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Wie gelber Neid zuckte sie unter seinen auffordernden und majestätischen Blicken zusammen, verspürte das Brennen, welches sie gleichmäßig und erbarmungslos von innen heraus auffraß, ihre Poren verklebte und ihre Sinne Tango tanzen ließ. "Wähle du die nächste Farbe aus." Seine Stimme klang nicht sanft wie sonst, viel eher glich sie einer fordernden Drohung, eine Warnung. Hilflos konzentrierte sie sich auf all die Dinge um sich herum, wagte eine leichte Schizophrenie kennzeichnen zu können, als sie die violette Mauer dort sah, gegenüber vom Straßenrand. Sie leuchtete schon fast grell und engelsgleich zu ihr hinüber und ließ ihren Atem wieder gleichmäßiger werden, ihr Herz schien wieder seinen Rythmus zu finden. "Violett." Kurz und starr waren die Worte schnell ausgesprochen, er jedoch wirkte zufrieden. "Die Farbe der Unschuld. Dort, neben all dem hässlichen Pastelltönen steht sie dort, vermischt aus den Komplementärfarben, verformt in all erdenklichen Weisen, übermalt, verändert, bestaunt. Man versucht sie stetig von dieser Erde auszuradieren, sie vor anderen zu verstecken, da ein einzelner Pinselstrich vollkommen ausreicht, um sie zu verunstalten. Reines, aufrichtiges Violett findet man nur selten. Sie wird in die hinterste Kammer unseres Herzens eingeschlossen, nur minimalistisch gehaltende Sprenkel gucken manchmal hervor, sie gelten als besonders scheu. Violett beschreibt die Eigenschaft, welche wir alle geschenkt bekamen, jedoch nicht verschenken können. Unsere Ressourcen, welche nicht wiederaufzufüllen sind, werden knapp, wir hungern nach ihnen, verwelken langsam wie eine Rose, doch überspielen es mit anderen Farben, um wieder bunt leuchten zu können." Lange sah sie ihn an, überlegte, wie voll ihr Speicher dieser kostbaren Farbe denn noch sein würde. "Ist sie bei dir schon aufgebraucht?", fragte sie ihn, vorsichtig und behutsam, auf würde sie langsam auf Granit stoßen. Ein kurzes Lachen erfolgte, wie immer dunkel und tief. "Ganz im Gegenteil, sie würde nie berührt. Weder von mir noch von irgendwelch' anderen schmutzigen Händen. Leute pferchen mich gern in böse Gestalten, zeigen mit dem Finger auf mich und beschuldigen mich, der Grund für ihr Verderben zu sein. Doch sie nehmen es sich nur selbst, werfen es lachend auf den Boden und suchen einen Sündenbock für ihr unüberlegtes Verhalten." "Du hast das Schloss nie durchbrochen?" Er schüttelte den Kopf. "Alpha und Omega. Ein Anfang und ein Ende, die Liebe und der Hass, das Gute und das Böse. Eine solch feine unsichtbare Linie, welche so schnell durchbrochen werden kann. Weiß und Schwarz, doch wir alle vergessen dabei das Grau, das Bunt, das Pastell, das Ocker, die Herbstfarben. Du hast all das vergessen, mit den Jahren und dem zunehmenden Alter wolltest du immer perfekt sein und hast das gut dabei zu deinem Feind gemacht. Du hast selbst gegen dich gekämpft, dich mental ins Abyss verstoßen und dich schmerzhaft im Fegefeuer verbrennen lassen." "Wer bist du?" Kurze Pause. Die Sekunden verstrichen, das Ticken in ihrem Kopf hallte gegen die Wände. "Ich bin reine Farbe, eine, welche du niemals zu Gesicht bekommen wirst, an welche du nur zu Träumen wagst. Ich bin jede Palette, jeder Farbkasten, jede Wandmalerei und jeder Bleistiftstrich auf dieser Erde. Ihr Menschen malt mit mir ständig, unüberlegt, wie verschwenderisch ihr damit umgeht. Ihr lacht mich an, fürchtet euch vor mir, provoziert mich, kämpft gegen mich, doch zuletzt verliert ihr alle gegen mich, da meine Farbe die eure ausradieren, filtern und säubern wird, bevor sie euch entzogen wird."

SeelenmalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt