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Seine Augen hatten mittlerweile die Farbe des kalten Eisens angenommen, mit welchem die alte Laterne verglichen werden konnte. Wie lange sie nun schon hier waren, war ihr unklar, der Alkohol verdrehte das Ticken der Uhren und ließ sie vollkommen ihr Zeitgefühl vergessen. Nicht hinterfragend hatte sie hinter dem großen Fragezeichen in ihren Kopf ein kleines Rufezeichen gesetzt, ein Semikolon für die andauerte Ahnungslosigkeit und zuletzt einen Punkt für das perfide Ende, auf welches sie gebannt wartete. "Meine nächste Farbe wird Blau sein." Ohne auf seine Worte einzugehen blieb sie still, obwohl er von ihr gerne mit Fragen bombardiert werden wollte. Doch als zuviele Sekunden verstrichen, bildete sich auf seinem Mund ein karger Strich und seine Mimik wirkte wie eingefroren. "Du willst darauf nicht eingehen?" Sie schüttelte mit dem Kopf. "Jede meiner Antworten wird verfälscht sein und mich vor dir wie ein Narr dastehen lassen." "So funktioniert das nicht", antwortete er sanft, sie hingegen blieb noch immer still. "Weisheit. Diese irrationale Vernunft, nicht zu greifen, nicht berührbar, nicht tastbar. Das helle Leuchten, welches in deinen Kopf grelle Blitze entstehen lässt, deine Venen zum Pulsieren bringt, dein Sein zum Schweben. Ich rede von der Gabe, die Seiten des Lebens verstehen zu können, mit ihnen wissen umzugehen und sie verformen zu lassen, zu Skulpturen aus gewissenlosem reinen Perlensand werden zu lassen und darin die Ewigkeit repräsentieren zu können. Ich möchte diese Art der Weisheit auf dir abbilden lassen, welche Leute dazu bringt sich nach dir umzudrehen, um deinen Tatendrang stehlen zu können." Kurz legte sie ihren Kopf schief und biss sich nachdenklich auf die kleine Unterlippe, welche in einem Zartrosaton bemalt war. "Was uns zu Weisheit stoppt, ist die Zeit, das erbarmungslose Verinnen der kleinen Ewigkeit, welche wir zu jagen versuchen." "Es ist nicht die Zeit, welche uns nicht nach ihr zu greifen lassen vermag. Es ist die verformte Denkweise, welches wir ein Leben lang mit uns tragen, unwissend, was und die Welt bieten könnte, würden wir uns nur wieder geradebiegen."

SeelenmalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt