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Das Moos umrankte die Mauer und das Grau wurde vom Grün überdeckt. Immer noch an Ort und Stelle standen sie dort, trotz der fallenden Temperaturen wurde ihr Körper von Wärme durchströmt, das Eis schon längst gebrochen. "Ich werde mit Grün anfangen", hatte er gemurmelt, dabei seinen Blick auf ihr wandern lassen und sie kritisch gemustert, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich. Nicht wissend, was sie darauf antworten sollte, nickte sie kurz, doch konnte das misstrauische Blitzen in ihren Augen nicht verdecken, welches ihm galt. Vom Alkohol verleitet wartete sie ab, ließ seine Worte immer wieder Revue passieren, doch konnte sich kein Bild davon machen. "Die Farben werden verblassen, jeder Pinselstrich wird sich auflösen und das Kunstwerk unter meinen Fingern zerinnen", durchbrach sie die Stille und hörte ein leises Schmunzeln, bevor sie in seine Augen blickte. Im Licht des Mondes hatten sie sich in Gold verwandelt, warmes flüssiges Gold, welches sie völlig einhüllte und sie in Staub verwandelte. "Ich werde nicht mit Farben arbeiten, Worte sollen meine Kunst umschließen." "Beschreibt Grün nicht die Farbe der Hoffnung?" Kurz schüttelte er den Kopf, das Glitzern seiner Pupillen ließen ihn glänzen und ihn hell erleuchten, wie die Sterne am Himmelbett. "Frisches Gras, welches aus der Erde sprießt, an ihm klebt noch der Tau der letzten Nächte. Jeden Tag schlängelt es sich nach oben, wächst und wächst, erneuert und verändert sich, passt sich an, setzt seinen Fuß an völlig verschiedene Orte und wenn du nicht aufpasst, wickelt es sich um deinen Körper und lässt dich nie wieder los. Ich rede von sanfter grüner Veränderung, der Umformung von Hier und Jetzt, Raum und Zeit. Das Kontinuum verschoben, wartend auf den riesigen Knall, um die Verwandlung vollkommen entwickeln zu können. Die Farbe beschreibt den wunderbaren Lebensprozess, aus dem Nichts zu erschaffen, zu verändern und auszubauen. Ich möchte die Farbe aus all deinen Poren schießen lassen, sie soll auf dich regnen und dich zum Leben erwecken, dich aus dem Schutt auferstehen lassen und dein Individuum untergraben." Ungläubig schüttelte sie den Kopf. "Individualität lässt sich schwer erzwingen, wenn man selbst jeder Norm entsprechen will." "Vielleicht solltest du deinen eigenen Normen folgen und endlich anfangen, das Leben einzuatmen."

SeelenmalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt