. Der Nebel lag in den Mulden zwischen den kleinen Hügeln. Er war die ganze Zeit abseits der Wege gewandert doch nun musste er wieder auf einen finden. Denn bis zur großen Südstraße war es nicht mehr weit. er schätzte, dass es noch ein paar Stunden Fußmarsch waren. Dann sollte er sich wieder sicherer fühlen können. Also ging er ein wenig weiter nach Süden und bald stieß er auf einen Schotterweg den er nun entlangging. Nach einiger Zeit sah er in der Entfernung zwei Menschen. Sie kamen auf ihn zu. Orntree verließ den Weg und ging ein ganzes Stück in die Hügel hinein. Dann wartete er ab. Als die zwei näher kamen sah er, dass es nur ein Bauer mit seiner Frau war. Er rannte zu ihnen. "Guten Tag die Herrschaften" sagte er. "Guten Tag" antworteten die beiden. "Können wir behilflich sein?" Orntree überlegte, ob er etwas von dem Überfall der Hochmenschen erzählen sollte. Offensichtlich wusste hier noch niemand Bescheid. Doch schließlich fragte er nur:" wie weit ist es denn noch zur Straße?" "Etwas mehr als eine Stunde. Wir kommen gerade von dort. Einfach immer dem Weg folgen." "Danke, einen gesegneten Tag wünsche ich", verabschiedete sich Orntree und ging weiter. Hier oben im Norden verbreiteten sich Nachrichten nicht schnell. Die Leute waren zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt. Doch sie würden es noch früh genug erfahren, dachte der Priester. Zu Mittag war er auf der Südstraße angekommen. Es war eine breite, gepflasterte Straße. Doch hier, wo sie begann war sie in schlechtem Zustand, voller Löcher und bewachsen von allerlei Unkraut. Doch bis hierher hatte Orntree es schon mal geschafft. Nun musste er nur immer weiter nach Süden wandern bis er in Oavar ankam. Dort würde man ihm helfen können. Jemand würde wissen was es mit dieser Schriftrolle auf sich hatte. Und der König würde sicher etwas gegen den Angriff im Norden unternehmen.
2.)
Ein zerlumpter Mann ging auf der großen Straße nach Süden. Er sah aus als hätte er einiges mitgemacht, denn er war in schmutziges und zerschlissenes, hellbraunes Gewand gehüllt. Darüber trug er einen bodenlangen olivgrünen Mantel. Auf dem Kopf trug er eine Mütze aus grauem Stoff und in der Hand hielt er einen Stock, den er offenbar nicht brauchte. Doch er mochte eine gute Stütze auf langen Wegen sein. Er war groß gewachsen und dünn. Sein Gesicht war, obwohl verschmutzt, von edler Natur und fein gezeichnet. Er hatte dünne Lippen und geschwungene Augenbrauen. Er ging seines Weges bis er in eine kleine Ansiedlung kam. Dort setzte er sich auf eine hölzerne Bank neben einer Pferdetränke und ruhte sich aus. Die letzten beiden Nächte hatte er kaum geschlafen. Doch bald stand er wieder auf und tat etwas, dass er in seinem Leben noch nie tun musste. Er bettelte um Geld. Stundenlang stand er am Straßenrand und sprach vorbeikommende Leute an, fragte sie nach ein paar Münzen. Nur wenige gaben ihm etwas. Doch am Ende des Tages hatte er genug Geld zusammen um sich ein Bett für die Nacht leisten zu können. Und ein kleines Mahl sollte sich auch noch ausgehen. Hier gab es keine Gasthöfe doch im nächsten Dorf, sagte man ihm, gäbe es eine Herberge. Also ging er weiter. Es dämmerte schon und bald wurde es dunkel. Es waren kaum noch Menschen auf der Straße. Hin und wieder fuhr ein Ochsengespann an ihm vorbei, beladen mit den geernteten Feldfrüchten des Tages. Doch der Mann achtete nicht auf sie. Und niemand achtete auf ihn. Der Mond ging bereits auf, als er in der Ferne Lichter sah. Das musste das Dorf sein. Es lag auf einem Hügel rechts der Straße. Doch es dauerte noch über eine Stunde bis er endlich in dem Dörfchen angekommen war. Es hieß Èleron und war auf der Hügelkuppe erbaut worden. Rund herum gab es eine Mauer und die Häuser waren aus Stein erbaut. Die Laternen erleuchteten sie ein wenig in der finsteren Nacht. Der Mann ging durch das geöffnete Tor und schritt durch die kleinen Gassen bis er die Herberge fand. Durch die Fenster schienen Lichter und man hörte viele Stimmen im innern. Er öffnete die schwere Holztüre und trat ein. Drinnen wurde gelacht, Bier getrunken, gestritten und gegessen. Dicke Frauen servierten Teller mit Brot und harten Würsten, flitzten mit Bierkrügen zu den Tischen. Der Mann setzte sich an einen freien Tisch. Ihm war ein wenig unbehaglich. Die Sitten in diesen Landen waren ihm fremd und erschienen ihm unzivilisiert. Doch als armer Wanderer, verschmutzt von den Strapazen des langen Weges würde er hier nicht weiter auffallen. "Gesegneten Abend, der Herr. Was darf ich ihnen denn bringen?", sprach ihn eine Frauenstimme von hinten an. Er drehte sich um. "Ein Mahl und einen Krug Bier, danke." Die Frau ging ohne ein weiters Wort hinter die Theke und richtete Brot und Würste auf einem Brett, zapfte einen Krug Bier vom Fass und brachte es dem Fremden. Sie stellte es vor ihm auf den Tisch. "Kommen sie aus der Stadt?", fragte sie, "Sie sehen mir aus wie einer aus Oavar." "Ich bräuchte ein Bett für die Nacht", überhörte er die Frage einfach. "Haben sie noch eines frei?" "Jaja" antwortete die Dicke, nun in einem misslaunischen Singsang. "Macht dann sechs Kupferstücke, alles zusammen. Bezahlen müssen sie beim Hausherren. Danel heißt er, steht hinter der Bar." "Danke", sagte der Mann, doch die Schankfrau sauste bereits zum nächsten Tisch. Er ging bezahlen und machte sich dann über sein Mahl her.
Die Tür ging auf und ein finster dreinblickender Mann ging eilig hinter die Theke. Er erzählte dem Wirten etwas doch der blickte nur ungläubig drein und winkte den Mann ab. Dann wurde er lauter. "Wenn ich es doch sage! Alles niedergebrannt, selbst das Vieh in den Ställen." Viele wurden nun hellhörig und es wurde ruhiger im Raum. Der Fremde hörte nun auch genauer hin und merkte nicht, dass sich die Türe noch einmal öffnete. "Es waren ganz sicher die Hochmenschen. Diese elenden Teufel überqueren die Grenze und legen Feuer, sie haben alle abgeschlachtet." "Darf ich mich setzten?" Der Fremde sah nach oben. Er blickte verdutzt drein als er plötzlich das Gesicht des Mannes sah, den er auf seiner Flucht durch die Hügel gesehen hatte. "Es ist der letzte freie Platz und ich bin kein übler Zeitgenosse." Erst jetzt fiel dem Fremden auf, dass er sein Gegenüber nur anstarrte und ihm keine Antwort gegeben hatte. "Ja natürlich, der Herr. Bitte nehmen sie Platz" "Danke, Orntree heiße ich." "Diese Hochmenschen! Wenn ich von denen einen erwische, verarbeite ich ihn zu Würsten", zischte eine der Schankweiber. "Das würde bei deinen Würsten doch eh keiner merken" rief ein Gast. Wildes Gelächter erfüllte den Raum. "Seid doch ruhig, hört ihr denn nicht? Die Oandrim haben einen Krieg begonnen." Der Priester musterte sein Gegenüber. Das Gerede über die Hochmenschen schien ihm unangenehm. "Und wie heißt ihr wenn ich fragen darf?" Der Fremde schien nervös. "Ähm Arjan, nach meinem Großvater." Doch kaum hatte er es ausgesprochen erkannte er seinen Fehler. "Soso, Arjan. Seltener Name. Soweit ich weiß hauptsächlich gebräuchlich in Verelar." Den Namen flüsterte Orntree. "Jaja meine Vorfahren lebten an der Westseite des Waldes." "Ihr seid hoch gewachsen für einen Menschen", nuschelte der Priester. Er machte eine längere Pause. "Und ihr habt feine Züge, fast wie ein", bevor Orntree seinen Satz beenden konnte spürte er eine Dolchspitze in seiner Magengrube. "Sagt es nicht." "Ihr seid hier unter vielen kräftigen Männern, was wollt ihr tun? Mich hier töten?" "Ich bin hier unter vielen betrunkenen Männern. Ich würde ein dutzend von ihnen töten bevor sie mich kriegen. Doch ihr versteht nicht. Ich will euch nichts böses." "Ach so. Dennoch bedroht ihr mich gerade mit eurem Messer." Der Fremde überlegte und ließ seine Waffe wieder unter seinem Mantel verschwinden. "Seid bitte ruhig. Zumindest bis ich mich euch erklärt habe", sagte er. "Also gut, fangen wir noch mal von vorne an. Wie heißt ihr?" Die zwei lehnten sich in ihren Stühlen zurück und versuchten sich zu beruhigen. Schließlich sagte der Fremde: "Romael. Ich war dabei im Norden, so wie ihr."
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ANDROR: Die Drauol-Bücher
FantasyDie Spuren des Krieges sind überall sichtbar. Zerstörte Höfe und Dörfer wohin man auch blickt. Die Städte liegen in Trümmern.Und diese hartnäckigen Leute folgen mir noch immer. Dalosias war nicht sicher. Nun wandere ich weiter nach Westen, durch die...