PASSWORD

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Ich starrte gelangweilt Löcher in die Decke. Ten war seit über einer Stunde schon weg und meinte, ich solle daheim bleiben, da er noch weiteren Trubel um meine Person verhindern wolle. Die Jungs waren noch am trainieren und nachvollziehbarer Weise wusste ich selbstverständlich nicht, wie lange ein durchschnittlicher Trainingstag dauerte. Ich dachte daran, etwas für die Jungs zu kochen, doch wenn ich annahm, dass sie sich etwas bestellten, wie beim ersten Mal als ich hier ankam, würde es umsonst gewesen sein. Außerdem kannte ich ihre Geschmäcker garnicht und hatte keinerlei Ahnung von eventuellen Allergien. Die Bilder auf meinem Handy hatte ich mittlerweile durchgeschaut und analysiert. Wobei ich die oben-ohne Bilder des Thailänders immer sofort übersprang. In meinen Kontakten hatte ich unzählige mir fremde Personen gefunden, worüber ich mir, bis aufs weitere erstmal nicht mehr den Kopf zerbrechen wollte. Jedoch waren darunter auch meine Eltern und meine ältere Schwester aufzufinden. Ich überlegte sie anzurufen, traute mich jedoch nicht. Meine Eltern würden sich immerhin schon noch melden, wenn sie es für richtig hielten und meine Schwester sollte ihren Urlaub in vollen Zügen genießen. Ich ließ mein Kopf zur Seite kippen, scannte desinteressiert meine Umgebung und beschloss mehr wissen zu wollen. Ich erhob mich, streckte meinen Körper und machte mich auf den Schreibtisch des Thailänders hin, wo auch sein Laptop nun stand.

Energisch ließ ich mich auf seinen Stuhl fallen und klappte das silberne Ding auf. Während er startete, da er geladen hatte und leer war, tippte ich überlegend mit meinem Finger auf dem weißen Tisch herum. Ich musste vorher doch auch ein Leben gehabt haben, oder? Natürlich war ich im Urlaub gewesen, musste wohl tolle Leute um mich gehabt haben und war anscheinend auch zufrieden, aber das war doch wohl noch nicht alles? Was war, bevor ich den Schwarzhaarigen kennenlernte? Job? Freunde? Immerhin besaß ich selbst heute noch eine eigene Wohnung, die irgendwie finanziert werden musste. Ich ging auf private Bilder und Dokumente des Thailänders, jedoch wurde mir der Eingang verwehrt. "Passwort?" Was denn bitte für ein Passwort? Ich schüttelte meinen Kopf und zog von unten nach oben die Schubladen des Tisches auf. Im untersten Fach befand sich ein Wirrwarr aus Kopfhörer Kabeln, Ladekabeln und was man nicht noch so alles an elektronischen Geräten benötigte. In der zweiten einige Bücher, Notizzettel, Papierkram eben. Die oberste war verschlossen und auch nach mehrmaligem Ziehen und Rütteln blieb mir ihr Inneres verwehrt. Ich schnaubte und versuchte es mit verschiedenen Kombinationen. Seinem Namen, den seines besten Freundes, Ten's Geburtsdatum, was ich bereits in Kenntnis gesetzt hatte und auch meines. Falsch. Ich dachte nach und kam schlussendlich, nach intensiven Grübeln, an die Daten heran. "Ponpon..warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen?" Murmelte ich zu mir selbst hin und erinnerte mich daran zurück, wie Ten mir erzählt hatte, dass er einen Hund namens Ponpon in Thailänder besäße.

Vor mir ploppten plötzlich unzählige Bilder auf und, der Galerie zu entnehmen, waren es drei verschiedene Ordner mit jeweils einmal 1850, 360 und zu guter letzt 259 Bildern. Der erste Ordner hieß 'Neo Familie', wovon ich dann mal ausging, dass dieser größtenteils Bilder oder Videos von seiner Gruppe beinhaltete. Der zweite war mit 'ดอกไม้' etwas thailändischem betitelt, was nach kurzem übersetzen 'Blume' bedeutete. Vielleicht waren es Natur Fotografien? Der letzte hieß einfach nur 'Fam', wobei ich zunächst auf nichts weiteres schließen konnte. Ich musste erstmal alle Daten runterladen, da Ten anscheinend schon länger nicht mehr auf diese zugegriffen hatte, und während dies geschah, versuchte ich mehr über mich herauszufinden. Social Media, Wikipedia, irgendwo musste ich doch etwas finden können, doch es war schwerer als ich es angenommen hatte. "Es ist..als ob ich nie existiert hätte." Murmelte ich zu mir selbst hin, kaute auf meiner Unterlippe, versuchte nicht die Hoffnung zu verlieren. Auf einmal bekam ich eine Nachricht angezeigt, dass nun alle Daten heruntergeladen waren, weshalb ich meine Recherche über meine Person unterbrach.

Mein Verdacht des ersten Ordners bestätigte sich sofort, als ich die dort gespeicherten Bilder seiner Mitmember auffand. Ein unterschwelliges Lächeln zierte kurzerhand meine Lippen, nachdem ich flüchtig die ganzen Bilder musterte. Es waren schöne, gelegentlich auch verrückte oder einfach nur herzerweichende Fotos der NCT Familie. Nicht weiter Zeit verlierend ging ich auf den Ordner, bei welchem ich auf keinen weiteren Zusammenhang schließen konnte, da dieser als nächstes geladen war. Doch als ich dort mir die ganzen Fremden ansah addierte mein Kopf eins und eins zusammen, weshalb dann auch 'Fam' schnell als Abkürzung des Wortes 'Familie' für den Thailänder galt. Die Leute auf den Medien am Bildschirm müssten wohl Verwandte von ihm sein, es war seine Familie. Auf den Bildern wirkte er so..fröhlich. Zwar wollte ich es nicht wahr haben, doch ihn, bislang noch nicht, so glücklich gesehen zu haben, verlieh meinem Brustkorb ein Gefühl von Schmerz. Im Gedanken weiter vertieft und über die Tatsache nachdenkend beschloss ich mir auch noch sein letztes, möglicherweise auch uninteressantestes Album anzusehen, 'Blume'. Doch plötzlich weiteten sich meine Pupillen, als ich diesen Ordner anklickte. Es war keine Natur-Fotografie, es waren Bilder von mir.

⁰⁶ TRY AGAIN | tenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt