FIRST SCANDAL

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Gebannt starrte ich auf den Boden vor mir. Aufzuschauen hätte Option für mich erwiesen, da ich sonst nur von bemitleidenswerten Blicken umringt worden wäre. Hier saß ich nun, bereits eine geschlagene Stunde, wenn nicht sogar schon länger. Auf dem Tanzboden der Jungs, im Schneidersitz, stumm, ausdruckslos. Wartend, auf eine Antwort, auf eine Erklärung, auf ihn. Ob die Anderen Bescheid wussten, was los war, wer dieser Herr von eben war und was sein aufgebrachtes Verhalten auf sich hatte? Hätte ich bei ihnen nachfragen- und damit diese herrschende Stille brechen sollen? Ich entschied mich dagegen, lieber nicht. Wer weiß welch antworten ich erhalten hätte? Doch es lag nicht allein daran, dass ich keine Erläuterungen von den Anderen haben wollte. Viel mehr verzichtete ich bewusst darauf, aus einem einfachen Grund. Bevor ich von jedermanns Seite eine Sicht geschildert bekäme, wollte ich, zuerst seine Worte hören und was er zu sagen hatte.

Die Tür ging auf und erschrocken richteten sich alle Köpfe auf den Jungen, welcher mit gereizten Blick vor dem Herren von vor eben auftauchte. "Ich gebe Lee-Chau Bescheid." Kam es von dem, mir immer noch Fremden, welcher Ten eine Hand streng auf seine Schulter legte. Diese jedoch schüttelte der Thailänder ab, lief zu seiner Tasche und Jacke. Ich schaute ihm hinterher, drehte mich schon beinahe einmal komplett in meiner Sitzhaltung, bis er zu mir aufschaute. "Komm Neami." Kam es von dem Schwarzhaarigen und sofort reagierend stand ich auf, lief zu ihm hin, griff ebenfalls nach meinen Sachen und folgte ihm zur Tür. Ich drehte mich flüchtig zu den Jungs um und winkte kaum merkbar, in ihre Richtung. Doch hatte ich nicht die Zeit dazu um lange Gepflogenheiten auszutauschen, da mein Begleiter einen schnellen Gang drauf hatte und anscheinend, kein Interesse daran zeigte, auf mich Rücksicht zu nehmen. Als ich ihn eingeholt hatte schaute ich zu ihm auf. Suchend nach einer Emotion, nach einem Zeichen. "Ten." Hauchte ich leise, jedoch noch verständlich, zu ihm hin. Er setzte seinen Weg fort. Grübelnd folgte ich seinen Schritten, dachte über dieses taktlose Verhalten nach, konnte mir jedoch kein Reim darauf machen. Es hätte etwas passiert sein müssen, etwas was diesen Kynsoo so hatte aus der Fassung- und Ten wütend machen müssen. 'Ten, du hast sie mitgebracht?!' Es musste mit mir zusammenhängen, daran bestand kein Zweifel. Nur was hatte ich getan, dass den Thailänder hätte in Schwierigkeiten bringen können? War es mein Abstecher in den Convenience Store? Lag es an dem zwielichtigen Typen in der U-Bahn? Oder doch an der Unterhaltung zwischen mir und Mike? In mir kam ein schlechtes Gewissen auf und langsam schlossen sich einige Gründe in meinem Unterbewusstsein zu einer logische Schlussfolgerung zusammen. Was wäre wenn Mike etwas über mich und Ten im Internet verbreitet hatte? Wenn die Szene mit dem zwielichtigen Typen in der Bahn gefilmt worden war oder die im Store? Ten könnte als schlechte Person dargestellt worden sein. Oder waren es möglicherweise doch diese Mädchen an der U-Bahnstation?

Ich hielt Ten an seiner Schulter fest und sah entschuldigend zu ihm auf, spürte, die sich in meinem Gesicht abbildend gläsernen Augen. Ten hatte zu Beginn noch seine wütende Miene aufgesetzt, ließ sie beim genaueren betrachten meiner Wenigkeit jedoch fallen. "Ist es meine Schuld?" Fragte ich mit einer gewissen Leere in meiner Stimme. Ten schaute zur Seite und atmete tief auf, es machte mich um so nervöser. Es war schlimmer als ein 'Ja' zu erhalten, diese Ungewissheit, sie war zerreißend. Der Ältere zog mich zu ihm hin, gab mir einen kaum spürbaren Kuss auf meine Stirn, nahm mich in seinen Arm und atmete beruhigt aus. "Nein." Murmelte er und wir liefen weiter, bis wir am Ausgang ankamen, wo bereits Lee-Chau uns in Empfang nahm. Er wechselte kein Wort mit Ten, wie es bei unserem Treffen am Krankenhaus eigentlich für denkbar gewesen wäre. Schnaubend nahm der Thailänder auf der Rückbank des Vans Platz, im Augenwinkel festgehalten von mir. Ich entsperrte mein Handy, über wessen Farbe ich mir noch immer die Haare sträubte, und durchforschte noch immer etwas fasziniert meine Galerie. Ich fand ein Bild meiner Schwester und ihrem Mann, in passender Kleidung vor einer Kirche. Ihre Hochzeit. Wie gerne ich mich doch an diesen Tag erinnern würde. Nari wirkte so glücklich, so zufrieden, dass wollte ich auch. Ich schielte hinüber zu meinem Sitznachbarn. Ob ich das jemals sein würde? Fragte ich mich und strich weiter, verharrte bei dem folgenden Foto.

⁰⁶ TRY AGAIN | tenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt