DESTINY

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"Ms? Ms? Können Sie mich hören?" Langsam blinzelnd öffnete ich meine Augen. In der ersten Sekunde zischte ich schmerzend auf, zog meine Augenbrauen zusammen und meine Lider schlossen sich wieder. "Geht es Ihnen gut?" Ich nickte, um mein Wohlbefinden zu verdeutlichen. Zwar ging es mir, in diesem Moment nicht so, wie ich gerade bestätigt hatte, doch wer kannte sie nicht? Diese Szene aus einem Film, wo der Patient gerade aufwachte und trotz Schmerzen, das Gegenteil versuchte zu beweisen. In dieser Rolle fühlte ich mich gerade. "Wie viele Finger zeige ich?" Kam es von dem Mann im weißen Kittel, vermutlich ein Arzt. Vielleicht auch mein Arzt? Ich wusste es nicht. "Zwei." Meinte ich, als ich zum Beantworten seiner Frage wieder meine Augen öffnete. "Wie geht es Ihnen?" Wiederholte der Mann. Ich schluckte bevor ich zu meiner Antwort ansetzte, was sich jedoch als schwerer erwies als ich es vermutet hatte, denn meine Kehle war komplett trocken. "Mir ist kalt, mein Kopf tut weh und mein Hals ist ganz trocken." Gab ich kratzig raus und beim Wahrnehmen meiner Stimme, schreckte ich für die ersten Augenblicke selbst etwas zusammen. Hörte ich mich tatsächlich so an? So schwach? So brüchig? Nein. Das ich im Krankenhaus lag machte mir von der ersten Sekunde, in welcher ich meine Augen geöffnet hatte bewusst, dass etwas nicht in Ordnung war. Doch jetzt war ich mir sicher, es musste etwas passiert sein, etwas schlimmeres als nur eine einfache Operation. Nur was?

Der vermutliche Arzt drehte sich zu einem weiteren, jüngeren Mann, weiter hinten im Raum um, und listete ihm einige, für mich nur wirr klingende, Dinge auf. Ich starrte an die kahle Decke des Zimmers, bis mir die ungewöhnliche Wärme an meiner linken Hand auffiel. Ich senkte mein Kopf und wollte auf diese schauen, um sicher zu gehen, dass sich auch keine Verletzungen an dieser befanden. Doch meine Augen wurden größer, als ich plötzlich die fremde Person neben mir bemerkte, welche ihre Hand auf meiner ruhen ließ. Daher also auch die unbekannte Wärme meines sonst komplett unterkühlten Körpers. Ich atmete nervös aus, starrte diesen 'Mann' an, musterte ihn und wusste nicht richtig zu reagieren, war wie gelähmt. Er hatte schwarze dunkle Haare, mehrere Piercings in seinen Ohren. Seine Wangen waren markant, schlank, detailliert. Er hatte volle, rosarote Lippen, eine dicke aber dennoch passende Stupsnase. Und dann, dann waren da seine Augen. Er hatte dunkle, große, faszinierende Augen und obwohl sie dunkelbraun, ja fast schwarz waren, strahlten sie soviel Emotion, soviel Gefühl aus, dass es mich für diesen kurzen Moment fesselte. "Wer bist du?" Hauchte ich hysterisch und zog meine Hand unter seiner weg. Sein Gesichtsausdruck wurde von diesem nichtssagenden, gefesselten Ausdruck von zuvor, zu einem geschockten. "Warum sitzen Sie an meinem Bett?" Fragte ich weiter und sein Mund ging auf, doch aus ihm kamen keine Wörter. Der Schwarzhaarige tauschte verängstigte Blicke mit dem Arzt aus, welcher ebenso zu uns kam. "Warum hält dieser Mann meine Hand?" Wandte ich mich eingeschüchtert an den Arzt, doch er schloss nur seine Augen, presste seine Lippen aufeinander und legte dem Schwarzköpfigen seine Hand auf die Schulter. Nun verstand ich garnicht's mehr, weder was ich hier tat, noch was mit den Leuten um mich herum los war.

Ich fühlte mich..allein.

"Bitte gehen Sie, wir müssen einige kurze Tests mit der Dame durchführen." Kam es nach einigen Sekunden des Schweigens aus dem Mund des Ältesten. "Aber-.." Ich schreckte leicht zusammen nachdem ich nun auch zum ersten Mal einige Worte des Fremden vernahm. Der Schwarzhaarige bemerkte mein Zucken und nickte nachvollziehend dem Arzt entgegen, woraufhin er den Raum verließ. Kurz darauf folgten die zuvor erwähnten Tests, doch es waren nicht nur Dinge dieser Art 'Mund auf', Augen überprüfen ect. wie ich es erwartet hatte. Nein. Der jüngere Mann, ich vermutete mal ein Assistenzarzt, setzte sich zusammen mit dem anderen Herren gegenüber von mir auf zwei Stühle. Dann holten sie ein Klemmbrett raus und begannen damit, mir einige Fragen zu stellen, beispielsweise; wie alt ich war, ob ich wüsste, wie mein Name lautete, wann und wo ich mein Abschluss gemacht hatte. Immer so weiter. Dabei fiel mir auf, dass ich einige Fragen nicht beantworten konnte oder diese Falsch beantwortete. Darunter waren auch die Fragen 'Wo ich zuletzt wohnte' und 'Ob ich wüsste, wer der Mann von eben war', doch ich wusste es nicht. Sie legten mir ein Bild in meine Hände und ich betrachtete es genau. "Wissen Sie, wer die Leute auf diesem Foto sind?" Fragte der Arzt und ich nickte lächelnd. "Selbstverständlich, das bin ich zusammen mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester." Sie tauschten, mir nichts sagende, Blicke aus und streckten mir ein weiteres Bild entgegen. Ich nahm es stumm an und musterte es genauestens. "Können Sie uns auch sagen, wer diese Personen sind?" Ich schaute nicht auf, denn meine Augen scannten Gesicht für Gesicht, doch ich wusste einfach nicht, wer diese Menschen auf dem Bild vor mir waren. Ich streckte meinen Arm zurück zu den zwei Männer aus und schüttelte verneinend meinen Kopf. "Ich weiß es nicht." Meinte ich und vermied Augenkontakt. "Tut mir leid." Ich konnte sie zwar nicht sehen, doch ich merkte förmlich, wie sie mich gerade anstarrten. Mit bemitleidenswerten, reumütigen Gesichtern. Das wollte ich aber nicht, ich wollte dieses Mitleid nicht.

Sie verließen beide den Raum und meinten, gleich seien sie wieder zurück. Als ich dann alleine war, blickte ich zu den zwei kleinen Hügeln an meiner Decke, worunter meine Füße lagen. Warum konnte ich es nicht? Weshalb hatte ich diese Lücken in meinem Gedächtnis? Noch bevor ich mich weiter mit meinen Gedanken auseinandersetzen konnte, klopfte es an der Tür des Krankenzimmers. Der schwarzhaarige Fremde betrat erneut den Raum, doch dieses Mal mit einem Glas Wasser in seiner Hand. Ich blieb misstrauisch, jedoch wollte ich auch nicht unhöflich sein, anscheinend spielte er ja eine wichtige Rolle in diesem verwirrenden Schauspiel. "Hier." Er hielt mir das Glas entgegen und ich betrachtete es zögernd. "Stilles Wasser, kalt." Ich nahm es aus seinen Händen und stellte fest, dass nicht nur seine Annahme meines Geschmacks richtig war, sondern auch seine Hände eisig kalt. "Danke." Flüsterte ich kaum hörbar, nahm ein Schluck und stellte es wieder beiseite. Er setzte sich schweigend zurück auf den Stuhl neben mich, wo er zuvor bereits saß, schaute mich an, sagte kein Ton. Ich beschloss anzufangen. "Weshalb sind Ihre Hände so kalt?" Fragte ich spontan für einen Konversationsbeginn. Er lächelte leicht, jedoch kam es mir vor, als wäre es ein trauriges Lächeln. "Das kommt nur von dem Wasser, sie sind gleich wieder warm." Erklärte er mir und es war das erste Mal, dass ich einen vollständigen Satz von ihm hörte. Seine Stimme war lieblich, sehr angenehm und ich fand gefallen an ihr. Doch letztlich blieb ich weiterhin verschlossen. Der Schwarzhaarige wirkte nervös, sehr sogar. Er schaute immer wieder um sich herum, zur Uhr des Raumes oder versuchte einen gelassenen Eindruck, mit einem aufgesetzten Lächeln zu hinterlassen.

Bis dann plötzlich der Arzt wieder zu uns kam und der Fremde aufgeregt aufstand. "Was ist es denn nun?" Waren die ersten Worte, die seinen Mund verließen, doch der Arzt schaute nur entschuldigend zu Boden. "Es tut uns leid, doch die Ergebnisse sind eindeutig." Die Atmung des Fremden wurde schneller und brüchiger, bis er plötzlich zurück auf den Stuhl fiel und sich durch seine Haare fuhr. Er sah überfordert aus, es tat mir leid. Selbst wenn mir etwas fehlte, was genau wusste ich ja noch immer nicht, trotzdem hatte ich nicht verlernt Empathie zu empfinden. Der Arzt schritt um mein Bett herum und schaute zu mir hinunter. "Ihre Erinnerungen reichen nur mehr bis zu ihrem 17. Lebensjahr. Darauf folgendes ist nicht komplett verschwunden, jedoch können wir nicht sagen, ob Sie sich jemals wieder daran erinnern können." Ich schaute zu dem Arzt, doch er wich meinen Blicken aus. "Was ist los? Was ist mit mir? Wer ist dieser Mann? Können Sie bitte mit mir sprechen?" Bettelte ich schon fast verzweifelt, da es mir vorkam, als würden alle nur um mich herum reden. Als sei ich garnicht anwesend. Er atmete tief ein, betrachtete mich und nickte. "Sie hatten einen Unfall." Fing er an und meine Pupillen weiteten sich. "Einen Unfall?" Hauchte ich ungläubig und er fuhr fort. "Sie hatten vor zwei Tagen einen schweren Autounfall und, wir hatten das nicht erwartet, doch Sie leiden unter Amnesie." Ich schüttelte wie in Zeitlupe meinen Kopf, ich wollte das einfach nicht akzeptieren. "Das heißt..sie kann sich auch nicht mehr..." Stotterte der mir noch immer Fremde leise vor sich hin und der Arzt zu meiner rechten nickte bedrückt. "Die letzten vier Jahre aus ihrem Leben sind nicht abrufbar, einschließlich Ihnen." Zitternd atmete der Schwarzhaarige aus und ich richtete mich verwirrt auf. "Ich kenne diese Person nicht." Wiederholte ich ein weiteres Mal überzeugt, doch als sich der Mann auf dem Stuhl zu mir umdrehte, ich die Tränen in seinen Augen sah, wurde mir bewusst, dass er mich kannte. "Ich lasse Sie beide nun besser allein. Die Entlassung ist jedenfalls gewilligt." Plötzlich waren wir allein und ich starrte vertieft in meinen Gedanken, auf die weiße Decke über meinen Beinen. "Wir kennen uns..oder?" Schallte es leise meine Kehle hinauf und seine Augen fokussierten meine verkrampfte Silhouette. Ich schaute zu ihm und erkannte dieses hoffnungsvolle kleine Schmunzeln in seinen Mundwinkeln. "Neami, ich bin Ten Chittaphon Leechaiyapornkul. Dein Freund."

..Fortsetzung folgt..


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⁰⁶ TRY AGAIN | tenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt