Ich habe nicht viel Zeit benötigt. Fast schon pünktlich habe ich einen freien Parkplatz ergattert, der sich beinahe vor dem Lokal befindet. Das ist mir fast schon verdächtig vorgekommen. Aber ich habe nicht länger mit den Gedanken gespielt. Bin schleunigst ausgestiegen, habe den Wagen abgeschlossen und bin über die Straße geeilt. Ich habe mich durch die wartenden Fahrzeuge schlängeln müssen. Angefahren hat mich niemand. Mir schlägt das Herz bis zum Hals, als ich den Eingang erreicht habe. Die übliche Schlange, die gewohnten wartenden Männer. Ich schenke ihnen keine Aufmerksamkeit, dränge mich an einigen von ihnen vorbei. Ich habe mit einem Kommentar gerechnet. Der ist prompt erklungen.
„Kriege ich 'ne Privatshow?", fragt einer, und ein anderer fängt an zu lachen. Ich stoppe, blinzele langsam und schaue zu dem Mann, welcher die Frage gestellt hat. „Ich steh' nämlich drauf, wenn eine heiße Schnecke die Zügel in die Hand nimmt, musst du wissen. Also, wie wär's, Süße? Wir beide?"
Ich wage zu behaupten, dass Cessy sich mit so einem Mist herumschlagen muss. Wie sie sich wohl dabei fühlt? Sicherlich nicht so wie ich. Ich vergrabe die Hände in die Hosentaschen und erwidere den gierigen Blick des Mannes. Mein Gott, als würde ich wie eine Tänzerin aussehen. Was für ein Idiot. Ein scharfer Laut verlässt mich, ehe ich antworte: „Das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen. Du wirst ganz sicher keine Privatshow von mir bekommen." Eine kleine Welle türmt sich in mir auf, welche ich dennoch ignoriere. Ich wende mich von den protestverbreitenden Männern ab und schreite näher zu dem Türsteher. Das Herz trommelt augenblicklich fester gegen die Brust, und die Hitze, die mich heimgesucht hat, verstärkt sich rapide. Eigentlich muss ich dieses Gefühl nicht pflegen. Es ist derselbe Türsteher, der mir schon einmal Einlass gewährt hat. Wenn ich den Namen richtig in Erinnerung behalten habe, dann müsste der breitgebaute Mann Rufus heißen.
Ich setze einen weiteren Schritt zu dem Eingang, und der Mann richtet seinen dunklen Blick zu mir. Er behält die kräftigen Arme vor der Brust verschränkt. Ich bin ehrlich; diese Haltung, die er eingenommen hat, macht mich ein wenig klein. Ich spreche kein Wort aus, aber zu meiner Überraschung tritt Rufus einen Schritt beiseite und erlaubt es mir, einzutreten. Ich wische nicht den verblüfften Ausdruck aus meinem Gesicht, während ich in das kühle Lokal gehe.
„Du wirst von Cessy erwartet", lässt der Türsteher seine tiefe Stimme ertönen, als ich stehen geblieben bin. „Sie erwartet dich in dem Zimmer, wo ihr beide das letzte Mal wart." Ich spüre seinen Blick in meinem Rücken.
Ich quetsche noch immer kein Wort aus mir heraus, sondern setze mich wortlos in Bewegung. Sie erwartet mich. Ich forme die linke Hand zu einer Faust, gehe zu dem schmalen Flur, welcher einen scharfen Knick einlegt. Gelegentlich treffe ich andere Tänzerinnen an. Allesamt in dezenter Bekleidung, allesamt mit einem aufgetragenen Make-up, was ihre Konturen im Gesicht deutlich zur Geltung bringt. Ich drücke die Lippen aufeinander. Die Hitze wälzt sich nach wie vor durch mich. Sie lässt mich förmlich glühen. Ich komme mir vor, als sei ich ein Stück Kohle, was man vergessen hat, zu löschen.
Die Gedanken haben sich wie in Luft aufgelöst. Sie schweben nicht mehr durch meinen Kopf. Es existiert eine befremdliche Leere, eine ungewohnte Stille. Liegt das daran, dass ich im Red Roses bin? Ich vermute es. Ich lasse den Blick durch den Flur schweifen. Dumpfe Musik dröhnt, aus irgendeinem Zimmer dringen Stimmen. Ich schaue zu der linken Seite, biege dann in den nächsten Flur. Mit jedem Schritt, den ich zurücklege, steigt die gierige Vorfreude, und selbst der Hunger artet immer mehr aus. Die Fingernägel stechen in den Stoff der Innentasche, und ich muss darauf achten, dass ich nicht das Schritttempo erhöhe.
Ich habe fast das Zimmer erreicht, in welchem Cessy auf mich wartet, als plötzlich eine rothaarige Tänzerin aufgetaucht ist und direkt zu mir geht. Ich bleibe stehen und schaue sie ruhig an. Die Ruhe, die ich noch besitze, wird mühselig in Gewahrsam gehalten. Ich bin mir bewusst, dass sie verschwinden wird, wenn ich bei der Blondine sein werde.
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Sinner
ChickLit"Sinnlichkeit - Eine Art weiblicher Kriegskunst" ~ Peter Rudl Vincent van Gogh oder Leonardo da Vinci sind nichts im Vergleich zu dem Künstler von Cessy. Ihr Körper, ja, ihr gesamtes Wesen gleicht einem Augenschmaus, der einem augenscheinlich den At...