Kapitel 17
Kurz sah sie noch zur Dachluke herauf, doch dann streckte sie gähnend alle viere von sich.
„Wie geht es dir?"
Lächelnd richtete sie sich auf und rutschte zur Bettkante herüber.
„Mir geht es schon viel besser. Danke. Das Schlafen hat wirklich geholfen."
„Und ein gewisser Junge hat nicht zufällig auch etwas damit zu tun?"
Grinsend schwebte Tikki neben ihr und beobachtete sie genau.
„Ja, vielleicht ein wenig."
Lächelnd stupste sie ihrer kleinen Freundin gegen den Bauch, was diese kichern ließ, und stand auf. Langsam schlurfte sie zu der kleinen Treppe herüber und stieg eine Stufe nach der anderen herunter. Sie konnte es immer noch nicht glauben, Adrien war wirklich wieder da. Wieder hier in Paris. Doch wie lange? Sie war einfach viel zu erschöpft gewesen, um weiter nachzufragen. Nachdenklich blieb sie auf der letzten Stufe stehen, sah an sich herunter und betrachtete das kleine Medaillon um ihren Hals. Sagte er auch wirklich die Wahrheit?
„Alles in Ordnung? Ist dir wieder schwindelig?"
„Nein. Alles gut. Ich habe nur gerade überlegt ... Glaubst du, er sagt die Wahrheit?"
Fragend kippte Tikki ihren Kopf zur Seite.
„Meinst du, wegen der Sache mit Celina?"
Nickend ging sie weiter.
„Also ich weiß ja nicht, was Adrien dir gesagt hat, aber ich glaube nicht, dass er lügt. Und nachdem, was Plagg so erzählt hat, brauchst du wir wirklich keine Sorgen zu machen ... Allerdings ..."
Stutzig blieb Marinette stehen und sah Tikki nun wieder direkt an.
„Allerdings?"
„Plagg traut ihr nicht. Dass sie nun auch in Paris ist, macht die Sache nicht besser."
Mit großen Augen starrte sie ihren Kwami an. Celina war mit in Paris? Warum hatte Adrien ihr das nicht gesagt? Warum hatte er ihr schon wieder etwas verschwiegen? Gut, sie hatten zwar noch überhaupt nicht über die ganzen Umstände, warum er wieder in Paris war, gesprochen, aber das kleine Detail, wenn er schon über Celina gesprochen hatte, hätte er ruhig erwähnen können.
Die Türklingel holte sie jedoch wieder aus ihren Gedanken und so lief sie, so schnell es ihr möglich war, zur Tür. Das war mit Sicherheit Alya.
Abgehetzt landete Adrien in seinem Zimmer, rannte zu seiner Tür, entriegelte diese und verwandelte sich zurück. Gerade rechtzeitig, denn keine Sekunde später klopfte es auch schon. Mit großen Schritten eilte er zu seinem Bett, warf sich hinein und zog seine Bettdecke bis zum Hals hinauf. Er konnte hören, wie die Tür geöffnet wurde und jemand das Zimmer betrat.
„Adrien?"
„J-ja", stöhnte er und tat so, als ob er gerade wach wurde.
„Das Frühstück ist fertig. Dein Vater möchte, dass du zu ihm herunterkommst."
„Komme gleich."
Schritte ertönten und die Tür wurde wieder geschlossen. Laut ausatmend richtete er sich wieder auf und schlug die Decke beiseite. Das war knapp. Aber seit wann aß sein Vater mit ihm zusammen? Sonst interessierte es ihn doch auch nicht. Aber vielleicht konnte er so immerhin versuchen zu fragen, da heute keine Shootings anstanden, dass er wenigstes zu Marinette konnte.
„Wehe du vergisst meinen Käse!"
„Ja, ja."
Gähnend schwang er seine Beine über die Bettkante und hüpfte heraus. Das würde heute ein langer Tag werden. Er hatte Marinette keine Sekunde, als sie geschlafen hatte, aus den Augen gelassen und somit selbst kein Auge zugetan. Aber das war egal. Hauptsache er konnte bei ihr sein.
Rasch rannte er in sein Badezimmer herüber, hielt sein Gesicht kurz unter kaltes Wasser und trocknete es flink ab. Das musste erst mal reichen. Ohne Zeit zu verlieren, verließ er wieder das Badezimmer und steuerte sofort die Zimmertür an. Wenn er seinen Vater fragen wollte, ob er heute den Tag bei Marinette verbringen durfte, wollte er ihn in keinster Weise verärgern und so eilte er aus seinem Zimmer heraus. Er wollte gerade die Treppe ansteuern, als er irritiert stehenblieb.
„Guten Morgen Adrien."
Lächelnd winkte ihm Celina von der Treppe aus zu.
„G-guten Morgen?"
Fragend blickte er sie an. Kam sie etwa gerade aus Richtung der Gästezimmer? Warum kam sie aus dessen Richtung? Warum war sie zu dieser Tageszeit überhaupt schon hier?
„Gehst du auch gerade zum Frühstück?"
Nickend ging er auf die Treppe zu und ging dann mit ihr zusammen die Stufen herunter.
„Ja. Ähm. Hab ich was verpasst? Was machst du denn so früh schon hier?"
„Unsere Väter haben sich gestern Abend noch so lange unterhalten, dass Gabriel uns angeboten hat, damit wir so spät nicht noch ins Hotel fahren müssen, uns einfach hier einzuquartieren. Und daraus wurde dann, dass wir nun für die gesamte Zeit hier wohnen werden. Hast du alles verschlafen."
Mit heruntergeklappter Kinnlade blieb er stehen und starrte Celina an, wie sie schulterzuckend an ihm vorbei lief.
„Tja, sieht wohl so aus, als würden wir uns jetzt noch des Öfteren in der Zeit über den Weg laufen."
Summend tänzelte sie weiter die Treppe herunter und schien ihn nicht weiter zu beachten.
Hatte er das gerade richtig gehört? Sie wohnten jetzt für die Zeit, in der sie hier waren, bei ihnen? Hatte Celina ihren Vater gerade Gabriel genannt?
„Willst du da Wurzeln schlagen, oder kommst du mit frühstücken?", riss Celina ihn aber wieder aus den Gedanken heraus.
Dadurch bemerkte er erst, dass sie schon unten am Treppenansatz stand. Sofort nahm er wieder seine Beine in die Hand und eilte herunter. Wie sollte er Marinette nur sagen, dass sie nun hier wohnten. Er hatte ihr ja noch nicht ein Mal erzählt, dass Celina mit in Paris war. Eigentlich wäre die ganze Situation ja gar nicht so schlimm. Aber durch das ganze Missverständnis in New York wollte er gar nicht daran denken, was sie nun dazu sagen würde.
Seufzend betrat er mit Celina das Esszimmer und schon zum zweiten Mal klappte ihm heute, und der Tag hatte gerade erst angefangen, die Kinnlade herunter. Sein Vater saß mit Celinas Eltern und Nathalie am Tisch, plauderten lauthals und schienen sich köstlich zu amüsieren. So kannte er seinen Vater überhaupt nicht. Normalerweise sah man ihn nicht mal wirklich lächeln und er war immer todernst.
„Adrien, Celina kommt, setzt euch zu uns", rief er zu ihnen herüber und winkte sie heran.
„Ja, Vater."
Immer noch total verwirrt von der ganzen Situation, steuerte er schweigend einen Stuhl an und nahm Platz. Nachdenklich beobachtete er seinen Vater. So fröhlich hatte er ihn schon lange nicht mehr gesehen. Eigentlich, seitdem seine Mutter verschwunden war.
„Was sagt ihr?"
Erschrocken zuckte er kurz zusammen. Er war so in seinen Gedanken vertieft, dass er gar nichts mehr mitbekommen hatte.
„Wozu?"
„Dein Vater und meine Eltern wollen mit uns ein wenig durch Paris. Da wir so lange nicht hier waren", erklärte Celina und erwartungsvoll blickten alle zu ihm.
Er hatte wenig Lust dazu. Er wollte zu Marinette und nicht durch Paris latschen. Ob es ein guter Zeitpunkt war jetzt zu fragen? Allerdings hatte sein Vater gerade gute Laune, eine bessere Chance zu fragen bekam er mit Sicherheit nicht.
„Also, ehrlich gesagt ..."
Nervös kratze er sich an seinem Kopf und blickte danach seinen Vater direkt an. Jetzt oder nie.
„Wir haben ja keine Termine und ... Ich würde gerne zu Marinette. Wir haben uns so lange nicht gesehen und Paris ist jetzt nicht wirklich spannend für mich."
Er konnte sehen, wie sich die Miene seines Vaters begann zu verziehen und seine Mundwinkel herunterrutschten. Schwer musste er schlucken. Es durfte sich vermutlich nur noch um Sekunden handeln, bis sein Vater ihm eine Ansage machte. Bevor er aber überhaupt etwas sagen konnte, klopfte ihm Celinas Vater plötzlich lachend auf die Schulter.
„Ach. Die Jugend. Lass den Jungen ruhig."
Wieder lächelnd schaute sein Vater zu seinem Freund, doch mit einem Mal drehte er sich wieder zu ihm. Wie er ihn ansah, gefiel ihm gar nicht.
„Na dann geh mal zu Marinette. Macht euch einen schönen Tag."
„O-okay ... Danke Vater."
Damit hätte er nun überhaupt nicht gerechnet. Erleichtert wollte er gerade ausatmen, als sein Vater sich noch mal an ihn wandte.
„Warum nimmst du Celina nicht einfach mit? Alleine mit uns, langweilt sie sich doch nur."
„Was? Aber?"
War das sein ernst? Er konnte Celina doch nicht mit zu Marinette nehmen.
„Das ist wirklich nicht nötig. Ich komme gerne mit euch mit."
Wild wedelte Celina mit ihren Armen und blickte abwechseln zu ihm und seinen Vater.
„So ein Quatsch. Mit uns langweilst du dich doch nur. Wir setzen euch bei ihr ab und holen euch dann einfach, wenn wir fertig sind, wieder ab."
„Aber-"
Doch sein Vater ließ ihn gar nicht mehr zu Wort kommen. Angeregt plante er mit seinem Freund und Celinas Mutter den Tag. Lachend standen sie dazu auf und verließen den Raum.
„Hier."
Lächelnd überreichte ihr Alya einen heißen Tee und setzte sich neben sie auf das Sofa.
„Danke. Du musst aber wirklich nicht die ganze Zeit hier sein. Mir geht es schon viel besser. Ehrlich."
„Mach dir da mal keinen Kopf drum. Aber nun erzähl doch mal. Adrien ist also wieder da ja?
Sie wollte gerade antworten, als es plötzlich an der Haustür klingelte.
„Erwartest du jemanden?"
Schulterzuckend sah sie ihre Freundin an und wollte gerade aufstehen, als Alya auch schon aufsprang und zur Tür lief. Wer konnte das sein? Nathaniel? Adrien würde vermutlich nicht vor heute Abend kommen. Somit fiel er schon mal aus.
„Na, wenn man vom Teufel spricht", drang die Stimme ihrer Freundin in ihre Ohren und neugierig streckte sie ihren Kopf in Richtung der Tür.
„Hallo Alya. Können wir reinkommen?", ertönte eine weitere Stimme und sofort huschte ihr ein Lächeln über das Gesicht. Adrien. Doch dann stutzte sie. Wir? Mit großen Augen blickte sie auf Adrien, der mit einem Mädchen die Wohnung betrat. Ihr wäre beinahe die Teetasse aus der Hand gerutscht. Das war doch diese Celina. Warum brachte er sie mit hier her? Unfähig irgendetwas zusagen, starrte sie die beiden einfach nur an.
„Tut mir leid, wenn wir hier so hereinplatzen. Ich hab ja noch kein neues Handy und-"
„Hey. Ich bin Celina. Schön dich endlich kennenzulernen."
Lächelnd ging das Mädchen an Adrien vorbei, schüttelte ihr schwungvoll ihre Hand und ging wieder einen Schritt zurück.
„Tut mir leid, dass ich hier nun einfach so mit auftauche. Gabriel hielt es für eine gute Idee und hat uns gar keine andere Wahl gelassen."
Immer noch mit großen Augen sah sie zwischen ihr und Adrien, der nur verlegen seine Hände ineinander knetete, hin und her. Gabriel? Sie durfte seinen Vater Gabriel nennen?
Peinliche Stille breitete sich aus und keiner schien so recht zu wissen, was er nun sagen sollte, bis sich Alya schließlich räusperte.
„Du musst dir den Balkon von Marinette ansehen. Von dort hat man einen super Ausblick auf die Stadt."
Ohne auf eine Antwort seitens Celina zu warten, griff Alya nach ihrem Handgelenk und zog sie die Treppe herauf.
Kurz blickten sie den beiden noch hinterher, bis sie sich ein leises Seufzen nicht verkneifen konnte. Unsicher klammerte sie ihre Finger um die Tasse.
„Es tut mir leid. Ich wollte sie nicht mitbringen."
Langsam trat er auf sie zu und setzte sich neben sie. Er wollte seine Hand auf ihre Schulter legen, doch ruckartig rutschte sie von ihm weg.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie mit in Paris ist?"
„Ich wollte es dir heute in Ruhe erzählen. Dir ging es nicht gut und du solltest dich doch ausruhen."
Schwer atmete sie ein, drehte ihre Tasse in ihren Händen herum und hielt ihren Kopf gesenkt.
„Schon wieder hast du mir nicht gleich die Wahrheit gesagt. Wir müssen uns doch vertrauen können."
„Ich hätte es dir gleich sagen sollen. Das weiß ich jetzt auch. Es tut mir leid ... Wenn wir dabei sind. Da gibt es noch etwas, was ich dir sagen muss ..."
Stirnrunzelnd blickte sie jetzt doch wieder auf und sah ihn nun direkt an. Hatte er in Bezug auf Celina doch nicht die ganze Wahrheit gesagt? Für einen kleinen Moment rutschte ihr das Herz in die Hose, aber wenn es so war, dann wollte sie es jetzt auch wissen. Angespannt stellte sie ihre Tasse auf den kleinen Couchtisch und begann ihn zu fixieren.
„Das wäre?"
„Naja Celina und ihre Eltern wohnen in der Zeit, wo sie hier sind, bei uns."
„Das war alles?"
Verwirrt kratzte er sich an seinen Kopf und legte seinen Kopf etwas schief.
„Ähm ja?"
Erleichtert ließ sie sich gegen die Sofalehne fallen und schüttelte ihren Kopf. Gut, sie war nicht begeistert, dass sie sich dadurch ständig sehen würden, da sie auch die Aussage von Plagg beunruhigte, aber sie hatte jetzt wirklich mit etwas anderem gerechnet. Doch dann verzog sich ihre Miene wieder.
„Ich wusste es, bis heute Morgen selbst nicht", murmelte Adrien und unsicher sah er zu ihr herüber.
„Naja, wenn eure Väter befreundet sind, ist es ja eigentlich nicht verwunderlich, dass sie bei euch wohnen ... Celina versteht sich gut mit deinem Vater oder?"
Schulterzuckend ließ er sich nun auch gegen die Lehne fallen und blickte zur Decke hinauf.
„Keine Ahnung. Ich verstehe meinen Vater gerade ohnehin nicht. Ich meine, er hat nie Zeit für mich, für seinen eigenen Sohn. Und jetzt? Nun macht er einfach so einen Stadtbummel. Dafür hat er auf ein Mal Zeit."
Langsam rutschte sie zu ihm herüber, legte ihre Hand auf seine, wodurch er wieder zu ihr sah und kuschelte sich an ihn heran. Er hatte es wirklich nicht einfach mit seinem Vater.
„Egal. Lass uns nicht weiter über meinen Vater sprechen. Wie geht es dir?"
Sanft strich er ihr über ihre Stirn und musterte sie besorgt.
„Schon viel besser."
Stimmen aus Richtung ihres Zimmers ließ sie sich aber schnell wieder aufrichten.
„Am Besten ihr geht jetzt."
„Aber?"
„Ich möchte noch etwas schlafen. Wer weiß, wann der nächste Angriff ist. Hawk Moth lässt schon ein wenig auf sich warten. Und da du ja gerade einen Anhängsel hast, kannst du dich ja kaum verwandeln, wenn es so weit ist. Außerdem hab ich nicht unbedingt Lust darauf, dass Celina hier ist", flüsterte sie den Rest, da Alya und Celina wieder die Treppe herunterkamen.
Seufzend nickend er ihr zu und zog sie in seine Arme.
„Ich komme nachher wieder. Alleine", flüsterte er ihr zu, gab ihr einen Kuss und schon stand er auf, „Celina. Wir gehen."