Kapitel 7 - inops

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(PoV Jako)

Ich wandte meinen Blick wieder zum Fenster. Der Regen war scheinbar längst vergangen und die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die dicke Wolkendecke am Himmel. Wie lange wir da gesessen haben mussten, wusste ich nicht. Es schienen wohl mehrere Stunden gewesen zu sein. Im Augenwinkel meines linken Auges sah ich, dass Niklas begann, seine Arme langsam auszubreiten. Ich lehnte mich vorsichtig ihm entgegen. Sie schlossen sich um mich, es war ein komisches Gefühl. Ich hatte noch nie wirklich ein solches Privileg genießen dürfen.

(PoV Niklas)

Ich schloss meine Arme um ihn. Er tat mir leid, was muss nur in seinem Kopf vorgegangen sein, dass er derart reagierte? Was muss ihn nur hier her getrieben haben? Zu gern hätte ich gewusst, was all die Gründe gewesen wären, aber ich wusste sie nicht und das machte mich irgendwie traurig. Abwesend suchte ich die Wand nach einem Punkt ab.
Der Ton von der Türklingel erreicht dumpf mein Ohr. Ich war viel zu sehr in Gedanken versunken, als das ich hätte aufstehen und aufmachen konnte.
„Wieso? Wieso bist du so wie du bist? Was hat dich so ängstlich gemacht?", wollte ich wissen, es schien fast so, als wäre ich in Trance und wüsste nicht genau, was ich sprach. Im Grunde war es auch so, doch die Neugierde in mir trieb mich voran.
„Es ist nicht der Rede wert. Nichts davon.", seine letzten Worte sprach er immer leiser, so, als würde er krampfhaft versuchen, sich nicht daran erinnern zu müssen. Ich meinte sogar, einen recht traurig wirkenden Unterton wahrgenommen zu haben. Mich machte es traurig, dass er offenbar traurig war. Es musste für ihn schlimm gewesen sein, wenn er darüber nicht reden wollte. Ich strich vorsichtig über seinen Rücken, wir lagen uns noch immer gegenseitig in den Armen. Meine Hände fuhren quasi im Alleingang darüber und vernahmen eine nicht gerade kleine Wölbung an seinem doch recht schmalen Oberkörper. Es konnte keineswegs seine Wirbelsäule gewesen sein, dafür war es viel zu weit an der Seite. Mit Bedacht fuhr ich die Wölbung entlang und versuchte so, dessen Enden fest zu stellen. Ich stoppte augenblicklich, als von Jako ein Zischen zu hören war. Meine Hand ruhte auf der Mitte dieser Wölbung, ich stammelte ein leises „Willst du nicht doch darüber reden?" Meine linke Halsregion vernahm einen aufgebracht malenden Kiefer und ein leises, durch die Zähne gepresstes „Nein!".
Ein Seufzen verließ meinen Mund und ich schloss meine Augen „Manchmal hilft es über Dinge zu reden, die einen belasten, weißt du?", sprach ich leise, fast schon vor mich hin. Auch seinerseits vernahm ich einen relativ lauten Seufzer. „Ich möchte nicht. Akzeptiere das bitte."

(PoV Jako)

Ich möchte nicht sagen, dass es Niklas' Schuld ist, aber er ist der Auslöser für jede einzelne Erinnerung, die in mir gerade nach und nach auftaucht. Noch heute hörte ich die Peitschenhiebe, die meinen angeketteten Körper trafen. Die Zeit dort war schrecklich, zurück möchte ich auf gar keinen Fall. Sanft wie es nur ging, löste ich mich von ihm und deutete allein sein zu wollen. Er verstand, stand auf und begab sich langsam aus dem Raum. Erst als ich mir wirklich sicher war, allein zu sein, begab auch ich mich leicht robbend zur Couch, stützte meine Ellenbogen drauf ab und begann zu beten. Meine Arme waren ab dem Ellenbogen stets nach oben gerichtet, mein Kopf war gesenkt und lag nun leicht an der Kante. Ich versuchte nicht allzu laut zu reden, doch ich vergaß, dass mich andere hörten. Ich bemerkte auch nicht, dass sie in das Zimmer gekommen waren und mich anstarrten. Zu sehr war ich in meine eigene Welt eingetaucht. „Ich weiß nicht wie oft ich euch darum gebeten habe, Supper, aber ich werde es immer wieder tun. Bitte nimm mir doch endlich den Schmerz! Ich halte es keine Sekunde länger mehr aus! Ihr wisst doch, ich war stets darum bemüht das richtige zu tun. Warum erhört ihr mich denn nicht?" Die letzten Worte waren mehr und mehr tränenerstickt, ich sackte zusammen und kniete nun zusammengekauert und weinend vor der roten Couch. Ich war viel zu verzweifelt, als das ich mich hätte auf andere Personen konzentrieren können. Normalerweise war ich ein Meister darin geworden, zu bemerken, dass sich etwas anschlich oder neben mich stellte. Manchmal musste ich dafür nicht einmal was sehen. Diesmal aber, war es anders. Es schien, als wäre ich taub, hätte jegliche Fähigkeit verloren. Als wäre ich gelähmt, lag ich in Armen, die ich nicht kannte. Offensichtlich wurde ich hochgehoben und auf diese Couch gelegt. Meine Augen waren stets geschlossen. Hoffnung versiegte mit jedem Atemzug mehr und mehr. Langsam begann ich mich selbst zu fragen, ob es nun Strafe ist oder nicht. Was ich falsches gemacht haben musste. Erneut liefen mir Tränen aus den Augenwinkeln, über mein Ohr und sprangen von da aus auf den Stoff, auf dem ich lag. Vorsichtig wurden mir diese erneut weggewischt.

(PoV Frodo)

Ich war gerade mit David in mein Zimmer gegangen, als ich aus dem Wohnzimmer einen lauten Monolog vernahm.
Seufzend drehte ich mich um und ging wieder, dicht gefolgt von David, zur Tür heraus und betrat leise das Wohnzimmer. Vor mir stand bereits Niklas und starrte ebenfalls Jako an. Es schien, als würde er sich in Trance reden. Er schien verzweifelt, irgendwie tat er mir ja leid. Auch, wenn ich ihm das ganze mit dem Stamm und alles nicht abkaufte. Aber wer zum Teufel war dieser Supper? Gab es noch mehr von denen? Welchen Schmerz meinte er? All das verwirrte mich sehr, weshalb ich stehen blieb und Niklas nicht half, als er Jako auf die Couch hiefte.
Er saß noch ein wenig neben ihm wischte ihm ab und an ein paar Tränen weg, bevor er wieder aufstand und Anstalten machte raus zu gehen. Er schob mich quasi vor sich hin nach draußen.
Mein Mund war leicht geöffnet und ich blieb vor ihm einfach stehen, als er die Tür hinter sich schloss.

Jar's ScarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt