OMINÖS

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Gebannt schaute ich Ten dabei zu, wie er meinen Schrank nach und nach ausräumte und meine Klamotten in einer schwarzen Tasche verstaute. Seiner Tasche. Es überkam mich ein befremdliches Gefühl als ich dabei zusah, wie ein mir eigentlich Fremder, meine Anziehsachen anpackte. Er öffnete die unterste Schublade und ich riss meine Augen auf. "Nicht-.." Hallte meine erschrockene Stimme durch den Raum, meine Hand streckte sich nach ihm und sein Kopf drehte sich besorgt zu mir um. Er wartete einen Moment und ich senkte beschämt meinen Kopf. "Ich weiß, für dich mag das alles normal wirken, doch es ist beängstigend einen fremden Mann in meinen Sachen rumwühlen zu sehen. Vor allem wenn es meine Unterwäsche betrifft." Nuschelte ich leise vor mich hin und schloss daraufhin meine Augen. Er atmete aus und blickte kurz zu dem schwarzen BH in seiner Hand. Er legte ihn zurück und kam auf mich zu. "Glaub mir Neami, das ist bestimmt alles andere als normal oder alltäglich für mich. Der Arzt hat jedoch gemeint, dass es gut wäre, wenn du langsam wieder in dein altes Leben zurückkommst." Redete er sanft auf mich ein. Ich hob mein Kopf und schaute kurz zu ihm hinüber. "Ich weiß, doch es ist nicht einfach für mich." Er nickte verständlich und legte mir eine Hand vorsichtig auf meine Schulter. "Für mich auch nicht, aber es wird alles wieder gut und außerdem; ich weiß, du weißt es nicht mehr, aber deine Unterwäsche ist nun wirklich nichts neues mehr für mich." Ich schaute ihn vorwurfsvoll an und er stand auf. Mit einem so zweideutigen Mann war ich zusammen? Was fand ich an ihm?

"Hier." Kam es von meinem Arzt, welcher uns unten am Empfang noch schnell abfing um mir noch einige Unterlagen auszuhändigen. "Vielen Dank." Meinte ich und nahm die Papiere an. "Haben Sie Dank." Kam es verbeugend von meinem Partner und ich machte es ihm schnell nach, verspürte jedoch ein Schmerzen in meinem Kopf als ich mich wieder aufrecht hinstellte. Sofort landete die Hand Ten's auf meinem Rücken und ein beschützender Blick musterte mich. "Alles gut." Murmelte ich abwegig und er nickte misstrauisch, als ob er meinen Worten keinen Glauben schenken wollte. "Hast du alles?" Flüsterte der Ältere zu mir hin und ich machte einen Schritt beiseite. Wegschauend nickte ich und er tat es mir gleich. Zusammen liefen wir raus und eine warme Sommerbrise umhüllte mich sofort, als ich dem Schwarzhaarigen auf einen weiteren Mann zulaufen sah. Sie begrüßten sich, wirkten wie alte Bekannte, jedoch machte Ten einen eher gestressten Eindruck. Ob es wohl an mir lag? Allerdings hätte es auch alles mögliche sein können, er war mir immerhin noch stehst ein unbekanntes Rätsel. "Neami kommst du?" Rief er zu mir hinüber und ich nickte. Er hatte mir bereits schweres Gepäck beim verlassen meines Krankenzimmers abgenommen, weshalb ich nur meine Handtasche tragen musste. "Neami, dass ist Lee-Chau, ihr kennt euch bereits." Bei den Worten, dass wir uns bereits kennen würden, zog sich etwas in meiner Brust zusammen. Nicht zu wissen, wenn ich kannte, bereits kennengelernt- und lieben gelernt hatte, frustrierte mich. Es war schrecklich, dieses Gefühl, es war nicht vergleichbar. "Schön dich wieder zu sehen Nami." Ich nahm seine Hand an und runzelte bei dem erwähnen dieses Spitznamens meine Stirn. "Nami?" Dieser Lee-Chau nickte lächelnd und erläuterte sein Erwähnen. "Das war der erste Kosename, welchen dir Ten damals gab." Ich schielte zu dem Jungen neben mir hinüber und fuhr ihn mit meinen Augen ab. "Bitte, ich weiß davon nichts. Könnten Sie es für's erste möglicherweise in Erwägung ziehen mich bei meinem richtigen Namen anzusprechen?" Überrascht willigte der Mann, dessen Position mir unbekannt war, ein. "Lass uns das Gepäck verstauen." Fiel Ten schließlich dazwischen und die Männer verschwanden hinter einem schwarzen Van in welchen ich einstieg.

Nachdem wir losgefahren waren schwiegen wir. Zwei Plätze neben mir saß Ten, zwischen uns, meine Handtasche. Es herrschte eine unangenehme und ebenso beklemmende Stimmung im Fahrzeug, was mich noch mehr verunsicherte. Sollte mein Freund mich nicht in solch Situation zum Lachen bringen? Weshalb hatte ich mich nur für ihn entschieden? "Nimm dir eins." Kam es von meinem Sitznachbarn und ich schaute perplex auf das Kaugummi in seinen Fingern. "Wofür?" Hackte ich nach, nahm es jedoch dankend an. Er lachte, schaute sofort wieder zum Fenster raus und ich blätterte etwas durch die Papiere des Krankenhauses. "Dir wird doch immer auf längeren Fahrten schlecht." Ich betrachtete konzentriert den weißen Streifen in meiner Hand. "Stimmt.." Murmelte ich zu mir selbst. "Wie lange fahren wir denn?" Er drehte sich mir zu und schaute auf seine schwarze Armbanduhr. "Noch circa eine Stunde." Ich nahm den pfefferminzigen Streifen in meinen Mund und begann langsam zu kauen. "Wo wohnst du-.." Ich brach ab und schaute nachdenklich zum Fenster raus. "Wo wohnen wir denn?" Korrigierte ich mich monoton, doch er legte mir nur kurz seine Hand auf meinen Arm sodass ich zu im blickte. "Wir wohnen nicht zusammen, du bleibst zunächst nur übergangsweise bei mir, damit ich auf dich aufpassen kann. Du hast eine eigene Wohnung." Überrascht lauschte ich seinen Worten und dachte nach. Wenn wir mal annahmen, dass wir uns schon längere Zeit kannten, hätte wir doch mindestens über eine geraume Zeit zusammen sein müssen. Weshalb lebten wir noch immer nicht zusammen oder hatten es in Erwähnung gezogen? Es erschien mir etwas merkwürdig. "Es sieht wohl so aus, als gäbe es Stau. Die Fahrt dauert womöglich noch etwas länger als erwartet." Kam es von Lee-Chau. Ich beugte mich etwas zu dem Mann am Steuer vor und er nahm mich in seinem Augenwinkel ins Visier. "Sagen Sie Herr Chau, weshalb holen Sie uns beide ab?" Der Mann lachte und ich zog irritiert meine Brauen zusammen. "Nun ja Neami, das Krankenhaus in welchem Sie lagen ist weiter außerhalb gelegen, da ihr Freund Diskretion verlangte." Musternd schielte ich zu Ten hinüber, der jedoch beschämt hinaus starrte. "Nein, ich wollte wissen, ob das ihr Job ist. Also Chauffeur?" Nun fing auch der Thailänder neben mir an zu kichern und ich ließ mich etwas beleidigt zurück in meinen Sitz fallen. Woher sollte ich es denn besser wissen? "Nein, nein." Lachte Lee-Chau. "Ich arbeite für Herrn Chittaphon."

