Gefährliche Obsession (5)

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Kapitel 5

„'Cause nothin' lasts forever and we both know hearts can change and it's hard to hold a candle in the cold November rain..." Leise Musik weckte mich aus einem unruhigen Schlaf. Ich streckte mich und gähnte. Als ich die Augen aufschlug, fiel mir alles wieder ein. Mein Körper wurde ganz schwer und ich fühlte mich, als würde ich tiefer in die Kissen gesogen werden.

Stefan, der Biss, Giselle und er im Bad, seine verletzenden Worte. Wie hatte das passieren könne? Ich konnte nicht weinen. Vorerst hatte ich wohl keine Tränen mehr für ihn übrig. Ich wollte auch nicht weinen. Ich wollte hier liegen und an nichts denken.

Innerlich war alles wie betäubt, ich fühlte weder Trauer noch Hass noch Wut, Angst oder Verzweiflung. Ich fühlte mich leer. Als sei meine Persönlichkeit, meine Seele gewaltsam von meinem Körper getrennt worden und nur die Hülle blieb zurück. Die Minuten vergingen, ohne dass es mir bewusst gewesen wäre.

Langsam hob ich meine Hand und fuhr mir über die Schulter. *Ich hoffe, man sieht nichts.* Ich packte mir mit beiden Händen ins Haar, bedeckte mit den Handballen meine Augen. *Ich sehe sicher so furchtbar aus, wie ich mich fühle.*

Ohne es zu wollen, ging mir der vorangegangene Abend noch einmal durch den Kopf. Und wunderte mich. Wie lange hatte Giselle Zeit gehabt, ihn zu finden, ihn herum zu kriegen? Ich war eine halbe Stunde unten gewesen... Oder ist es länger gewesen?

*Sie haben sich schon vorher unterhalten. Vielleicht wäre es auch passiert, wenn... Ich war doch gar nicht so lange unten?!* Wie hatte Stefan es fertig gebracht, mich zu beißen, mir Vorwürfe zu machen und keine Stunde später mit Giselle im Bad zu landen? Ich wühlte mich aus der Decke und ging aus dem Zimmer rüber in die Küche.

Ich war wie erschlagen. Wie lange hatte ich geschlafen? Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es nur fünf Stunden gewesen waren. Ich machte mir einen Kakao, starrte eine Viertelstunde aus dem Fenster. Der Gedanke ließ mir keine Ruhe. Er hatte nur kurz nachdem ich gegangen war mit ihr geschlafen... auch wenn man es nicht so nennen konnte.

Ich ließ meinen Kopf hängen und nahm meinen Kakao. Damit schlurfte ich zurück in mein Zimmer, sah mich darin um, ohne zu wissen, was ich vorher noch hatte tun wollen. Den Spiegel im Flur mied ich. Bevor ich mich ins Bett zurück warf, machte ich die Musik aus.

Keine gute Idee, wenn irgendwann Liebeslieder herum düdeln würden. Da würde es mir nur hochkommen. Ich setzte mich mit dem Rücken an das Bettende und zog die Beine an. Mein Blick heftete sich an einen Punkt an der Wand mir gegenüber, ohne die Fotos dort wahr zu nehmen. Als mein Rücken anfing, weh zu tun, drehte ich mich zur Seite, wollte mich hinlegen.

Regungslos blieb ich in der Drehung liegen. Ich sah auf meinen Nachttisch. *Soll ich? Wenigstens einmal kurz gucken?* Drei Minuten rang ich mit mir. Seufzend und wohl wissend, dass es keine gute Idee war, griff ich schließlich nach meinem Handy und sah auf das Display.

Vier ungelesene Nachrichten. *Hat er sie geschrieben? Bitte lass sie von Stefan sein* Ich wusste nicht, was ich erwartete und warum ich hoffte, dass sie von ihm waren, doch ich versuchte sofort, meine unsinnigen Hoffnungen zu unterdrücken. Kurz schloss ich die Augen, atmete tief durch und las die erste Nachricht.

• Stefan, 01:02: baby es tut mir bitte komm zurück und lass unns reden du weist das ich dich lübe

*Meint er, dass das reicht? Er hat mich gebissen, mich beleidigt, verletzt, mich betrogen und einfach so gehen lassen...* Das konnte einfach noch nicht alles sein! Wenn er heute Morgen durch seinen Kater wieder zur Vernunft gekommen war, würde er mir sicher noch etwas Besseres liefern... Oder?

Hoffnungsvoll las ich die nächsten Sms.

• Nancy, 01:14: Amy, ist allesin Ordnung?Bist grad an mir vorbei gestürmnt und sahst nicht gut aus.

• Unbekannt, 01:16: Du weißt, du hast etwas Besseres verdient. Weine nicht um ihn, denn er ist es nicht wert.

*Wer ist das denn? Warum schreibt man mir so was?* Stirnrunzelnd sah ich auf den Absender, konnte jedoch außer dem „Unbekannt" nichts entdecken. Die Nummer war mir nicht bekannt. Wer hätte mir denn so eine Sms geschickt? Ich tat es als Scherz ab und hoffte, dass Stefan sich nicht nach einer Sms rehabilitiert gefühlt hatte.

• Kelly, 02:37: Aah er ist soo toll! Amy, ich glaub, ich bin verlieeeebt! Ich kann es gar nicht glauben! Wo steckst du eigentlich? Haben wir dich vertrieben? ;-)

Ich freute mich für die beiden. Aber warum gerade jetzt? Und warum hatte Stefan mir nicht noch mal geschrieben? Mich nicht versucht, anzurufen? Meine Enttäuschung zeigte mir, dass ich doch mit etwas anderem gerechnet hatte. Ich blätterte das Verzeichnis meiner verpassten Anrufe durch. Nichts. Konnte es tatsächlich sein, dass er mich nicht einmal so sehr schätzte?

Er entschuldigte sich nicht einmal bei mir? Die noch eben versiegt geglaubten Tränen begannen erneut, fleißig über meine Wangen zu laufen. *Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen? Wie kann ihm jemand so wenig bedeuten?*

Ich presste meine Wange fest auf meine Knie, versuchte, mich wieder zu beruhigen. Mein Körper erzitterte unter meinen Schluchzern. Aber ich wollte nicht weinen, nicht noch einmal, nicht wegen IHM! Tief einatmend beruhigte ich mich langsam.

Nachdem ich wenigstens etwas schlucken konnte, nahm ich eine Paracetamol und trank den Rest meines Kakaos aus. Danach rollte ich mich wieder zusammen und versuchte, mehr Schlaf zu bekommen.

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Noch ein kurzes Kapitel :) Und auf dem Foto: Giselle

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Copyright © literaturegirl, Hamburg, 2010

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