Kapitel 6 - manifestatio

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(PoV Jako)

Im Schneidersitz saß ich auf dem Boden. Mein Blick war starr nach draußen gerichtet, auf jeden einzelnen Tropfen der dagegen prasselte. Wie gebannt, sah ich dem Geschehen der Blitze zu, die immer wieder den bereits verdunkelten Himmel erhellten. Ich fand dieses Spektakel schon immer interessant und dankte den Göttern dafür, dass sie so etwas erschufen. Sie waren schnell und unberechenbar. Ich musste an unseren Gott Levitation denken. >>Ist er dafür verantwortlich? Auf was ist er wütend? Ich hoffe es geht ihm bald wieder besser.<<
Wieder die Gedanken an meinen Stamm. Aber nun konnte ich es nicht zurück halten. Stumm bahnten sich erneut Tränenflüsse einen Weg durch mein Gesicht, über mein Kinn, wo sie letztendlich runtertropften und auf meinen Beinen aufprallten. Ich vermisste alles und nichts.
Ich merkte nicht, wie hinter mir die Tür auf ging und Niklas das Zimmer betrat. Erst, als er sich genauso wie am Abend zuvor neben mich setzte und mich ansah, nahm ich ihn war.
Obwohl mein Blick starr auf den Regen gerichtet waren, schaffte ich es gut zu merken, wie er mich ansah. Was sein Blick mir gegenüber aussagte. Es war Besorgnis, das ihm in die Augen gelegt wurde. "Was mache ich nur falsch? Scheinbar alles. Im Stamm und hier." flüsterte ich leise in die Stille hinein. "Nein Jako. Du machst nichts falsch. Ich habe falsch gehandelt. Dich so harsch anzugehen, war falsch. Es ist nur so, dass...", begann er zu sprechen, bevor er scheinbar tief durchatmete. "Levi ist mein Vater, Jako." Mich traf diese Neuigkeit, wie ein Schlag in's Gesicht. Das konnte doch nicht sein! Levi war mein Vater, nicht seiner! "Niklas! Das kann nicht sein! Ich bin der Sohn von Levi!" Doch Niklas sprach unberührt weiter, als hätte er mich gar nicht gehört. "Ich kenne meinen Vater nicht wirklich. Ich bin früh mit Mama weggegangen. Hier her. Nach Berlin. Ich weiß nicht, wieso sie ging. Wo sie ihn doch so sehr liebte." Doch ein anderes Wesen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war klein. Flog vor mir hin und her. Es war in einer Aurach, aus leuchtendem Orange. Niklas' letzte Worte von seinem Satz, bekam ich nur gedämpft mit. Ich versuchte es zu berühren. Doch es flog immer wieder weg. So klein wie es war, so wendig war es auch. Dessen Flügel bewegten sich so schnell, dass man es nur schwer mit menschlichem Auge vernehmen konnte. Es sprach nicht, deutete mir nur, meine Hand auf zu machen. Ich tat wie mir befohlen und fand darin ein kleines, goldenes Kügelchen wieder.
Mir kam nicht in den Sinn, warum ich es bekam. "Niklas. H- hast du das gerade gesehen?", Wie verzaubert sah ich dem Wesen nach, bis es nicht mehr erkennbar war. Doch Niklas sah mich an, als würde ich spinnen, bevor er langsam mit dem Kopf schüttelte. >>Schade. Aber... Wieso konnte ich es dann sehen? Wie ist das möglich?<< Ich steckte dieses Kügelchen weg und konzentrierte mich wieder voll und ganz auf Niklas. "Sorry...", murmelte ich "Ich kann das nicht so recht glauben...", sprach ich nun etwas lauter. Schüttelnd drehte ich meinen Kopf wieder auf die Sicht nach draußen. Einige Zeit war Stille zwischen uns eingekehrt. Es war so still, dass man hätte Katzen laufen hören können. Ich seufzte leicht, als ich gebannt den Regentropfen bei ihrer Arbeit zusah. >>Wer grad wohl so traurig ist, so heftig weinen zu müssen?<<
So genau wusste ich nicht, warum ich gerade an sowas dachte, aber bei uns im Stamm war es üblicherweise Indigo. Es passte zu ihm, seine Trauer auf diese Art zu zeigen. Irgendwie ging es mir bei dem Gedanken an meinen Stamm nicht wirklich gut, doch konnte ich meine Gedanken daran nicht abstellen. Wie gerne ich doch in beiden Welten gleichzeitig gewesen wäre. "Stimmt das Niklas? Also das mit Vater.", ich war mir unsicher, so recht konnte ich es einfach nicht glauben. "Natürlich Jako. Es gibt keinen Grund, dich an zu lügen." Das gab mir Sicherheit. Sicherheit, die ich zuvor nicht hatte. Ich begann leicht zu lächeln und starrte weiterhin auf jeden einzelnen Regentropfen. Einige Zeit herrschte Stille zwischen uns beiden, ich nickte noch einmal leicht, um mir selbst etwas Mut zu schenken. "Hallo, Bruder.", begann ich grinsend ein neues Gespräch.

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