Kapitel 14
Fassungslos starrte er über die Brüstung und sah in die Tiefe hinunter. Von seinem Handy war vermutlich nicht mehr viel übrig. Immerhin befanden sie sich hier oben im zwanzigsten Stock.
„Oh. Nein. Das wollte ich nicht. Das tut mir so leid. Ich-"
Aufgebracht drehte er sich herum.
„Was sollte das gerade? Kannst du mir mal verraten, woher ..."
Doch mitten im Satz brach er ab und sah zur Balkontür. Stand der die ganze Zeit schon da?
„Ärger im Paradies?"
Lässig stand Jon mit verschränkten Armen an den Türrahmen gelehnt und sah schief grinsend zu ihnen herüber.
„Nein. Kein Ärger", zischte Celina und sah etwas nervös zu ihm herüber.
Bevor er allerdings etwas dazu sagen konnte, drückte sich Jon schon von dem Türrahmen ab, zwinkerte Celina zu und drehte sich herum.
„Du weißt ja, wo du mich findest, wenn du den Kleinen da satthast."
Die beiden sahen ihm hinterher und, als er wieder in der Menge verschwunden war, wandte sich Celina wieder an ihn. Mit großen Augen sah sie ihn an und legte ihre Hände auf seine Arme.
„Ich wollte das nicht. Das tut mir so leid. Jon hat gesehen, wie du auf den Balkon gelaufen bist und mich danach die ganze Zeit verfolgt. Willst du mein Handy haben? Du hast gerade mit Marinette telefoniert oder?"
Hektisch zog sie ihr Smartphone aus ihrer kleinen Tasche heraus und hielt es ihm entgegen.
Seufzend drehte sich Adrien wieder herum, legte seine Arme auf die Brüstung und ließ sein Kopf hängen.
„Ich weiß ihre Nummer nicht auswendig ... Sie hat gehört, dass du mich Darling genannt hast."
Stöhnend raufte er sich die Haare und blickte erneut herunter.
„Aber sie weiß doch, dass du mir nur hilfst."
„Ich hab es ihr nicht erzählt", murmelte er kleinlaut und blickte sie danach wieder an, „Hast du irgendwo das Foto, das du von uns gemacht hast gepostet?"
„Du hast es ihr nicht erzählt? ... Ja, warum? Ich wollte doch, dass es glaubhaft ist. Jon stalkt ständig meine Medienseiten. Warte, sie hat das Foto gesehen?"
„Ja."
„Das wusste ich doch nicht. Ich dachte, du würdest es ihr erzählen."
„Ich wollte es ihr ja auch erzählen, aber erst, wenn ich zu Hause bin."
Verwundert sah sie ihn an und steckte danach ihr Handy zurück in ihre Tasche.
„Warum das?"
„Na weil ... Ich wollte nicht, dass sie ... Sie sollte doch nicht. Ach das ist kompliziert."
Stöhnend begann er auf und ab zu laufen und überlegte krampfhaft, wie er das wieder geradebiegen konnte. Nun war genau das passiert, warum er es ihr eigentlich noch nicht erzählen wollte.
„Komm, wir gehen dein Handy suchen. Vielleicht hast du ja Glück und du kannst die SIM-Karte noch retten. Dann kannst du es kurz in mein Handy packen."
Nickend stimmte er ihr zu und folgte ihr wieder hinein und so steuerten sie den Ausgang an.
Er hatte keine große Hoffnung, dass da noch etwas zu retten war. Es war durch den Aufprall mit Sicherheit in tausend Teile zersplittert.
„Adrien? Hallo?"
Mit großen Augen sah Marinette auf ihr Handy. Nachdem sie nur noch ein Rauschen gehört hatte, war es plötzlich ganz weg. Hatte er etwa aufgelegt?
„Hey, was stehst du denn hier, wie angewurzelt, auf der Treppe? Hast du ihn erreicht?"
Langsam drehte sie ihren Kopf zu Alya und sah ihre Freundin entgeistert hat.
„Ja. Schon. Aber ..."
Mit bebenden Lippen sah sie ihre Freundin an. War das gerade wirklich passiert?
„Aber? Alles in Ordnung? Du bist ja total durch den Wind. Was ist passiert?"
Verwirrt sah sie zwischen Alya und ihrem Handy hin und her. Das war mit Sicherheit diese Celina im Hintergrund. Sie waren also tatsächlich heute Abend zusammen. Und sie hatte ihn Darling genannt. Warum nannte sie ihn Darling? Hieß das also?
„Aber? Hey Mari. Was ist los?"
„Er hat einfach aufgelegt ... Und er war bei Celina."
Wütend klammerte sie ihre Finger um ihr Smartphone. Von wegen er vermisste sie.
„Das glaub ich nicht. Komm, gib mal her."
Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, griff Alya nach ihrem Handy und rief offenbar bei ihm an.
„Nur die Mailbox."
„Siehst du. Er hat aufgelegt und nun sein Handy ausgemacht."
Aufgebracht schnaufte sie aus, und wollte gerade weiter die Treppe herunterlaufen, als sich auf ein Mal alles um sie herum begann zu drehen. Sie hatte das Gefühl den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Was war das?
„Marinette!", drang dumpf die Stimme ihrer Freundin in ihre Ohren und keine Sekunde später sackten ihr auch schon die Beine weg. Torkelnd fiel sie in die Arme ihrer Freundin.
„Was ist los?"
„Ich ... mir ist ..."
Sie spürte, wie Alya ihre Hand auf ihre Stirn legte, und augenblicklich den Druck um ihren Körper verstärkte.
„Mein Gott. Du glühst ja. Du gehörst sofort ins Bett."
Hinlegen war vermutlich wirklich keine schlechte Idee. Kurz schloss sie ihre Augen. Sie fühlte sich miserabel. Ihr war so heiß und gleichzeitig so kalt. Diese dämliche Erkältung. Sie hatte das Gefühl auf einem Karussell zu sitzen und in ihrem Kopf klopften unzählige kleine Hämmerchen. Schwer atmete sie ein und wieder aus und versuchte dieses dämliche Schwindelgefühl loszuwerden. Das konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen. Tief atmete sie ein, öffnete wieder ihre Lider und sah Alya an, die sich plötzlich aufgeregt umsah. Suchte sie etwa etwas?
„Lass uns zusehen, dass wir dich nach Hause bringen", sagte sie nur kurz und knapp und ging mit ihr langsam die Treppe herunter.
„Dafür, dass du nichts auf den Rippen hast, bist du ganz schön schwer ... Wo steckt denn nur Nino, wenn man ihn mal braucht", murmelte ihre Freundin leise, stieg mit ihr weiter die Treppe hinunter und schielte über ihre Schulter zurück. Offenbar hatte sie gefunden, wonach sie suchte, da sie leise erleichtert ausatmete.
„Nathaniel", rief sie die Treppe rauf, „Ich brauch Hilfe. Marinette muss sofort nach Hause."
Rasch lief er die Stufen herunter zu ihnen und sah mit großen Augen zwischen ihr und Alya hin und her.
„Marinette hat Fieber. Kannst du mir helfen, sie nach Hause zu bringen?"
„Ja. Natürlich."
Ohne weitere Worte legte Nathaniel seinen Arm um sie herum und so gingen die beiden mit ihr weiter.
„Das ist wirklich nicht nötig. Ich schaff das schon alleine."
„Ja, deswegen bist du auch gerade beinahe die Treppe heruntergefallen. Deine Eltern sind schon losgefahren oder."
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und laut seufzte ihre Freundin aus.
„Du bist also ganz alleine."
„Mhm. Ganz alleine", antwortete sie leise und musste dadurch unweigerlich an Adrien denken.
War er jetzt etwa mit dieser Celina zusammen oder was hatte die ganze Sache zu bedeuten? Blieb er nachher für immer in New York? Doch dann sah sie verwundert Alya an, die nervös ihr Handy aus der Hosentasche zog und auf das Display starrte. Seufzend blieb Marinette stehen und löste sich von ihrer Freundin und Nathaniel. Sie kannte diesen Blick gut genug.
„Akuma?", fragte sie daher direkt heraus, da die beiden ohnehin bescheid wussten, woraufhin Alya nervös ihr Handy zurück in die Tasche streckte.
„Ja ... Aber du kannst doch so nicht kämpfen. Du kannst dich doch kaum auf den Beinen halten.
„Ich hab doch keine andere Wahl."
Wortlos drückte sie Alya ihre Schultasche in die Hände und rannte, den Schwindel ignorierend los.
„Marinette. Nicht", rief ihr Alya noch hinterher, doch sie blieb nicht stehen und rannte weiter in Richtung der Toiletten, damit sie sich verwandeln konnte.
DU LIEST GERADE
Ende gut, alles gut? [Miraculous]
FanfictionFortsetzung von "So nah und doch so fern"