Kapitel 4.2 - exordium

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Und da war sie wieder. Die Angst. Diese unglaublich große Angst. Diese Angst, die so groß und unbesiegbar schien. Ich traute mich nicht es auch nur zu versuchen, sie zu besiegen. >> Das wird doch nichts, Jakob! Nichts wird die Angst aufhalten können, Jakob! Nichts! Besiegen kann sie keiner, Jakob! Und du kannst sie sowieso nicht besiegen, Jakob! Sieh dich nur an. Du hast nicht, Jakob! Du bist nichts, Jakob! Du bist sogar zu unfähig zu leben, Jakob! << Ich versuchte diese Gedanken und diese unendlich grässliche Stimme los zu werden.
Versuchte alles.
Doch sie hatte recht.
Ich hatte nichts.
Ich war nichts.
Ich bin nichts.
Ich werde nie etwas sein.

(PoV Frodo)

Ich musste etwas grinsen und antwortete mit einem „Der Herr kann also doch sprechen." auf seine Aussage. Er sah beschämt auf den Boden, so als wäre er unsicher, nickte dann aber leicht. Die Personen, die nah an ihm vorbei liefen und ihn komisch von oben bis unten musterten, nahm ich sehr gut wahr. >> Ist es deswegen? Ist er deshalb so unsicher? <<
Er tippelte leicht von einem Fuß auf den anderen, während er seine Füße musterte.
Irgendwie wollte ich ihm ja helfen. Aber ich wusste auch nicht so recht wie.
Langsam gewöhnte ich mich an die Nässe und die Kälte, die der Boden bat.
>> Wie lange er wohl schon hier auf der Straße lebt? <<
„ Wenn du willst... " Fing ich zögerlich nach einer Zeit an zu sprechen, „... kannst du auch ein oder zwei Nächte bei mir schlafen. Jedenfalls kann ich dich hier unmöglich bei dem Wetter und der Kälte sitzen lassen. " Unsicher spielte er an der Naht seines Oberteils, er schien etwas zu überlegen und starrte noch immer auf die grauen Steine. Nach einer kurzen Zeit der erneuten Stille, nickt er leicht und half mir aufzustehen. Ich ging vor und führte ihn zu meiner Wohnung. Lange war es wieder still. Es störte mich nicht wirklich. „ I-Ich h-heiße Jakob..." Sprach er wieder zögerlich. Wenigstens hatte ich nun auch einen Namen, dem ich ihm zuordnen konnte. „ A-Aber nenn' mich bitte Jako. " Fuhr er zögernd fort. Ich glaubte, dass er so langsam auftaute und mir ein Stückchen mehr zu vertrauen schien.
Noch immer gingen wir die dunkle Gasse entlang. Neben mir ein Mann, dessen ich immer noch nicht so wirklich verstand. „ Ich bin Max. „ Sprach ich noch leicht in Gedanken versunken.
„ Aber nenn' mich Frodo. " Fügte ich, noch immer Gedankenversunken hinzu. Nun herrschte wieder Stille. Keine Angenehme, wie ich zugeben musste. Es war eher diese drückende, unangenehme Stille, die alles und jeden gnadenlos erdrückte.
Stumm liefen wir nebeneinander her.
An der Tür zu meiner Wohnung angekommen, holte ich die Schlüssel aus der Tasche, um die dazugehörige Tür zu öffnen. Ich vernahm nun einen Jako, welchen ich so noch nicht kennengelernt hatte. Ein ängstlicher, langer Mann mit weit aufgerissenen Augen. Fragend sah ich den langen an, welcher immer weiter zurück ging und sich letztendlich an die Wand hinter ihm presste. Es schien, als könne er die Augen nicht mehr von meinem Schlüsselbund lassen und starrte diesen durchdringend an. Fast schon so, als würde auf diesen Schlüsseln ein kleines Männchen sitzen, welches ihn mit etwas bedrohte. Seine Blicke wechselten vom Schlüsselbund in mein Gesicht.

(PoV Jako)

Diese Angst vor diesem unbekannten Ding stieg. Ich wusste nicht wieso, immerhin waren sie klein auch konnte man keinen größeren Schaden damit anrichten. Und dennoch schalteten meine Beine den Rückwärtsgang ein und pressten mich so fest es ging an die Wand hinter mir.
Meine Augen wurden größer, als ich hinter diesem Frodo einen anderen jungen Mann vernahm.
Panisch wechselte mein Blick wieder zu Frodo, welcher langsam auf mich zu kam. Der Mann hinter ihm hatte ebenfalls lange Haare, blieb stehen und beobachtete Frodo aus einigen Metern Entfernung. Es schien, als würde er ihn kennen. Er kam noch etwas näher, vielleicht weil er aus der Entfernung noch nichts wirklich erkennen konnte. Erst jetzt konnte auch ich ihn voll erkennen. Er war etwas kleiner als ich, hatte ebenfalls lange Haare und über seinem Mund zierte sich ein kleines Bärtchen.
Auch war er recht dünn, wirkte fast schon zerbrechlich.
Ich versuchte währenddessen noch weiter zurück zu gehen, doch wurde ich von der Wand hinter mir blockiert. Ich dachte, Frodo würde mich nun umbringen. Dachte, dass nun mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Frodo machte Anstalten auf mich zu zu gehen. Streckte seine Hand nach mir aus, welche ich panisch weg schlug und an der kalten, steinernen Wand zu Boden glitt.
Ich bemerkte, wie sich ein paar Tränen ihren Weg über mein Gesicht bahnten. Panisch wischte ich sie weg, in der Hoffnung es hätte keiner gesehen. Eine Gestalt setzte sich neben mich, mein Körper verkrampfte sich und Schritte entfernten sich vom Geschehen. Eine Hand strich durch meine Haare und befreite ein paar in Tränen getränkte Strähnen aus meinem Gesicht. Ich zuckte stark zusammen, verkrampfte und verharrte immer mehr in meiner Haltung. Neue Tränen sammelten sich in meinem Gesicht und bahnten sich Tropfen um Tropfen ihren Weg über mein Gesicht. Die Hand störte es wohl nicht wirklich. Strähne um Strähne strich sie hinter mein Ohr. Immer mehr Angst breitete sich in meinem Körper aus, ich begann stark zu zittern. Die Kälte machte mir zu schaffen, doch auch die Angst trug ihren Teil dazu bei.
Angst vor Frodo und auch Angst vor dem Unbekannten. Immer mehr zog ich mich zusammen, versuchte nicht zu laut zu schluchzen. Langsam und mit viel Vorsicht hob sich mein Kopf und scannte die Person neben mir ab. Er sagte nichts, ich tat es ihm gleich. Das Gesicht, die Augen, sie kamen mir so bekannt vor. Mein Bauch schmerzte bei dieser Erkenntnis. >>Levi... Vater...<<, sprach ich in Gedanken und kämpfte gegen die Tränen in meinen Augen. „Alles okay bei dir?", fragte mich der Unbekannte, mit einem besorgten Blick. Ich zuckte stumm mit den Schultern und versuchte es auch dabei zu belassen. Der Unbekannte umarmte mich einfach nur, während er mir ein „Du brauchst keine Angst zu haben. Vertrau mir.", in mein Ohr flüsterte.
Stumm schien zu dem Zeitpunkt mein zweiter Name gewesen zu sein, was ich auch ganz konsequent durchzog.
„Ich weiß wie du dich fühlst.", versuchte er weiterhin mich aufzumuntern. Doch woher sollte er wissen, wie ich mich fühle, wenn ich es selbst nicht einmal wusste?
Ich zuckte erneut mit den Schultern und begann mich langsam von ihm zu lösen. Mir war nicht wohl dabei... Ich hatte noch nie wirkliche Nähe gespürt. Es war komisch, zu merken, dass es jemanden interessierte, wie es mir ging. „Ich bin Niklas. Aber du darfst mich auch ruhig Tommy nennen.", stellte sich dieser leicht lächelnd fuhr. Ich nickte es mit einem kurzen „Jako oder Jakob.", ab. Lange schaffte ich es nicht mehr, meinem Gegenüber in die Augen zu sehen, ohne fast vor Erinnerungen und Schmerzen zusammen zu brechen. Es war schwer, doch stand ich auf, die Arme leicht nervös und unbehaglich vor dem Bauch verschränkt.
Mein Blick war wie auf den Boden getackert und es war schwer ihn wieder zu lösen um ab und zu mal nach oben zu sehen. Nun standen wir vor einem Brett welches durch dieses Ding, was Frodo aus seiner Tasche holte geöffnet werden konnte. Wir stiegen ein paar Stufen nach oben und kamen vor dem nächsten Brett an. Frodo fummelte etwas an dem lauten, klappernden Ding und nahm das nächste metallene Ding, um es zu öffnen. >>Wozu brauchen sie diese Bretter um in ihre Räumlichkeiten zu kommen?<<, fragte mein Verstand neugierig nach. Ich ignorierte ihn, traute mich nicht zu fragen. Die Angst war zu groß, dass man mich auslachen könnte. Sie wussten ja nicht, wo ich her kam und dass es bei uns sowas nicht gab. Das sollte möglichst auch so bleiben. Ich wollte hier ein neues Leben anfangen. Ohne Sorgen leben war das, was ich mir wünschte. Also blieb ich stumm, ließ Niklas' Hand auf meiner Schulter ruhen, sagte nichts. Auch dann nicht, als es unangenehm wurde.
Ich musste mir unweigerlich vorstellen, wie unser Gott Levitation hinter diesem Brett stand und mich freudig erwartete.
Ein leicht dümmliches Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit und dafür kassierte ich verwirrte und fragende Blicke. Ich ignorierte sie, denn dieser Gedanke konnte dieses Grinsen nicht stoppen. Als ein klacken ertönte, wandte ich meinen Blick vom offenbar höchst interessanten Boden ab und sah in einen Raum voller komischer Gegenstände.
Langsam trat ich in diesen, gefolgt von Frodo und Niklas, sah mich ein wenig um. Frodo zeigte auf ein rotes Ding mit gleichfarbigen Kissen darin. „Du kannst für's erste hier auf der Couch pennen.", begann dieser zu sprechen. >>Das ist also eine Kautsch.... K-a-u-t-s-c-h... Komischer Name für ein Bett...<<, fuhr mein Kopf in Gedanken fort. Ich nickte stumm und setzte mich an den äußersten Rand des Gegenstandes. Meine Sachen waren noch immer vom Regen durchnässt und verursachten einen kleinen Fleck darauf. Frodo schenkte mir einen komischen Blick, während ich ihn nur unwissend und verwirrt ansah, bevor sich Niklas neben mich setzte. „U-Und wo steht eure Kautsch?", begann ich zögerlich die beiden zu fragen. Erneut erntete ich komische Blicke, während Niklas leicht anfing zu kichern. Frodo verließ kopfschüttelnd den Raum und ließ mich mit meiner Frage wortwörtlich sitzen. Niklas stand mit den Worten „Ich hole dir mal was frisches zum Anziehen.", auf und verließ den Raum.Unsicher schweifte mein Blick durch den Raum, bis er mit einem Bündel Sachen wieder den Raum betrat.Als er wieder ging, zog ich mich um setzte mich erneut und wartete auf Niklas.Bevor ich das jedoch mitbekam, schlief ich schneller als gedacht im sitzen ein.  

Jar's ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt