A C H T

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„Sie wissen, dass sie eigentlich kurz vor der Beförderung stehen? Mrs. Bonney?“, hinterfragte mich entsetzt der vor mir, im Anzug gehende, grauhaarige Mann. Ich hätte ihm liebend gerne davon berichtet, dass meine Tochter verschwunden war und ich mir unendliche Sorgen machte, sein Unverständnis erwartet und ihm dann eine reingehauen. Das Problem an der spekulierten und mit Abstand Intellektuellsten Sache war, dass vor mir Mr. Garfield Andrewson, mein Arbeitgeber stand. 

„Ich bin mir darüber im Klaren, ja.“, sagte ich, sah leicht bekümmert auf den Boden und Mr. Andrewson schritt zu mir. Ich blickte ihm in seine gemeinen giftgrünen Augen und wartete seine Reaktion ab. Er drehte unmissverständlich seinen Kopf, lächelte mich dreckig an, wendete sich wieder und faltete seine Hände. 

„Und in Angesichts dieser Lage riskieren sie ihre Beförderung und womöglich ihren Job?“, herabwürdigend sah er von der Seite zu mir runter. Ich realisierte die akute Lage. Ich würde wohl jahrelang nach einem neuen Job suchen und verzweifelnd daran zu Boden gehen, obwohl, eigentlich war ich das ja momentan bereits. 

„Ist es ihnen das Wert, Mrs. Bonney?“, schnitt er mir meine Gedankengänge ab. Aber war es das richtige, wenn ich jetzt einknickte?  

„Nein, mit Sicherheit nicht, Mr. Andrewson.“, erniedrigt wollte ich die Türklinge hinunter drücken, um aus dem elenden weißen Raum zu schreiten, bis mir mein Vorgesetzter bekräftigt auf die Schulter klopfte. 

„Ich wusste, dass wir uns einig werden, Mrs. Bonney. Weiter so.“, traurig und ohne Erfolg verließ ich die kalte Chefetage.

Ich setzte mich an unseren morgendlichen Kaffeetisch und trank mein schwarzes Gebräu, ehe ich mich, vollkommen entspannt, an meine Stuhllehne stützte. 

„Und?“, fragte mich meine Arbeitskollegin Jessica, es war immernoch still. Bereits als ich von Mr. Andrewson zurück kam und den Pausenraum betrat, erkalteten alle Gespräche, jeder fürchtete sich davor, wenn ich einen meiner bekannten Wutausbrüche bekam. 

„Was ‚Und?‘“, zynisch wartete ich auf ihre Antwort und nahm mir einen runden Keks, der zart nach Schokolade schmeckte. 

„Hast du Urlaub bekommen?“, vorsichtig erkundigte sie sich. Sie erkundigte sich, als würde sie über ein lavafeld springen, wie in diesen Spielen für Konsolen. Dort, wo Mario bei Browser in der Hölle ist und um sein Leben springt.

„Ja, natürlich.“, Sarkasmus machte sich breit und Jessica sah verstohlen nach rechts zu meinen anderen Arbeitskollegen, die nur mit den Schultern zuckten. 

„Natürlich nicht.“, entgegnete ich und betonte für sie extra nochmal das ‚nicht‘. „Wäre ja auch zu schön gewesen.“, ich rollte mit den Augen. 

„Und?“, begann ich wieder ein Gespräch anzufangen, „Wie geht es denn unserer Dauerkranken Hilary?“, mit gespitztem Mund sah ich in die Runde und erwartete eine Antwort. „Ich beiße nicht.“, hängte ich noch hinten dran und schüttelte den Kopf, während mein Arbeitskollege Marc mit großen Augen Jessica anstupste. 

„Na Marc?“, begann ich zu sticheln, „Warum hast du denn mit Evelyn Schluss gemacht?“, erkundigte ich mich nach einer vielsagenden Antwort.  

„Ich glaube, dass ist dann doch eher privat.“, sagte er und guckte beschämend zur Seite. 

„Na dann.“, erwiderte ich und umklammerte meine weiße Kaffeetasse. „Lasst uns an die Arbeit gehen.“, alle standen mit einem Ruck auf und gingen im Gänsemarsch zur Tür, ich hatte sie alle in der Hand.

„Aber Mrs. Johnson!“, brüllte Marc durch die Gänge und ich lief von der Kanzel der Krankenstation mit meiner, gerade bearbeiteten, Krankenakte zum Geräuschpegel. 

Kinder sterben leiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt