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Die Seele verkannt

Alle acht Umdrehungen unterbrach ein quietschendes Schleifengeräusch das monotone rotieren der Antriebsräder. Etwa alle vier Minuten erhöhte sich die Luftzufuhr im Windschacht und ein rasselndes Ansauggeräusch steigerte den Geräuschpegel im Turbinenraum. Clarke lag reglos auf der schäbigen Matratze. Starrte schweigend an die graue Betondecke und lauschte den gleichförmigen Klängen des Bunkers. Sie war wie betäubt. Ihre Augen brannten. Ob vor Tränen oder dem Widerwillen ihre Augenlider regelmäßig zu schließen - wusste sie nicht.

Den Kampf gegen ihre Fesseln hatte sie aufgegeben. Ebenso den Versuch mit ihrer Mutter zu sprechen. Abby strafte sie mit schweigen. Lethargisch saß diese in ihrer Ecke und beachtete sie nicht. Clarke konnte nicht sagen, wie lange sie schon hier eingesperrt waren. Es mussten Stunden gewesen sein. Stunden die sich bereits jetzt wie tausende Jahre im Fegefeuer anfühlten.

Sacht strich sie mit ihren Fingern über ihre Lippen. Sie spürte ihn immer noch. Als habe sich sein Kuss in ihr Gedächtnis gebrannt. Die sanfte Wärme seiner Lippen. Den Geschmack auf ihrer Zunge. Die überflügelnden Emotionen, die er in ihr hervorgerufen hatte. Das alles war noch so lebendig als läge es nur einen Wimpernschlag zurück.

Ihre Hoffnung Bellamy jemals wieder zu sehen schwand und damit auch ihr seelisches Gleichgewicht. Es stürzte in sich zusammen und alles was sich in den letzten Monaten ereignet hatte - Was sie sorgsam verdrängt hatte, prasselte schonungslos auf sie ein. Viele ihrer Entscheidungen lasteten schwer auf ihren Schultern. Egal wie sehr sie immer versucht hatte das Richtige zu tun. Irgendjemand hatte immer mit seinem Leben dafür bezahlen müssen. Bisher hatte sie diese Bürden immer klaglos auf sich genommen, damit es kein anderer ertragen musste. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie nicht die Gute in dieser Welt war. Sie war der Tod. Diese Bürde jedoch, würde sie nicht mehr tragen können. Diese Last wog zu schwer auf ihren Schultern. Ein tiefes Loch klaffte in ihrem Herzen. Ein Loch für das sie selber verantwortlich war. Eine Wunde die niemand je zu heilen vermochte. Bellamy war ihr Anker. Auch wenn sie es ihm nie gezeigt oder gesagt hatte. Er war der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Clarke hatte sich immer dagegen gesträubt ihre Gefühle für ihn zu zulassen. Zu grausam waren ihre bisherigen Erfahrungen. Zu groß war ihre Angst einen weiteren geliebten Menschen in ihrem Leben zu verlieren. Sie hatte irgendwann begonnen sich selber einzureden, dass Liebe hier keinen Platz haben könne. Dass Liebe eine Schwäche war, die sie von den richtigen Entscheidungen abbringen würde. Dass dies jedoch ein Trugschluss war, erkannte sie erst jetzt. Sie hätte in der Vergangenheit weiser entschieden, wenn sie ihre Gefühle zugelassen hätte. Wenn sie Bellamy mehr Platz an ihrer Seite eingeräumt hätte. Bellamy war immer derjenige, auf den sie sich hatte verlassen können. Der, dem sie vertraut hatte. Derjenige, der immer für sie da war. Egal welche Grausamkeit sie begangen haben mochte. Ihre bessere Hälfte. Ihr Seelenverwandter. Ohne ihn hätte sie dass alles niemals durchgestanden. Er war der Stützpfeiler ihres Daseins und jetzt war diese tragende Säule in ihrem Leben auch weggebrochen. Es brach ihr in diesem Moment das Herz, dass sie niemals die Gelegenheit bekommen würde, ihm das zu sagen.

Melancholisch betrachtete sie ihre blutüberströmten Handgelenke. Die Finger ihrer rechten Hand spürte sie kaum noch. Zu fest hatten sich die Fesseln zugezogen. Es war ihr egal. Ihr innerstes lag in Scherben. Warum sich also um den Rest noch bemühen?

Ein grollen riss sie je aus ihren Gedanken. Sie hörte dass ächzen von Stahlseilen und das dumpfen scheppern eines Aufzugs. Jemand kam hier herunter.

Eilige Schritte im Gang vor dem Turbinenraum. Ruckartig setzte sich Clarke auf. Ein Adrenalinschauer rauschte durch Ihren Körper - Gab es noch Hoffnung?

Wer immer sich ihnen näherte konnte ihre Chance sein ihren Fehler zu korrigieren.

Hastig sprang Clarke auf als sie die den Schlüssel im Türschloss hörte. Ihr Herz klopfte.