Ich hielt vor dem großen Hauptgebäude. „Emma!“, schrie meine kraftvolle Stimme, doch die rote Autotür wurde vor meiner Nase zugeschmissen, ehe ich es verhindern konnte. Ich reagierte mit zusammengekniffenen Augen, einem gespitzten Mund und blieb krampfhaft in meiner gerade ausgeübten Handlung. Mit einem wütendem Blick und einem „Schmollmund“, so würde es Steve sagen, fuhr ich aus der großen grauen Auffahrt der Schule und hielt vor der roten Ampel, die mir dreckig ins Gesicht lachte. Insgeheim wusste ich, dass sie mit mir redete und sie lachte mich aus. Als wäre ich ein lächerlich winziges Leben, das furchtbar amüsant war, eine winzige Ameise die im nächsten Moment unter einem Schuh kleben blieb.
Galant fuhr ich in meine geräumige Garage, die leider alles andere als sortiert, aufgeräumt und platzsparend war. Ihren alten Charme hatte sie verloren, unteranderem deswegen, weil sie immer noch mit zahlreichen Utensilien, von kaputten Werkzeugen bis hin zu dreckigen Putzlappen, meines einstigen Ehemannes bestückt und beglückt war, weswegen ich mich ein weiteres Mal aufregte. Auf der anderen Seite der Wahrheit, war meine Garage nicht gerade sauber und jeden Moment hätte eine Spinne die Chance gehabt, sich genau vor meinen Augen herabzuseilen und das Glück, dass ich womöglich vor ihren Augen, vor lauter Panik, hektisch im Kreis rennen würde. Ich bewegte die Kupplung auf Null, ruckelte zur Überprüfung und stieg aus. Trampelnd und leise vor mich hin fluchend, lief ich den knarrenden Flur entlang, vorbei an der hellen Treppe, direkt in die weiße Küche. Sie strahlte noch vom letztem Frühlingsputz, der nur gute zwei aufregende Wochen her war. In den letzten Tagen war ich oft mit Emma und Eva draußen, unteranderem auch Pilze sammeln, im Wald neben dem Jacobssee und wir hatten eine Menge Spaß. Haben gelacht und geweint. Einmal sogar, da ist Emma durch ein Spinnennetz gelaufen und hat sich vor Angst auf den Boden gerollt und hat dabei einen Ameisenhaufen getroffen. Bei diesen Erinnerungen musste ich lachen und mich an die guten Zeiten meines Lebens und das meiner Kinder erinnern. Denn zur Zeit sollte nichts so verlaufen, wie es gedacht war.
Ich nahm mir das graue Telefon und hämmerte auf die gummiartigen Knöpfe, wovon einige schwarze Ziffern schon längst abgeblättert waren. Seit Jahren schon, wollte ich mir ein neues Telefon zulegen, doch immer musste etwas dazwischen kommen. Ein guter Apparat würde zwar maximal 100 Pfund kosten, jene hatte ich aber immer für etwas anderes ausgegeben. Seien es die neuen Klamotten für Emma, neues Spielzeug für Eva oder auch die langen lustigen Trinkabende nach der Trennung von Steve, mit meiner Freundin Evelyn. Ich kannte meine beste Freundin schon seit meiner Grundschulzeit, sie war ein paar Tage älter als ich und hatte schulterbraune Haare, eine rundliche Figur und sie liebte es herzhaft zu lachen. Nicht selten haben wir uns einen Pina Colada bestellt und die gesamte Cocktailbar hat sich zu uns umgedreht. Wahrhaftig, Evelyn war wirklich eine gute beste Freundin. Leider war ich nur gerade zu wütend um weiter harmonische und friedvolle Gedanken über sie zu verschwenden.
„Was ist? Ich trainiere.“, klang es genervt aus dem Hörer, als ob ich ihn bei etwas wichtigem stören würde. „Hör mal zu du Arsch, beweg dein fettes Hinterteil hier her und hol deine verdammten Geräte ab, sonst landen sie im Müll. Ich sage es nicht noch einmal.“, fluchte ich. Ohne eine abwehrende, bittende oder entschuldigende Antwort abzuwarten drückte ich genervt auf den Knopf mit dem roten Hörer und ging hinunter in den staubigen Keller. Ich verlief mich nicht oft hierunter, weshalb das Untergeschoss wohl auch so aussah, wie es mir erschien. Vorsichtig klickte ich einmal auf dem loddrig angehefteten Schalter, zuckte zurück und sofort erleuchtete eine einzelne Glühbirne, die es nicht schaffte den gesamten Keller zu erhellen. In manchen Ecken erblickte ich noch Gegenstände von den Vorbesitzern dieses Hauses, von denen ich gar nicht wissen wollte, was sie einst dargestellt hatten, ich wartete darauf, dass sie enes Tages hier klingeln und sie abholen würden. Ich griff mir einen braunen Pappkarton, jener, der vom Umzug noch übrig blieb, zur Hälfte schon kaputt war und brachte ihn in die Garage.
Ich drehte mich gerade um, fasste die Klinke an, als Steve im Raum erschien. "Hier bin ich.", seine freudige Stimme hallte in meinem Ohr wieder und ich machte kehrt, drückte den Türgriff jedoch immernoch nach unten. „Da.“, befahl ich, „Pack deine Sachen da rein und verschwinde.“ Ich musterte ihn mit meinen blauen Augen von Kopf bis Fuß. Sein schwarzes Hemd hatte unter seinen Achseln weiße Rückstände, generell sah er sehr verschwitzt aus. Seine zotteligen Haare waren nicht gemacht, strähnig schwebten sie vor seiner Stirn. Eigentlich passte so etwas nicht zu ihm, während unserer Beziehung war er immer der typische Hausmann. Hatte ein kleines Wohlstandsbäuchen, gepflegte Haare und trug Polo Hemden. Doch nach unserer Trennung hatte er sich ein muskulösen Oberkörper mit passenden Brustmuskeln antrainiert, ich schätze mal, dass er damit ein paar junge Mädels aufreißen wollte. Im Endeffekt gesehen war er aber 39, hatte einen Drei-Tage Bart und stieg mit jeder ins Bett, die nicht bei drei auf dem Baum war.

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Kinder sterben leise
HorrorGrausame Kindermorde erschüttern London in der modernen Zeit, in der Zeit von Telefon und Internet. Doch was tust du, wenn dir niemand hilft? Grace Bonney verliert ihre 16 - jährige Tochter von jetzt auf hier, alles scheint ein Selbstmord zu sein do...