Verblüfft drehte mein Kopf sich zu Ten um und ich hackte genauer nach. "Für dich?" Mein Sitznachbar blickte lachend zu mir und nickte bejahend. "Chau ist mein Manager." Ich hob eine Augenbraue. "Manager? Was ist den dein Job?" Das Lachen meines Gegenübers verstummte mit einem Mal. Er wirkte vertieft, vertieft in seinen eigenen Gedanken und Überlegungen. Aber noch bevor ich eine Antwort von ihm abwarten konnte unterbrach ich ihn schon gleich. "Oh nein!" Meinte ich geschockt und Ten beugte sich wachsam zu mir vor. "Was ist los?" Fragte er besorgte und ich griff nach dem Bild meiner Familie, welches zwischen den Blättern des Arztes lag. "Wir müssen meinen Eltern Bescheid geben, dass ich entlassen wurde! Sie machen sich bestimmt unendlich viele Sorgen..meine Schwester bestimmt auch. Oh nein, gib mir dein Handy, ich-.." Doch meine Rage an Aufregung wurde von dem Schwarzhaarigen gestoppt. "Beruhig dich, sie wissen bereits alles Neami." Kam es sanft von Ten und ich schaute ihn unverständlich an. "Was?" Hauchte ich kaum hörbar und senkte meine aufrechten Schultern langsam wieder. "Warum waren sie dann nicht im Krankenhaus? Sie hätten mich doch nicht einfach so dort liegen gelassen." Begründete ich meine Annahme, doch seine Hand, welche auf meiner landete, ließ mich Inne halten. "Du weißt es nicht mehr, aber deine Eltern sind vor zwei Jahren ins Ausland ausgewandert." Ich verstand garnicht's mehr und fühlte mich als das ich auf der Stelle anfangen könnte zu weinen. Immerhin dachte ich, dass sie noch hier um die Ecke lebten und dann wachst du plötzlich auf und es hieß, sie seien ausgewandert? Ich wollte zurück, zurück in die Vergangenheit, dorthin wo alles noch so war wie ich es in Erinnerung hatte. Langsam aber sicher wurde mir deutlich, was der Arzt zu mir sagte, dass es doch nicht mehr als eine kurze Feststellung war. Mir fehlten die Erinnerungen der letzten vier Jahre meines Lebens. "Deine Eltern wollten nicht mehr in Korea leben, sie waren nach deinem Auszug so unglücklich, dass sie beschlossen nach Australien zu gehen." Ich fuhr mir durch die Haare und atmete tief ein. "Australien..das ist...weit." Ten nickte und ich wandte mich ihm wieder zu. "Und meine Schwester? Ist sie auch weg?" Der Thailänder schüttelte schmunzelnd sein Gesicht und ich atmete beruhigt aus. "Nicht ganz. Sie und ihr Freund haben letztes Jahr geheiratet und sie ist schwanger. Nari ist zur Zeit in Spanien mit ihrem Freund und genießt ihren letzten Urlaub zu zweit." Ich atmete lächelnd aus und konnte es nicht glauben. Meine Schwester, welche immer angst hatte etwas ernstes zu beginnen, hatte tatsächlich geheiratet und war nun auch noch schwanger. "Was wird es denn?" Er lächelte bei meiner Frage und zuckte mit seinen Achseln. "Nari wollte noch nichts sagen." Lachte er und ich schloss mich dem an. "Typisch."

Mein Blick fiel von dem Thailänder auf das zweite Bild, welches mir der Arzt gezeigt hatte. Meine Hand zog sich unter Ten's hervor und umpackte das Bild betrachtend. Wusste er vielleicht wer sie waren, diese Personen?
"Ten? Weißt du..wer diese Jungs sind?" Der Schwarzhaarige lehnte sich schon fast Schulter an Schulter zu mir und linste auf das Bild. Er lachte bei dem Anblick der mir fremden und nickte. "Ja, das sind meine Freunde." Er griff nach dem Bild, strich mit seinem Daumen über ihre Gesichter und lächelte verträumt. Doch eins blieb mir unerklärt. "Warum zeigt mir mein Arzt, ein Bild von deinen Freunden?" Er schaute mich wortlos an, fokussierte mich und drehte sich dann nach vorn. "Wann sind wir da?" Überspielte er meine Frage und ich beließ es dabei, für's erste.

Früher oder später müsste er es mir ja sagen.

..Fortsetzung folgt..

⁰⁶ TRY AGAIN | tenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt