10 - Energie wofür?

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Manus Sicht

"Das ist lieb von dir", wisperte ich und sah zu Boden. Patrick hatte keine Ahnung, dass er der Grund für mein Verhalten war, und dass ich seinetwegen so still war. Was er wohl tun würde, wenn er es wüsste?
"Ich hab dich heute gar nicht auf dem Heimweg gesehen", sagte ich, um vom Thema abzulenken. Patrick nickte: "Ja, genau. Ich war nach der Schule mit Emily in der Stadt und komme auch gerade von dort." Er lächelte.
"Ah", erwiderte ich, "Okay." Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich verletzte, dass er mit Emily unterwegs war. Er durfte nichts davon mitbekommen, schließlich hatte ich keine gute Ausrede für meine Laune. Ich konnte es ihm nicht vorwerfen.
"Und du?", fragte er, "Was hast du nach der Schule gemacht?"
"Ach, nur.. n-nur gegessen und.. Frieda gestreichelt", erklärte ich.
Stille. Wir schwiegen uns an und wichen unseren Blicken gegenseitig aus, aber vielleicht kam es mir auch nur so vor. Fakt war, ich tat es. Ich wollte ihn nicht ansehen.

"Wollen wir anfangen?", durchbrach Patrick die Stille. Sofort nickte ich, setzte mich an meinen Schreibtisch und holte ein paar Chemie Zettel heraus. Ich spürte, wie Patrick hinter mir stand und über meinen Kopf hinweg auf meine Zettel schielte. Er stützte sich mit seiner Hand auf der Lehne meines Schreibtischstuhles und legte seinen Kopf leicht schräg.
"Das ist doch ein... so ein Diagramm, wie heißt es nochmal?", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Ein Ionisierungsenergie Diagramm", lächelte ich und drehte meinen Kopf so, dass ich zu ihm hoch schauen konnte. Seine Haare sahen von unten um einiges fluffiger und weicher aus, als wenn ich ihn von vorne ansah. Seine Wimpern waren lang und dunkel, sie waren wunderschön und eigneten sich perfekt dafür, seine dunklen Augen zu umranden.
"Genau", erwiderte er. Mein Blick fiel auf seine weichen Lippen. Wie schön er sie formte, wenn er sprach. "Und das zeigt an,... wie viel Energie aufgewendet werden muss, richtig?", er sah mich an.
Sofort blinzelte ich meine Gedanken beiseite und sah wieder zu den Zetteln: "Energie wofür?", hakte ich nach.
"Um... war das nicht, um... Die äußere Schale zu füllen? ... Oder so?"
Ein sanftes Lächeln erschien auf meinen Lippen, ich nickte sachte: "So ungefähr"

Also erklärte ich ihm bis ins kleinste Detail, was genau ein Ionisierungsenergie Diagramm zeigte, und wie es aufgebaut war. Weshalb zwischen dem zweiten und dritten Elektron ein so großer Sprung war, und weshalb zwischen dem Zehnten und Elften ein noch Größerer war. Und Patrick schien es zu verstehen. Mein Finger fuhr rasend schnell über die Zettel, während meine Blicke immer wieder zu Patrick glitten und sich an seinen wunderschönen Augen aufhingen. Ich hatte das Gefühl, er hatte Spaß an der Nachhilfe, und als würde er wirklich versuchen, sich zu konzentrieren und mir zu folgen.

Lächelnd sah er zu mir und antwortete auf die Fragen, die ich gestellt hatte. Auch, wenn nicht alles hundert prozentig richtig war und er des öffteren Atome und Teilchen verwechselte, schien er Bescheid zu wissen. Ich war sicher, er verstand, was er da sagte. Und das war ein enormer Fortschritt für ihn und mich.

"Was? Es ist ja gleich schon um um sechs. Wollten wir nicht um 17 Uhr Schluss machen?", grinste Patrick und löste sich von der Lehne, an welcher er sich festhielt. Leicht enttäuscht zuckte ich die Schultern und drehte ich mich zu dem Braunhaarigen: "Schlimm?" Als Antwort schüttelte er bloß den Kopf, lächelte mich sanft an und verließ mein Zimmer, um seine Schuhe anzuziehen.
Leise folgte ich ihm und sah ihm dabei zu, wie er seine Jacke und Schuhe anzog und seine Haare danach schnell im Spiegel richtete. "Dann... Bis morgen?", sagte er, als er seine Hand schon an meiner Türklinke liegen hatte. "Ja, ja okay. Bis morgen", sagte ich und streckte meine Hand in die Luft, um zu winken. Patrick öffnete die Tür, verließ die Wohnung mit einem leichten Lächeln, und zog die Tür dann hinter sich zu.

Seufzend schlug ich meine Zimmertür zu und ließ mich neben Frieda aufs Bett fallen. Sie sah mich verwundert und erschrocken an, ehe sie ihren Kopf wieder senkte und ihre kleinen Augen schloss. "Ach man", flüsterte ich ihr zu, "Das ist doch scheiße."

(...)

"Moment, wieso benutze ich denn jetzt die pq-Formel?", unterbrach Patrick mich, als ich ihm gerade versuchte, bei Mathe zu helfen. Es war Donnerstag, unsere zweite Nachhilfe Stunde. Allerdings war diese anders, ganz anders. Ich war verunsichert und eingeschüchtert, etwas falsch zu machen. Ich hatte Angst, etwas zu sagen oder zu tun, was ihn dazu bringt, mich nicht mehr zu mögen, falls er das überhaupt irgendwann mal tat. Wer weiß, ob er mich wirklich mochte oder die Nachhilfestunden bloß über sich ergehen ließ? ||

Halli Hallo! Wie geht es euch? Und wie war der Part? Hihi :3

secrets || KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt